B Wirtschafts- und Sozialethik in Zeiten der Globalisierung S Vollbeschäftigung ist eine Utopie, die "Sachzwänge" des "freien Marktes" verschärfen soziale Konflikte. Wolfgang Englers Kritik an der Herrschaft der Wirtschaft über alle anderen gesellschaftlichen Sphären und der Selbstentmachtung der Politik mündet in den Appell an die Bürger, das Ideal einer Gesellschaft selbstbestimmter Menschen nicht preiszugeben. Im Zeitalter der dritten industriellen Revolution ist die Vorstellung, jeder könne ein Leben auf Erwerbsarbeit aufbauen, anachronistisch geworden. Die Rezepte neoliberaler Ökonomen und Politiker - Einfrieren der Löhne und Gehälter, expandierende Arbeitszeit, Mobilmachung der arbeitsfähigen Bevölkerung, geringere Sozialleistungen bei Teilprivatisierung der Sozialsysteme - weisen keinen Ausweg aus der Krise. Im Gegenteil, die wachsende Diskrepanz zwischen Produktivität, Wachstum und Beschäftigung zehrt die kulturelle Mitgift des Kapitalismus auf: Zukunftsorientierung, Gemeinsinn, Arbeitsethos über die Klassenschranken hinweg schwinden. Auch ohne Arbeit oder weiterführende Ausbildung die Existenz zu sichern und die persönliche Würde zu wahren wird für immer mehr Menschen zur wichtigsten Überlebenstechnik. Die Befugnis und die Macht zur Umkehr liegen nicht bei einer Elite, sondern beim Willen aller einzelnen, für ihre Bürgerrechte zu kämpfen. Der Umsturz der vom Staat sanktionierten Wirtschaftsgesellschaft beginnt mit der Wiederentdeckung der eigenen Urteilskraft als Keimzelle des Politischen.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 16.03.2005Verhaltenslehre des nackten Lebens
Ein widerspenstiges Buch in experimenteller Absicht: Wolfgang Engler lockert unsere arbeitslose Republik mit einer bürgerlichen Utopie auf / Von Christian Geyer
Der Arbeiter kehrt zurück - paradoxerweise gerade in den Zeiten einer immer bedrängenderen Arbeitslosigkeit: als die Gestalt, in der sich die stählernen Formen zeigen, sei es in den härter werdenden Verdrängungskämpfen am Arbeitsplatz oder in den kalten Fluren der Arbeitsagentur. Schaut das harte, von Tatsächlichkeiten gehämmerte Gesicht! In den Jahrzehnten des sozialen Ausgleichs, den sich die Bundesrepublik auf die Fahnen geschrieben hatte, konnte man diese Gestalt beinahe vergessen. Jetzt ist sie wieder da. Die wirtschaftlichen Bedingungen des Lebens scheinen es nicht mehr herzugeben, daß wir uns hergebrachte humanistische Skrupel noch länger leisten können.
"Die Zeit will es", sagt der Arbeiter, der sich als Arbeitsloser, Niedriglöhner oder gescheiterter Unternehmer ins heroische, antibürgerliche Ideal der Mobilmachung fügt, als lebe er im Kraftfeld Ernst Jüngers. Das klingt dann aber auch wie: "Dieu le veut". Wie im neunzehnten Jahrhundert das englische Landvolk der Gemeinde gehörte, unentrinnbar, so gehören die deutschen Arbeitslosen dem Arbeitsmarkt: als "mobil gemachte Gefangene, Hörige am Laufband", schreibt der Berliner Kultursoziologe Wolfgang Engler in seinem neuen Buch "Bürger, ohne Arbeit". Das Buch ist ein Beitrag zur aktuellen Reformdebatte, das zugleich wie aus der Zeit gefallen wirkt. Es steht quer zu der üblichen Art und Weise, ökonomische und soziale Probleme nur punktuell und gleichsam technokratisch kurieren zu wollen. Engler geht aufs Ganze, was zugleich die Stärke und die Schwäche dieses Buches ausmacht. Es ist keine streng durchgeführte Abhandlung, eher eine überbordende Sammlung von nicht nur wirtschaftlichen und soziologischen, sondern auch literarischen und ästhetischen Gedanken, Zitaten, Exkursen, die sich nicht als geschlossene Theorie zusammenfassen lassen. Die Widersprüche und ein ständig neues Ansetzen gehören mit zur Eigenart dieses Werks. Der Autor sieht die Paradoxien seines Gegenstands und will sie auch stilistisch nicht glätten. Es ist ein Buch, das selbst dem, der mit einzelnen Diagnosen nicht einverstanden ist, den Kopf durchlüftet.
