Bürgerkriege sind die Kriege unserer Zeit.
Das neue Standardwerk über innerstaatliche Konflikte
»Diese lang erwartete Studie über den Bürgerkrieg ist eine Ideengeschichte, die den Kampf um den Begriff mit den realen Kämpfen verwebt, vom alten Rom über die großen Bürgerkriege der Neuzeit bis hin zum zerrütteten Syrien heute.«
Johan Schloemann, Süddeutsche Zeitung
Vom Balkan über Afghanistan, den Irak oder Südsudan bis hin zu den aktuellen Ereignissen in Syrien und der Ukraine: Der Bürgerkrieg ist zur vorherrschenden Form politischer Gewalt in unserer modernen Welt geworden. Was genau meinen wir aber, wenn wir von Bürgerkrieg sprechen? Und wer entscheidet darüber, wann eine Auseinandersetzung zum Bürgerkrieg wird? Innerstaatliche Konflikte, asymmetrische Kriegsführung, Rebellion und Revolution bezeichnen gewaltsame Ausbrüche im Inneren eines Landes - doch die begrifflichen und faktischen Grenzen verschwimmen. Armitage zeigt anhand historischer Beispiele auf, dass der Bürgerkrieg in unserer Gegenwart seine Blütezeit erfährt. Seine einzigartige Perspektive auf die Ursprünge und spezifischen Dynamiken des Phänomens verdeutlicht, dass allein die Benennung eines innerstaatlichen Konflikts als Bürgerkrieg dessen Ausgang beeinflussen kann.
Das neue Standardwerk über innerstaatliche Konflikte
»Diese lang erwartete Studie über den Bürgerkrieg ist eine Ideengeschichte, die den Kampf um den Begriff mit den realen Kämpfen verwebt, vom alten Rom über die großen Bürgerkriege der Neuzeit bis hin zum zerrütteten Syrien heute.«
Johan Schloemann, Süddeutsche Zeitung
Vom Balkan über Afghanistan, den Irak oder Südsudan bis hin zu den aktuellen Ereignissen in Syrien und der Ukraine: Der Bürgerkrieg ist zur vorherrschenden Form politischer Gewalt in unserer modernen Welt geworden. Was genau meinen wir aber, wenn wir von Bürgerkrieg sprechen? Und wer entscheidet darüber, wann eine Auseinandersetzung zum Bürgerkrieg wird? Innerstaatliche Konflikte, asymmetrische Kriegsführung, Rebellion und Revolution bezeichnen gewaltsame Ausbrüche im Inneren eines Landes - doch die begrifflichen und faktischen Grenzen verschwimmen. Armitage zeigt anhand historischer Beispiele auf, dass der Bürgerkrieg in unserer Gegenwart seine Blütezeit erfährt. Seine einzigartige Perspektive auf die Ursprünge und spezifischen Dynamiken des Phänomens verdeutlicht, dass allein die Benennung eines innerstaatlichen Konflikts als Bürgerkrieg dessen Ausgang beeinflussen kann.
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 18.09.2018Ewige Drohung
David Armitage über die
Geschichte des Bürgerkriegs
Was Bürgerkriege bedrohlicher mache als andere Kriege, erklärte Michel de Montaigne im 16. Jahrhundert, sei der Umstand, „dass jeder von uns im eigenen Haus Wache stehen muss“. Das ist einfach gesagt, aber wie immer bei Montaigne trifft es den entscheidenden Punkt. Der Schrecken des Bürgerkriegs besteht in der Aufhebung des Sicherheitsversprechens einer schon erreichten Ordnung. Das „bellum civile“, den „bürgerlichen Krieg“ (wie ihn Goethe noch nannte) kann es erst geben, wenn die Civitas, die Bürgerschaft, der Staat schon konstituiert war. Er bedeutet einen Rückfall. So wird er zum Schreckgespenst staatlicher Ordnung, als Drohung, die hinter dem Gewaltmonopol immer noch lauert. Dieses müsste man gar nicht postulieren, wenn Gewalt nicht fortwährend im Raum stünde.
