Giovanni Boccaccios kleines Büchlein zum Lob Dantes steht am Beginn des italienischen, europäischen, schließlich globalen Dante-Kultes. Boccaccios Werk ist die erste Biographie des Dichters der Göttlichen Komödie, mehr noch, es ist eine der ersten Biographien in einer noch heute gesprochenen Sprache.Giovanni Boccaccios Trattattello in Laude di Dante, der nun in der Übersetzung von Moritz Rauchhaus neu zugänglich gemacht wird, entstand in den 1350er-Jahren - also gleichzeitig mit Boccaccios berühmtestem Werk, dem Decamerone. Er setzt dem Dichter-Kollegen und seinem Werk ein Denkmal: Dantes Herkunft, Leben und Studium, seine politische Laufbahn und sein langes Exil werden ebenso geschildert wie die Charakterstärken und -schwächen des Dichters, sein Aussehen und seine wichtigsten Werke. Dabei geht es nicht nur um die Erhebung Dantes in den Himmel der italienischen Dichtung, es geht nicht zuletzt um die Installation dieses italienischsprachigenHimmels überhaupt. Dass wir heute Dantes700. Todestag feiern, liegt auch daran, dass wir ihn seit 670 Jahren durch Boccaccios Biographie besser kennen.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 08.05.2021Als Erster nannte er sie göttlich
Boccaccios Traktat über Dante und seine Commedia
Er hat Dantes Nachruhm befestigt. Giovanni Boccaccio schrieb knapp dreißig Jahre nach dem Tod seines Dichterkollegen aus Florenz, im Jahr 1350, dessen erste Biographie. Er nannte sie "Kleiner Traktat (Trattarello) zum Lob Dantes". Denn das Denkmal, das er errichten wollte, galt nur zum Teil einem Individuum, viel mehr aber der Dichterfigur selbst. Dante steht hier in einer Linie mit den Autoren der Bibel, den unbekannten Erfindern der griechischen Mythen, ja mit Gott, dessen Dichtung die Theologie sei. Den Lorbeer verdienten die Schriftsteller am meisten, weil ihr Ruhm nicht verwelke und ihr Duft sich erhalte. Dafür war Dante das beste Beispiel, weil seine Komödie, die Boccaccio als Erster "göttlich" nannte, sich einem widrigen Leben entwunden hatte. Aus der Bahn einer politischen Karriere getragen, unglücklich verheiratet, im Exil lebend, die früh verstorbene Beatrice betrauernd, bewies er für Boccaccio die alles überwindende Kraft der Poesie. Was von den Städten bleibe, seien die Namen ihrer Dichter: Vergil für Mantua, Sulmona für Ovid.
Da es um ein Denkmal geht, wird nicht nur Florenz beschimpft, das Dante keines setzen wollte, sondern auch die Physiognomie Dantes geschildert, und das im Gegensatz zu vielen Porträts: bärtig, dunkelhäutig, dickes, krauses Haar. Boccaccio beschreibt die zwischen Ungeduld, Feindseligkeit und Versunkensein schwankende Existenz Dantes, seine "hohe Meinung von sich", und er notiert, es lasse sich bis ins Erwachsenenalter "viel Wollust" bei diesem Dichter finden. Zwei Kapitel deuten, was Dantes Mutter vor dessen Geburt träumte: das Werk und sein Autor als Pfauen.
Das alles ist gut aufgeschrieben, der Wechsel von Anekdote, Polemik und Traktat erfrischt. Der von Moritz Rauchhaus schön übersetzte und hilfreich kommentierte Boccaccio ist ein guter Begleiter für alle, die sich mit der "Göttlichen Komödie" befassen wollen.
kau
Giovanni Boccaccio: "Büchlein zum Lob Dantes".
Aus dem Italienischen und eingeleitet von Moritz Rauchhaus. Verlag Das Kulturelle Gedächtnis, Berlin 2021. 112 S., geb., 12,- [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Boccaccios Traktat über Dante und seine Commedia
Er hat Dantes Nachruhm befestigt. Giovanni Boccaccio schrieb knapp dreißig Jahre nach dem Tod seines Dichterkollegen aus Florenz, im Jahr 1350, dessen erste Biographie. Er nannte sie "Kleiner Traktat (Trattarello) zum Lob Dantes". Denn das Denkmal, das er errichten wollte, galt nur zum Teil einem Individuum, viel mehr aber der Dichterfigur selbst. Dante steht hier in einer Linie mit den Autoren der Bibel, den unbekannten Erfindern der griechischen Mythen, ja mit Gott, dessen Dichtung die Theologie sei. Den Lorbeer verdienten die Schriftsteller am meisten, weil ihr Ruhm nicht verwelke und ihr Duft sich erhalte. Dafür war Dante das beste Beispiel, weil seine Komödie, die Boccaccio als Erster "göttlich" nannte, sich einem widrigen Leben entwunden hatte. Aus der Bahn einer politischen Karriere getragen, unglücklich verheiratet, im Exil lebend, die früh verstorbene Beatrice betrauernd, bewies er für Boccaccio die alles überwindende Kraft der Poesie. Was von den Städten bleibe, seien die Namen ihrer Dichter: Vergil für Mantua, Sulmona für Ovid.
Da es um ein Denkmal geht, wird nicht nur Florenz beschimpft, das Dante keines setzen wollte, sondern auch die Physiognomie Dantes geschildert, und das im Gegensatz zu vielen Porträts: bärtig, dunkelhäutig, dickes, krauses Haar. Boccaccio beschreibt die zwischen Ungeduld, Feindseligkeit und Versunkensein schwankende Existenz Dantes, seine "hohe Meinung von sich", und er notiert, es lasse sich bis ins Erwachsenenalter "viel Wollust" bei diesem Dichter finden. Zwei Kapitel deuten, was Dantes Mutter vor dessen Geburt träumte: das Werk und sein Autor als Pfauen.
Das alles ist gut aufgeschrieben, der Wechsel von Anekdote, Polemik und Traktat erfrischt. Der von Moritz Rauchhaus schön übersetzte und hilfreich kommentierte Boccaccio ist ein guter Begleiter für alle, die sich mit der "Göttlichen Komödie" befassen wollen.
kau
Giovanni Boccaccio: "Büchlein zum Lob Dantes".
Aus dem Italienischen und eingeleitet von Moritz Rauchhaus. Verlag Das Kulturelle Gedächtnis, Berlin 2021. 112 S., geb., 12,- [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension
Rezensent Gustav Seibt kann von Dante nie genug bekommen. So freut er sich über die Neuübersetzung von Giovanni Boccaccios "Essay", der Dantes Biografie nachzeichnet, Werkgenese betreibt und schließlich und vor allem Dantes Selbstverständnis als quasi prophetischer Dichter nachgeht, wie Seibt erläutert. Wermutstropfen ist für Seibt Übersetzer Moritz Rauchhaus und sein "Übereifer", Boccaccios "terminologische Strenge" noch zu übertrumpfen, indem er gendert. Das hat der Schöpfer des Decamerone wirklich nicht nötig, findet Seibt.
© Perlentaucher Medien GmbH
© Perlentaucher Medien GmbH