Engler läßt Töne anklingen, die nicht auf reformerische Trippelschrittchen zielen, sondern das Ganze einer Politik attackieren, die sich der Vermittlung von Kapital und Solidarität nicht mehr gewachsen zeigt. Er polemisiert gegen die Unheimlichkeit eines Diskurses, der den Wohlfahrtsstaat nur noch unter der Perspektive seines Mißbrauchs diskutiert, die Demontage des Sozialen zur eisernen Prämisse erklärt und jeden, der an ihr rührt, als "Blockierer" bloßstellt. Englers Szenario einer neuen Arbeitsgesellschaft - "Befreiung in der Arbeit, Befreiung von der Arbeit" - hat erklärtermaßen experimentellen Charakter: Es "spielt Möglichkeiten der gesellschaftlichen Entwicklung zugespitzter, konfrontativer durch als die unmittelbare Akteurssicht das ermöglicht oder erfordert, trennt, entzweit zum Zwecke größerer Klarheit, was ,an sich' zusammengehört oder doch miteinander auskommen kann". Statt die Reformdebatte als Gesellschaftsdebatte zu führen, versuche man weithin, sie als Haushaltspolitik zu normalisieren. Gegen diese reduktionistische Tendenz wählt Engler, zuspitzend und konfrontativ, einen eher schneidenden, bisweilen gar kulturkämpferischen Ton. Sein Buch hat Präparat-Charakter, das den kräftigen Strich nicht scheut: Er bringt die Reformdebatte auf ihren Arbeitsbegriff und schult an ihm den Blick für den fungiblen Menschen, der über das Individuum triumphiert. Mit dieser aus der Kulturkritik der Masse bekannten Stoßrichtung wendet sich der Autor gegen eine bloß angemaßte "Sachlichkeit", in der die Grundidee der Verständigung zwischen den gesellschaftlichen Gruppen nur noch als humanitärer Ballast aus den siebziger und achtziger Jahren erscheint. Als sei es für ein Gemeinwesen nicht eine konjunkturunabhängige Herausforderung, den sozialen Frieden auch materiell auf stabile Füße zu stellen.
An den runden Tischen, an denen derzeit ein Pakt für Deutschland nach dem anderen geschlossen wird, werden solche Töne üblicherweise mit der Bemerkung überhört: Wir wollen jetzt doch wohl nicht ideologisch werden! Wobei als ideologisch schnell all jene Gedanken abgetan werden, die sich darauf richten, dem Staat seine relative Unabhängigkeit gegenüber der Wirtschaft sichern zu wollen, und dies natürlich auch der Wirtschaft zuliebe. Ein unideologischer Kopf wie Ralf Dahrendorf, auf den sich Engler in seinem Buch gern beruft, wehrte sich erst kürzlich in dieser Zeitung gegen die neoliberale Propaganda, die "hinter jedem Bezug auf Soziales, auf Ethik, auf Verantwortung einen antikapitalistischen Affekt (vermutet), der nur mit sozialistischen Maßnahmen enden kann". Das Konstrukt der Sozialen Marktwirtschaft, theoretisch ein Widerspruch in sich, praktisch eine noch von Adenauer zusammengehaltene Realität, sei nie aus einem Guß gewesen: "Sie ist eine Legierung. Ebendarin lag ihr Erfolg; darin liegt aber auch ihre Schwäche." Diese Schwäche werde heute manifest, da das soziale und das marktwirtschaftliche Element offensichtlich wieder auseinandertreten. Insofern, schreibt Dahrendorf, könne man auch argumentieren, "daß eine neue soziale Marktwirtschaft erforderlich ist, eine neue Legierung, wenn man so will". Als konkreten Ausdruck einer solchen Neuformierung fordert Dahrendorf - wie manche andere vor und nach ihm - unabhängig von Arbeit und Arbeitslohn ein staatliches Existenzgeld (vulgo: Bürgergeld) als "gesicherte Grundausstattung für jedermann".
Englers Überlegungen bewegen sich im gleichen Raum. Statt im Zeichen einer lebensphilosophischen Unabwendbarkeit nur den heroischen Abschied vom Sozialstaat zu vollziehen, müsse eine neue politische Legierung gefunden werden, in der die soziale Komponente nicht einfach verloren gegeben, sondern in anderer, zeitgerechter Form geltend gemacht wird. Das Buch hat vielleicht vor allem dieses Ziel: In einer Zeit des massiven Umbruchs ein Denken in anderen als den vorgeschriebenen, ökonomistisch imprägnierten Begriffen zu rechtfertigen, ja als langfristige Unumgänglichkeit plausibel zu machen. Dem Autor geht es nicht um Rezepte, sondern um veränderte Denkrahmen für noch zu findende Lösungen. Das freilich würde einen Willen zur "Umverteilung" (Dahrendorf) nach dem Muster der skandinavischen Länder voraussetzen, der sofort das Gespenst des Bürgersozialismus hervorriefe. Gleichwohl besteht Engler auf einer Position, von der aus man den Sog des etablierten Reformdiskurses als eines Naturgeschehens unterbrechen und auf seine gesellschaftlichen Grundentscheidungen hin sichtbar machen kann.