Deshalb ist auch die Diagnose, ein Bürgerkrieg bedeute die Rückkehr in den Naturzustand, irreführend. Für Thomas Hobbes, den englischen Staatstheoretiker, der im 17. Jahrhundert die Theorie der Souveränität ausgearbeitet hat, war das Konzept des Bürgerkriegs ein Widerspruch in sich selbst, eben weil Bürgerschaftlichkeit gar nicht mehr existierte, wenn er ausgebrochen war. Man könnte es auch anders formulieren: Die Rückkehr in den Naturzustand ist immer furchtbarer als der ursprüngliche Naturzustand. Denn der Krieg aller gegen alle, in dem nach Hobbes der Naturzustand besteht, findet beim Bürgerkrieg in den rauchenden Ruinen vorangehender Ordnung statt. Deshalb ist er ein Menetekel.
Die knappe, gut argumentierte Ideen- und Begriffsgeschichte zum Bürgerkrieg, die der britische Historiker David Armitage vor anderthalb Jahren vorgestellt hat (SZ vom 24. 1. 2017), findet nun ihren Weg nach Deutschland, zu einem passenden Zeitpunkt. Armitage beginnt bei den Griechen, geht weiter zum römischen Fluch des Brudermords, der späteren ersten Begriffsbildung in den Bürgerkriegen der römischen Republik und endet bei Versuchen der Verrechtlichung im heutigen Kriegsrecht. Die Wahl des Begriffs hat unvermeidlich politische Folgen. So macht die Vorstellung eines „Bürgerkriegs“ Rebellen oder Sezessionisten zu Kriegsparteien. Das syrische Regime Assads spricht im aktuellen Konflikt konsequent von „Terroristen“, die Lesart von einem syrischen „Bürgerkrieg“ kommt aus dem Westen.
Die alten Griechen kannten das Konzept noch nicht. Krieg, Polemos, war der Kampf mit äußeren Feinden. Thukydides, der in einem berühmten Kapitel des „Peloponnesischen Kriegs“ den inneren Kampf von Kerkyra minutiös als Prozess der Eskalation sezierte, sprach von „Stasis“, „Aufstand“ (lateinisch „seditio“). Etymologisch ist das vom Beharren auf dem eigenen Standpunkt herzuleiten. Stasis ist eine blutige Form von Unversöhnlichkeit, dynamische Feindschaft. Erst die Römer des ersten Jahrhundert vor Christus, in dem von charismatischen Feldherren gelenkte Söldnerheere aufeinander trafen, entwickelten das Konzept des „bellum civile“, des veritablen Krieges innerhalb der Verfassungsordnung. Er entstand aus Parteistreitigkeiten, politischen Mordanschlägen, zog aber bald den ganzen Weltkreis des Imperiums ins Verderben, und er musste in einer Monarchie beruhigt werden. Rückfallgefahr bestand immer, bei jedem Thronwechsel.
Daran knüpfte die Frühe Neuzeit an, die mit länderübergreifenden konfessionellen Konflikten geschlagen war. Sie wurden das Modell fürs Phantasma des „Weltbürgerkriegs“ im 20. Jahrhundert, der ebenfalls quer durch die Staatenwelt gegangen sein soll. Nicht umsonst knüpften die Denker von Souveränität, Ausnahmezustand und Notstandsgesetzgebung, allen voran Carl Schmitt, so gern an die Staatstheoretiker des 17. Jahrhunderts an. Armitage erweitert das Bild durch die Dialektik von „Bürgerkrieg“ und „Revolution“ seit den Revolutionen des späten 18. Jahrhunderts. Die Vorgänge in Nordamerika entwickelten sich von einer Revolte über den Bürgerkrieg zur erfolgreichen, zukunftsträchtigen Revolution. Ob man die Konflikte in Frankreich seit 1789 als „bürgerlichen Krieg“ oder als „Revolution“ beschrieb, entschied über die Legitimität der gewaltsamen Neuerungen.