Der Autor baut eine Grundfigur aus, die er schon in seinem Buch "Die Ostdeutschen als Avantgarde" angelegt hatte. Wer heute noch Vollbeschäftigung sage, der wolle betrügen. Statt mit der Chimäre von "Arbeit für alle" eine neue Unterschicht in Quarantäne zu halten, müßten ergänzend zur Senkung der Rekordarbeitslosigkeit Wege ausgelotet werden, wie es sich als Bürger ohne Arbeit leben läßt. "Die kapitalistische Industriegesellschaft benötigte mehr als ein Säkulum, um den Arbeiter zum Bürger zu emanzipieren; wie viel Zeit muß vergehen, um den nächsten Schritt zu wagen, die Emanzipation des Bürgers vom Arbeiter?"
Das hauptsächlich über die Mehrwertsteuer finanzierte Existenzgeld, mit dem der Staat jedem ein auskömmliches Leben garantiert, tritt nun als das Moment einer Utopie hervor, das Engler wie einen Türöffner gebraucht, um die festgefahrene Reformdebatte für ungewohnte Fragen zu öffnen: Wie macht man den Menschen für ein Selbstverständnis jenseits der Erwerbsarbeit fit? Wie organisiert man eine Gesellschaft so, daß Teilzeitarbeit, Sabbatjahre oder Vorruhestand, gar ein Dasein ganz ohne "Beruf" vom Bürger nicht als defizitär, sondern als befriedigend erlebte Gelegenheit für andere Tätigkeiten aufgefaßt werden? Für Tätigkeiten, die sich nicht erst den Namen Arbeit verdienen müssen, um verdienstvoll zu sein: sei es Hausarbeit, Gartenpflege, Romane schreiben oder was man sonst in einem auf Dauer gestellten Sabbatjahr tut.
Statt sich wie derzeit viele Autoren darin zu erschöpfen, einzelne "Reformlügen" anzuprangern, zieht Engler die Linien seiner Utopie ungerührt aus: Der Bürger in seiner zeitgenössischen Verfassung genießt individuelle und politische Rechte, und er genießt sie unbedingt. In seinen sozialen Rechten stößt er jedoch auf eine Bedingung - auf sich als Arbeiter, auf die Arbeit als Nadelöhr existentieller Forderungen ans Gemeinwesen. Erst wenn dieses letzte Bedingungsverhältnis aufgelöst ist, soziale Rechte bedingungslos gewährt werden, ist der Bürger endgültig als universelles Rechtssubjekt konstituiert. "Das Bürgergeld formuliert diesen utopischen Anspruch", schreibt Engler. "Sein Bürger ist weder bourgeois noch citoyen, weder das Verträge schließende noch das politisch engagierte Subjekt, vielmehr das ihnen zugrunde liegende subjectum, der Mensch mit seinen vitalen Bedürfnissen, in seinem Angewiesensein und Bezogensein auf seinesgleichen."
Hier entsteht also die Fiktion eines reinen, seiner sozialen Bezüge entkleideten Subjekts. Wird mit dieser Entgrenzung des Subjekts nicht just jene Lebensphilosophie bestätigt, die Engler als den theoretischen Rahmen der Deregulierung gerade verwirft? Doch der Autor bereitet sein Präparat so widerspenstig zu, um daran eine Alternative zu demonstrieren: Entweder man entscheidet sich für den "erweiterten Arbeitsbegriff" (Engler) und faßt unter Arbeit, was eigentlich - zum Beispiel - Liebe und Zuwendung ist, also der Sphäre des subjectum angehört. Oder man sieht der Umverteilung ins Auge und leistet sich mit dem staatlichen Existenzgeld im Rücken eine offene Sprache. "Das Bürgergeld korrigiert den schielenden Blick des Menschen auf sich selbst und befreit die Beziehungen zu anderen Menschen von beziehungsfremden Rücksichten. Liebe bleibt Liebe, Zuwendung Zuwendung, soziales Engament geschieht aus freiem Entschluß, Freigebigkeit und Selbstlosigkeit kommen als verschämte Nahrungssuche nicht länger in Betracht." Engler setzt die Pointe so, daß seine Ansicht von semantischer Redlichkeit auch einer ökonomischen Logik folgt. "General intellect, angewandte Wissenschaft, kooperative Designs als maßgebliche Agenzien des Wohlstands der Nationen untergraben Zurechen- und Meßbarkeit des je individuellen Anteils am Gesamtprodukt. Wo soll man anfangen, wo aufhören, wenn es darum geht, Anteile und Mitwirkungsrechte am Gesamten einzufordern?"
Englers sperriges Buch besticht denn auch weniger als sozialtechnologisches Manifest, das es gar nicht sein will. Es überzeugt vielmehr mit dem Nachweis, daß die ökonomische Rationalität in dem Moment aufhört, rational zu sein, wo sie unterderhand zur letzten Appellationsinstanz für Rationalität überhaupt wird. Es stimmt eben nicht, sagt Engler, daß sich die Gesellschaft, wie es ein sehr frommer akademischer Wunsch will, sich im Eigensinn der vielen Rationalitäten aufbaut. Tatsache sei vielmehr, daß die angeblich getrennten Sphären faktisch in einem Holismus des Marktes verschmelzen, der Fragen wie die nach einer Lebensperspektive von Arbeitslosen jenseits der Arbeit jedenfalls im System der Ökonomie gar nicht mehr artikulierbar macht - es sei denn als an das System assimilierte und damit unschädlich gemachte "Kapitalismuskritik". Die Verzweiflung über die Undurchdringlichkeit dieser Ganzheit verleitet den Autor bisweilen zu einer etwas raunenden revolutionären Rhetorik: etwa wenn er den Arbeitslosen nahelegt, "ihre Kraft in rebellischer Geselligkeit (zu) erneuern und (zu) handeln, daß die Fundamente beben".
Daß Engler die Frage nach dem Bürger ohne Arbeit gleichwohl präzise zu artikulieren vermag, hat damit zu tun, daß er seine Kritik am holistischen Kapitalismus sonst konsequent als sphärengebundene Kulturkritik betreibt und damit den eindimensionalen, sich auf eine einzige Sphäre zurückziehenden Wirtschaftsdiskurs gleichsam von innen her aufbricht. Wir stehen, erinnert Engler, heute vor einer Arbeitsgesellschaft, die an die Grenzen nicht ihrer ökonomischen Leistungsfähigkeit, wohl aber ihrer Integrationskraft stößt. Das wirklich Neue an der sozialen Frage der Gegenwart erblickt der Autor denn auch in der definitiven Auflösung des altbewährten Junktims von ökonomischer Existenzgewinnung und gesellschaftlicher Einbindung. Bis hinein ins letzte Drittel des zwanzigsten Jahrhunderts erschien die soziale Integration der Individuen als beinahe logische Konsequenz ihrer Einbindung in den wirtschaftlichen Lebensprozeß. Soziale Integration war demnach ökonomische Integration, für den weit überwiegenden Teil der Erwerbsbevölkerung. "Seither lockerte sich dieser Zusammenhang für eine wachsende Zahl von Menschen, und nichts spricht dafür, daß die beiden Integrationsmechanismen wieder denselben Rhythmus finden könnten, im Gegenteil."
Entsprechend verschärft sich für Engler der Skandal eines Gerechtigkeitsdiskurses, der von der Gleichheit der Bürger absieht und das bestehende Integrationsdefizit mit den zahmen Philosophien von Anstand (Avishai Margalit) und Respekt (Richard Sennett) festschreibt. So verwandle sich bei Sennett die soziale Frage in das psychologische Problem, "wie der Starke jenen Menschen mit Respekt begegnen kann, die dazu verurteilt sind, schwach zu bleiben". Gerechtigkeit, die als Ethisierung des Sozialdarwinismus funktioniert - nach dem Motto: je härter es zugeht, desto mehr Lebenskraft wird freigesetzt -, ist jener kulturelle Totalausfall, gegen den die Utopie des Bürgers ohne Arbeit sich wendet.
Bleibt zu klären, ob man die Frage nach dem anthropologischen Halt dieser Utopie nicht ernster nehmen müßte, als Engler es tut. Ist es richtig, mit der Erwerbsarbeit auch auf den Begriff der Arbeit verzichten zu wollen? Selbst wenn auch unabhängig von Erwerbsarbeit eine gesicherte Grundausstattung für jedermann einmal in Reichweite rücken würde, so bliebe immer noch die Frage: Taugt der Mensch zu einem Leben, das sich jenseits der Arbeit definiert? Ist das Sabbatjahr in der Regel nicht gerade deshalb so ertragreich, weil es nicht ewig währt? Nicht umsonst hat noch jeder Campanella seinen Sonnenstaat auf den Rhythmus der Arbeit gegründet. Kommt die Beziehung wirklich erst dann zu sich selbst, wenn sie "von beziehungsfremden Rücksichten befreit" (Engler) ist? Droht nicht ein Leben in blasser Abstraktion, wo es sich als nacktes Leben ausgibt - als nicht entfremdete Tätigkeit, als reine Beziehung? Wir kommen, wie es aussieht, gar nicht darum herum, auch Liebe und Zuwendung als Arbeit aufzufassen. Und Arbeitslosigkeit für die härteste Arbeit aller Lebenszeiten zu halten. Die Emanzipation des Bürgers vom Arbeiter kann, wenn überhaupt, nur als politische, nicht als persönliche gelingen. Denn der Arbeiter in uns läßt sich nicht kaltstellen. Er kehrt immer wieder zurück.