Diese gewaltigen Vorbilder sollten davor warnen, das B-Wort allzu freigiebig zu verwenden. Hans Magnus Enzensbergers in den neunziger Jahren entwickeltes Konzept vom „molekularen Bürgerkrieg“, der mit dem alltäglichen Vandalismus im Kleinen beginnt, erfreut sich gerade einer erstaunlichen Karriere bei Denkern der Rechten. Enzensbergers Beschreibungen sind suggestiv, leicht verführen sie daher zu Diagnosen vom „Staatsversagen“. Wer nicht einzelne Rechtsverstöße kritisiert, sondern gleich von der „Herrschaft des Unrechts“ redet, ruft eigentlich den Ausnahmezustand aus. Das erzeugt die hysterische Stimmung, in der jeder Mordfall zum Anlass für „Widerstand“ genommen werden kann, in der Trauer und berechtigte Empörung zu medienwirksamen Unruhen auswachsen. Der Bürgerkrieg ist nicht nur die ewige Drohung hinter der Ordnung, man kann ihn mit enthemmter Rede auch herbeifantasieren.
GUSTAV SEIBT
David Armitage: Bürgerkrieg. Vom Wesen innerstaatlicher Konflikte. Aus dem Englischen von Sebastian Vogel. Verlag Klett-Cotta, Stuttgart 2018. 319 Seiten, 25 Euro.
Wer allzu leichtfertig
vom „Staatsversagen“ spricht,
ruft den Ausnahmezustand herbei
DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de
David Armitage über die
Geschichte des Bürgerkriegs
Was Bürgerkriege bedrohlicher mache als andere Kriege, erklärte Michel de Montaigne im 16. Jahrhundert, sei der Umstand, „dass jeder von uns im eigenen Haus Wache stehen muss“. Das ist einfach gesagt, aber wie immer bei Montaigne trifft es den entscheidenden Punkt. Der Schrecken des Bürgerkriegs besteht in der Aufhebung des Sicherheitsversprechens einer schon erreichten Ordnung. Das „bellum civile“, den „bürgerlichen Krieg“ (wie ihn Goethe noch nannte) kann es erst geben, wenn die Civitas, die Bürgerschaft, der Staat schon konstituiert war. Er bedeutet einen Rückfall. So wird er zum Schreckgespenst staatlicher Ordnung, als Drohung, die hinter dem Gewaltmonopol immer noch lauert. Dieses müsste man gar nicht postulieren, wenn Gewalt nicht fortwährend im Raum stünde.
Deshalb ist auch die Diagnose, ein Bürgerkrieg bedeute die Rückkehr in den Naturzustand, irreführend. Für Thomas Hobbes, den englischen Staatstheoretiker, der im 17. Jahrhundert die Theorie der Souveränität ausgearbeitet hat, war das Konzept des Bürgerkriegs ein Widerspruch in sich selbst, eben weil Bürgerschaftlichkeit gar nicht mehr existierte, wenn er ausgebrochen war. Man könnte es auch anders formulieren: Die Rückkehr in den Naturzustand ist immer furchtbarer als der ursprüngliche Naturzustand. Denn der Krieg aller gegen alle, in dem nach Hobbes der Naturzustand besteht, findet beim Bürgerkrieg in den rauchenden Ruinen vorangehender Ordnung statt. Deshalb ist er ein Menetekel.
Die knappe, gut argumentierte Ideen- und Begriffsgeschichte zum Bürgerkrieg, die der britische Historiker David Armitage vor anderthalb Jahren vorgestellt hat (SZ vom 24. 1. 2017), findet nun ihren Weg nach Deutschland, zu einem passenden Zeitpunkt. Armitage beginnt bei den Griechen, geht weiter zum römischen Fluch des Brudermords, der späteren ersten Begriffsbildung in den Bürgerkriegen der römischen Republik und endet bei Versuchen der Verrechtlichung im heutigen Kriegsrecht. Die Wahl des Begriffs hat unvermeidlich politische Folgen. So macht die Vorstellung eines „Bürgerkriegs“ Rebellen oder Sezessionisten zu Kriegsparteien. Das syrische Regime Assads spricht im aktuellen Konflikt konsequent von „Terroristen“, die Lesart von einem syrischen „Bürgerkrieg“ kommt aus dem Westen.