Wolfgang Engler: "Bürger, ohne Arbeit". Für eine radikale Neugestaltung der Gesellschaft. Aufbau-Verlag, Berlin 2005. 416 S., geb., 19,90 [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Ein widerspenstiges Buch in experimenteller Absicht: Wolfgang Engler lockert unsere arbeitslose Republik mit einer bürgerlichen Utopie auf / Von Christian Geyer
Der Arbeiter kehrt zurück - paradoxerweise gerade in den Zeiten einer immer bedrängenderen Arbeitslosigkeit: als die Gestalt, in der sich die stählernen Formen zeigen, sei es in den härter werdenden Verdrängungskämpfen am Arbeitsplatz oder in den kalten Fluren der Arbeitsagentur. Schaut das harte, von Tatsächlichkeiten gehämmerte Gesicht! In den Jahrzehnten des sozialen Ausgleichs, den sich die Bundesrepublik auf die Fahnen geschrieben hatte, konnte man diese Gestalt beinahe vergessen. Jetzt ist sie wieder da. Die wirtschaftlichen Bedingungen des Lebens scheinen es nicht mehr herzugeben, daß wir uns hergebrachte humanistische Skrupel noch länger leisten können.
"Die Zeit will es", sagt der Arbeiter, der sich als Arbeitsloser, Niedriglöhner oder gescheiterter Unternehmer ins heroische, antibürgerliche Ideal der Mobilmachung fügt, als lebe er im Kraftfeld Ernst Jüngers. Das klingt dann aber auch wie: "Dieu le veut". Wie im neunzehnten Jahrhundert das englische Landvolk der Gemeinde gehörte, unentrinnbar, so gehören die deutschen Arbeitslosen dem Arbeitsmarkt: als "mobil gemachte Gefangene, Hörige am Laufband", schreibt der Berliner Kultursoziologe Wolfgang Engler in seinem neuen Buch "Bürger, ohne Arbeit". Das Buch ist ein Beitrag zur aktuellen Reformdebatte, das zugleich wie aus der Zeit gefallen wirkt. Es steht quer zu der üblichen Art und Weise, ökonomische und soziale Probleme nur punktuell und gleichsam technokratisch kurieren zu wollen. Engler geht aufs Ganze, was zugleich die Stärke und die Schwäche dieses Buches ausmacht. Es ist keine streng durchgeführte Abhandlung, eher eine überbordende Sammlung von nicht nur wirtschaftlichen und soziologischen, sondern auch literarischen und ästhetischen Gedanken, Zitaten, Exkursen, die sich nicht als geschlossene Theorie zusammenfassen lassen. Die Widersprüche und ein ständig neues Ansetzen gehören mit zur Eigenart dieses Werks. Der Autor sieht die Paradoxien seines Gegenstands und will sie auch stilistisch nicht glätten. Es ist ein Buch, das selbst dem, der mit einzelnen Diagnosen nicht einverstanden ist, den Kopf durchlüftet.
Engler läßt Töne anklingen, die nicht auf reformerische Trippelschrittchen zielen, sondern das Ganze einer Politik attackieren, die sich der Vermittlung von Kapital und Solidarität nicht mehr gewachsen zeigt. Er polemisiert gegen die Unheimlichkeit eines Diskurses, der den Wohlfahrtsstaat nur noch unter der Perspektive seines Mißbrauchs diskutiert, die Demontage des Sozialen zur eisernen Prämisse erklärt und jeden, der an ihr rührt, als "Blockierer" bloßstellt. Englers Szenario einer neuen Arbeitsgesellschaft - "Befreiung in der Arbeit, Befreiung von der Arbeit" - hat erklärtermaßen experimentellen Charakter: Es "spielt Möglichkeiten der gesellschaftlichen Entwicklung zugespitzter, konfrontativer durch als die unmittelbare Akteurssicht das ermöglicht oder erfordert, trennt, entzweit zum Zwecke größerer Klarheit, was ,an sich' zusammengehört oder doch miteinander auskommen kann". Statt die Reformdebatte als Gesellschaftsdebatte zu führen, versuche man weithin, sie als Haushaltspolitik zu normalisieren. Gegen diese reduktionistische Tendenz wählt Engler, zuspitzend und konfrontativ, einen eher schneidenden, bisweilen gar kulturkämpferischen Ton. Sein Buch hat Präparat-Charakter, das den kräftigen Strich nicht scheut: Er bringt die Reformdebatte auf ihren Arbeitsbegriff und schult an ihm den Blick für den fungiblen Menschen, der über das Individuum triumphiert. Mit dieser aus der Kulturkritik der Masse bekannten Stoßrichtung wendet sich der Autor gegen eine bloß angemaßte "Sachlichkeit", in der die Grundidee der Verständigung zwischen den gesellschaftlichen Gruppen nur noch als humanitärer Ballast aus den siebziger und achtziger Jahren erscheint. Als sei es für ein Gemeinwesen nicht eine konjunkturunabhängige Herausforderung, den sozialen Frieden auch materiell auf stabile Füße zu stellen.
An den runden Tischen, an denen derzeit ein Pakt für Deutschland nach dem anderen geschlossen wird, werden solche Töne üblicherweise mit der Bemerkung überhört: Wir wollen jetzt doch wohl nicht ideologisch werden! Wobei als ideologisch schnell all jene Gedanken abgetan werden, die sich darauf richten, dem Staat seine relative Unabhängigkeit gegenüber der Wirtschaft sichern zu wollen, und dies natürlich auch der Wirtschaft zuliebe. Ein unideologischer Kopf wie Ralf Dahrendorf, auf den sich Engler in seinem Buch gern beruft, wehrte sich erst kürzlich in dieser Zeitung gegen die neoliberale Propaganda, die "hinter jedem Bezug auf Soziales, auf Ethik, auf Verantwortung einen antikapitalistischen Affekt (vermutet), der nur mit sozialistischen Maßnahmen enden kann". Das Konstrukt der Sozialen Marktwirtschaft, theoretisch ein Widerspruch in sich, praktisch eine noch von Adenauer zusammengehaltene Realität, sei nie aus einem Guß gewesen: "Sie ist eine Legierung. Ebendarin lag ihr Erfolg; darin liegt aber auch ihre Schwäche." Diese Schwäche werde heute manifest, da das soziale und das marktwirtschaftliche Element offensichtlich wieder auseinandertreten. Insofern, schreibt Dahrendorf, könne man auch argumentieren, "daß eine neue soziale Marktwirtschaft erforderlich ist, eine neue Legierung, wenn man so will". Als konkreten Ausdruck einer solchen Neuformierung fordert Dahrendorf - wie manche andere vor und nach ihm - unabhängig von Arbeit und Arbeitslohn ein staatliches Existenzgeld (vulgo: Bürgergeld) als "gesicherte Grundausstattung für jedermann".
Englers Überlegungen bewegen sich im gleichen Raum. Statt im Zeichen einer lebensphilosophischen Unabwendbarkeit nur den heroischen Abschied vom Sozialstaat zu vollziehen, müsse eine neue politische Legierung gefunden werden, in der die soziale Komponente nicht einfach verloren gegeben, sondern in anderer, zeitgerechter Form geltend gemacht wird. Das Buch hat vielleicht vor allem dieses Ziel: In einer Zeit des massiven Umbruchs ein Denken in anderen als den vorgeschriebenen, ökonomistisch imprägnierten Begriffen zu rechtfertigen, ja als langfristige Unumgänglichkeit plausibel zu machen. Dem Autor geht es nicht um Rezepte, sondern um veränderte Denkrahmen für noch zu findende Lösungen. Das freilich würde einen Willen zur "Umverteilung" (Dahrendorf) nach dem Muster der skandinavischen Länder voraussetzen, der sofort das Gespenst des Bürgersozialismus hervorriefe. Gleichwohl besteht Engler auf einer Position, von der aus man den Sog des etablierten Reformdiskurses als eines Naturgeschehens unterbrechen und auf seine gesellschaftlichen Grundentscheidungen hin sichtbar machen kann.
Der Autor baut eine Grundfigur aus, die er schon in seinem Buch "Die Ostdeutschen als Avantgarde" angelegt hatte. Wer heute noch Vollbeschäftigung sage, der wolle betrügen. Statt mit der Chimäre von "Arbeit für alle" eine neue Unterschicht in Quarantäne zu halten, müßten ergänzend zur Senkung der Rekordarbeitslosigkeit Wege ausgelotet werden, wie es sich als Bürger ohne Arbeit leben läßt. "Die kapitalistische Industriegesellschaft benötigte mehr als ein Säkulum, um den Arbeiter zum Bürger zu emanzipieren; wie viel Zeit muß vergehen, um den nächsten Schritt zu wagen, die Emanzipation des Bürgers vom Arbeiter?"
Das hauptsächlich über die Mehrwertsteuer finanzierte Existenzgeld, mit dem der Staat jedem ein auskömmliches Leben garantiert, tritt nun als das Moment einer Utopie hervor, das Engler wie einen Türöffner gebraucht, um die festgefahrene Reformdebatte für ungewohnte Fragen zu öffnen: Wie macht man den Menschen für ein Selbstverständnis jenseits der Erwerbsarbeit fit? Wie organisiert man eine Gesellschaft so, daß Teilzeitarbeit, Sabbatjahre oder Vorruhestand, gar ein Dasein ganz ohne "Beruf" vom Bürger nicht als defizitär, sondern als befriedigend erlebte Gelegenheit für andere Tätigkeiten aufgefaßt werden? Für Tätigkeiten, die sich nicht erst den Namen Arbeit verdienen müssen, um verdienstvoll zu sein: sei es Hausarbeit, Gartenpflege, Romane schreiben oder was man sonst in einem auf Dauer gestellten Sabbatjahr tut.