Die alten Griechen kannten das Konzept noch nicht. Krieg, Polemos, war der Kampf mit äußeren Feinden. Thukydides, der in einem berühmten Kapitel des „Peloponnesischen Kriegs“ den inneren Kampf von Kerkyra minutiös als Prozess der Eskalation sezierte, sprach von „Stasis“, „Aufstand“ (lateinisch „seditio“). Etymologisch ist das vom Beharren auf dem eigenen Standpunkt herzuleiten. Stasis ist eine blutige Form von Unversöhnlichkeit, dynamische Feindschaft. Erst die Römer des ersten Jahrhundert vor Christus, in dem von charismatischen Feldherren gelenkte Söldnerheere aufeinander trafen, entwickelten das Konzept des „bellum civile“, des veritablen Krieges innerhalb der Verfassungsordnung. Er entstand aus Parteistreitigkeiten, politischen Mordanschlägen, zog aber bald den ganzen Weltkreis des Imperiums ins Verderben, und er musste in einer Monarchie beruhigt werden. Rückfallgefahr bestand immer, bei jedem Thronwechsel.
Daran knüpfte die Frühe Neuzeit an, die mit länderübergreifenden konfessionellen Konflikten geschlagen war. Sie wurden das Modell fürs Phantasma des „Weltbürgerkriegs“ im 20. Jahrhundert, der ebenfalls quer durch die Staatenwelt gegangen sein soll. Nicht umsonst knüpften die Denker von Souveränität, Ausnahmezustand und Notstandsgesetzgebung, allen voran Carl Schmitt, so gern an die Staatstheoretiker des 17. Jahrhunderts an. Armitage erweitert das Bild durch die Dialektik von „Bürgerkrieg“ und „Revolution“ seit den Revolutionen des späten 18. Jahrhunderts. Die Vorgänge in Nordamerika entwickelten sich von einer Revolte über den Bürgerkrieg zur erfolgreichen, zukunftsträchtigen Revolution. Ob man die Konflikte in Frankreich seit 1789 als „bürgerlichen Krieg“ oder als „Revolution“ beschrieb, entschied über die Legitimität der gewaltsamen Neuerungen.
Diese gewaltigen Vorbilder sollten davor warnen, das B-Wort allzu freigiebig zu verwenden. Hans Magnus Enzensbergers in den neunziger Jahren entwickeltes Konzept vom „molekularen Bürgerkrieg“, der mit dem alltäglichen Vandalismus im Kleinen beginnt, erfreut sich gerade einer erstaunlichen Karriere bei Denkern der Rechten. Enzensbergers Beschreibungen sind suggestiv, leicht verführen sie daher zu Diagnosen vom „Staatsversagen“. Wer nicht einzelne Rechtsverstöße kritisiert, sondern gleich von der „Herrschaft des Unrechts“ redet, ruft eigentlich den Ausnahmezustand aus. Das erzeugt die hysterische Stimmung, in der jeder Mordfall zum Anlass für „Widerstand“ genommen werden kann, in der Trauer und berechtigte Empörung zu medienwirksamen Unruhen auswachsen. Der Bürgerkrieg ist nicht nur die ewige Drohung hinter der Ordnung, man kann ihn mit enthemmter Rede auch herbeifantasieren.
GUSTAV SEIBT
David Armitage: Bürgerkrieg. Vom Wesen innerstaatlicher Konflikte. Aus dem Englischen von Sebastian Vogel. Verlag Klett-Cotta, Stuttgart 2018. 319 Seiten, 25 Euro.