Statt sich wie derzeit viele Autoren darin zu erschöpfen, einzelne "Reformlügen" anzuprangern, zieht Engler die Linien seiner Utopie ungerührt aus: Der Bürger in seiner zeitgenössischen Verfassung genießt individuelle und politische Rechte, und er genießt sie unbedingt. In seinen sozialen Rechten stößt er jedoch auf eine Bedingung - auf sich als Arbeiter, auf die Arbeit als Nadelöhr existentieller Forderungen ans Gemeinwesen. Erst wenn dieses letzte Bedingungsverhältnis aufgelöst ist, soziale Rechte bedingungslos gewährt werden, ist der Bürger endgültig als universelles Rechtssubjekt konstituiert. "Das Bürgergeld formuliert diesen utopischen Anspruch", schreibt Engler. "Sein Bürger ist weder bourgeois noch citoyen, weder das Verträge schließende noch das politisch engagierte Subjekt, vielmehr das ihnen zugrunde liegende subjectum, der Mensch mit seinen vitalen Bedürfnissen, in seinem Angewiesensein und Bezogensein auf seinesgleichen."
Hier entsteht also die Fiktion eines reinen, seiner sozialen Bezüge entkleideten Subjekts. Wird mit dieser Entgrenzung des Subjekts nicht just jene Lebensphilosophie bestätigt, die Engler als den theoretischen Rahmen der Deregulierung gerade verwirft? Doch der Autor bereitet sein Präparat so widerspenstig zu, um daran eine Alternative zu demonstrieren: Entweder man entscheidet sich für den "erweiterten Arbeitsbegriff" (Engler) und faßt unter Arbeit, was eigentlich - zum Beispiel - Liebe und Zuwendung ist, also der Sphäre des subjectum angehört. Oder man sieht der Umverteilung ins Auge und leistet sich mit dem staatlichen Existenzgeld im Rücken eine offene Sprache. "Das Bürgergeld korrigiert den schielenden Blick des Menschen auf sich selbst und befreit die Beziehungen zu anderen Menschen von beziehungsfremden Rücksichten. Liebe bleibt Liebe, Zuwendung Zuwendung, soziales Engament geschieht aus freiem Entschluß, Freigebigkeit und Selbstlosigkeit kommen als verschämte Nahrungssuche nicht länger in Betracht." Engler setzt die Pointe so, daß seine Ansicht von semantischer Redlichkeit auch einer ökonomischen Logik folgt. "General intellect, angewandte Wissenschaft, kooperative Designs als maßgebliche Agenzien des Wohlstands der Nationen untergraben Zurechen- und Meßbarkeit des je individuellen Anteils am Gesamtprodukt. Wo soll man anfangen, wo aufhören, wenn es darum geht, Anteile und Mitwirkungsrechte am Gesamten einzufordern?"
Englers sperriges Buch besticht denn auch weniger als sozialtechnologisches Manifest, das es gar nicht sein will. Es überzeugt vielmehr mit dem Nachweis, daß die ökonomische Rationalität in dem Moment aufhört, rational zu sein, wo sie unterderhand zur letzten Appellationsinstanz für Rationalität überhaupt wird. Es stimmt eben nicht, sagt Engler, daß sich die Gesellschaft, wie es ein sehr frommer akademischer Wunsch will, sich im Eigensinn der vielen Rationalitäten aufbaut. Tatsache sei vielmehr, daß die angeblich getrennten Sphären faktisch in einem Holismus des Marktes verschmelzen, der Fragen wie die nach einer Lebensperspektive von Arbeitslosen jenseits der Arbeit jedenfalls im System der Ökonomie gar nicht mehr artikulierbar macht - es sei denn als an das System assimilierte und damit unschädlich gemachte "Kapitalismuskritik". Die Verzweiflung über die Undurchdringlichkeit dieser Ganzheit verleitet den Autor bisweilen zu einer etwas raunenden revolutionären Rhetorik: etwa wenn er den Arbeitslosen nahelegt, "ihre Kraft in rebellischer Geselligkeit (zu) erneuern und (zu) handeln, daß die Fundamente beben".
Daß Engler die Frage nach dem Bürger ohne Arbeit gleichwohl präzise zu artikulieren vermag, hat damit zu tun, daß er seine Kritik am holistischen Kapitalismus sonst konsequent als sphärengebundene Kulturkritik betreibt und damit den eindimensionalen, sich auf eine einzige Sphäre zurückziehenden Wirtschaftsdiskurs gleichsam von innen her aufbricht. Wir stehen, erinnert Engler, heute vor einer Arbeitsgesellschaft, die an die Grenzen nicht ihrer ökonomischen Leistungsfähigkeit, wohl aber ihrer Integrationskraft stößt. Das wirklich Neue an der sozialen Frage der Gegenwart erblickt der Autor denn auch in der definitiven Auflösung des altbewährten Junktims von ökonomischer Existenzgewinnung und gesellschaftlicher Einbindung. Bis hinein ins letzte Drittel des zwanzigsten Jahrhunderts erschien die soziale Integration der Individuen als beinahe logische Konsequenz ihrer Einbindung in den wirtschaftlichen Lebensprozeß. Soziale Integration war demnach ökonomische Integration, für den weit überwiegenden Teil der Erwerbsbevölkerung. "Seither lockerte sich dieser Zusammenhang für eine wachsende Zahl von Menschen, und nichts spricht dafür, daß die beiden Integrationsmechanismen wieder denselben Rhythmus finden könnten, im Gegenteil."
Entsprechend verschärft sich für Engler der Skandal eines Gerechtigkeitsdiskurses, der von der Gleichheit der Bürger absieht und das bestehende Integrationsdefizit mit den zahmen Philosophien von Anstand (Avishai Margalit) und Respekt (Richard Sennett) festschreibt. So verwandle sich bei Sennett die soziale Frage in das psychologische Problem, "wie der Starke jenen Menschen mit Respekt begegnen kann, die dazu verurteilt sind, schwach zu bleiben". Gerechtigkeit, die als Ethisierung des Sozialdarwinismus funktioniert - nach dem Motto: je härter es zugeht, desto mehr Lebenskraft wird freigesetzt -, ist jener kulturelle Totalausfall, gegen den die Utopie des Bürgers ohne Arbeit sich wendet.
Bleibt zu klären, ob man die Frage nach dem anthropologischen Halt dieser Utopie nicht ernster nehmen müßte, als Engler es tut. Ist es richtig, mit der Erwerbsarbeit auch auf den Begriff der Arbeit verzichten zu wollen? Selbst wenn auch unabhängig von Erwerbsarbeit eine gesicherte Grundausstattung für jedermann einmal in Reichweite rücken würde, so bliebe immer noch die Frage: Taugt der Mensch zu einem Leben, das sich jenseits der Arbeit definiert? Ist das Sabbatjahr in der Regel nicht gerade deshalb so ertragreich, weil es nicht ewig währt? Nicht umsonst hat noch jeder Campanella seinen Sonnenstaat auf den Rhythmus der Arbeit gegründet. Kommt die Beziehung wirklich erst dann zu sich selbst, wenn sie "von beziehungsfremden Rücksichten befreit" (Engler) ist? Droht nicht ein Leben in blasser Abstraktion, wo es sich als nacktes Leben ausgibt - als nicht entfremdete Tätigkeit, als reine Beziehung? Wir kommen, wie es aussieht, gar nicht darum herum, auch Liebe und Zuwendung als Arbeit aufzufassen. Und Arbeitslosigkeit für die härteste Arbeit aller Lebenszeiten zu halten. Die Emanzipation des Bürgers vom Arbeiter kann, wenn überhaupt, nur als politische, nicht als persönliche gelingen. Denn der Arbeiter in uns läßt sich nicht kaltstellen. Er kehrt immer wieder zurück.
Wolfgang Engler: "Bürger, ohne Arbeit". Für eine radikale Neugestaltung der Gesellschaft. Aufbau-Verlag, Berlin 2005. 416 S., geb., 19,90 [Euro].
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Perlentaucher-Notiz zur FR-Rezension
Ulrike Baureithel überzeugt Wolfgang Englers Buch "Bürger, ohne Arbeit" nicht recht, in dem der Autor nicht nur den Arbeitsbegriff untersucht, sondern auch nach der Sicherung der politischen Rechte von Arbeitslosen fragt. Engler hat seine Überlegungen auf ein "historisch weit angelegtes" und "bildungsbürgerlich befestigtes" Fundament gestellt, indem er die Geschichte der Arbeit von der Antike bis zur Gegenwart nachvollzieht und betont, dass Lohnarbeit von jeher "identitätsstiftend" war, fasst die Rezensentin zusammen. Nicht zuletzt deshalb begegne er sowohl "aristokratischen Arbeitsverächtern" wie "subkulturellen Schwärmern", die auf ihr "Recht zur Faulheit" pochen, mit höhnischer Verachtung. Die "neue soziale Frage", die sich aus dem Mangel an Lohnarbeit ergibt und sowohl über die gerechte Verteilung der noch vorhandenen Arbeit nachdenkt sowie die Zahlung eines Bürgergelds diskutiert, beantwortet Engler mit einem Plädoyer für eine jedem Bürger zustehende "Sozialdividende". Baureithel sieht die "Glaubwürdigkeit" dieses Vorschlags" untergraben, weil der Autor nicht schreibt, wovon sie bezahlt werden soll. Sie findet auch den ganzen Aufwand ziemlich übertrieben, wenn am Ende nicht mehr als die Forderung nach einem "europäischen Sozialpakt" steht. Der "sprachgewaltige Aufmarsch" der zweitausendjährigen Geschichte der Arbeit, der "Spott", den Engler für sämtliche "Widersacher" übrig hat, die "selbstverliebten Spiegelgefechte dialektischer Rhetorik": Das alles stellt die Leser auf eine ziemlich "harte Probe", die vom Ertrag des Buches nicht gerechtfertigt wird, kritisiert Baureithel.
© Perlentaucher Medien GmbH
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