Wer allzu leichtfertig
vom „Staatsversagen“ spricht,
ruft den Ausnahmezustand herbei
DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 28.11.2018Der Krieg ohne äußeren Feind
Der britische Historiker David Armitage folgt dem sich wandelnden Verständnis von Bürgerkriegen und hat dabei auch die Gegenwart im Blick
Wer eine bewaffnete Auseinandersetzung als Bürgerkrieg bezeichnet, trifft damit eine doppelte Unterscheidung. Bürgerkriege sind Kriege, also etwas anderes als Rebellionen, Aufstände oder gewaltsame Generalstreiks. Gleichzeitig sind sie keine Staatenkriege. Bürgerkriege werden zwischen Parteien ausgefochten, die zu ein und demselben politischen Verband gerechnet werden, zwischen Mitbürgern also. Der Bürgerkrieg ist der Krieg ohne äußeren Feind. Nun weiß man seit den bahnbrechenden Arbeiten des Historikers Reinhart Koselleck, dass historische Begriffe unter anderem deswegen in ihrer Bedeutung instabil sind, weil sie sich auf einander ablösende Gegenbegriffe beziehen. Vom Begriff des Bürgerkrieges müsste das deswegen in doppeltem Maße gelten.
Dass es sich in der Tat so verhält, zeigt der in Harvard lehrende britische Historiker David Armitage in einem Buch, das nun in deutscher Übersetzung vorliegt. Es ist, wie Armitage offenlegt, auch ein Produkt besorgter Beobachtungen einer amerikanischen Innenpolitik, die sich seit den achtziger Jahren immer stärker in die Semantiken des Bürgerkrieges verwickelt hat. So erklärt Armitage mit viel Verve an mehreren Stellen des Buches seinen Lesern, dass politische Begriffe nicht bloß Wörter sind, sondern eine Frage, die "das echte Leben - oder den Tod betrifft". Das ist zwar keine ganz neue Erkenntnis, doch darum nicht falsch.
Weltgeschichtlich identifiziert Armitage vier Varianten, den Bürgerkrieg zu denken. Im Zentrum des arabischen Begriffs der fitna steht die Glaubensspaltung, anders als in der ostasiatischen Vorstellung von einem "inneren Krieg". Wiederum anders die Griechen, die sich Spaltungen innerhalb der polis (stasis) als moralischen Zusammenbruch der politischen Einheit vorstellten. Erst und allein in Rom entstand die ideenpolitisch entscheidende Verknüpfung von Gewalt (bellum) und Zugehörigkeit (civile) zum Bürgerkrieg. Für den römischen Historiker Appian wurden der Waffenbesitz und die Einführung des Kriegsrechts innerhalb der Stadt zu entscheidenden Kriterien dieser Form des Konflikts. So begann der Bürgerkrieg im strengen Sine mit Sullas Vorgehen gegen Marius und Sulpicius, indem "die Parteiführer einander wie im Krieg mit starken Heeren angriffen, und das Vaterland lag als Siegespreis zwischen ihnen". Die Mittel des Bürgerkrieges sind also spezifisch kriegerisch, das Ziel aber ist die umfassende Kontrolle über die politische Einheit. Ein solcher Konflikt kann nur innerhalb der Grenzen eines politischen Gemeinwesens stattfinden, und die Sprache des Bürgerkrieges ist notwendigerweise die Sprache der Legitimität.
Viermal hat sich nach Armitages Darstellung diese römische Idee des Bürgerkrieges fundamental verändert; die exemplarische Bedeutung der inneren Kämpfen der römischen Republik wurde dabei immer schwächer. Die konfessionellen Bürgerkriege der frühen Neuzeit wurden von Zeitgenossen, wie Armitage etwa bei Thomas Hobbes, John Locke und Hugo Grotius zeigt, noch stark im Spiegel Roms gedeutet. Dagegen traten Ende des achtzehnten Jahrhunderts Revolution und Bürgerkrieg begrifflich auseinander, weil die Partei des Fortschritts für ihren Sieg im Bürgerkrieg einen geschichtsphilosophisch ansprechenden Namen benötigte. Das Jahrhundert der juristischen Definitionen, das neunzehnte, hat dann, vor allem während der inneramerikanischen Kriege der 1860er Jahre, auch den Bürgerkrieg definiert und gewissen Regeln der Kriegsführung zu unterwerfen versucht, bevor in der zweiten Hälfte des zwanzigsten Jahrhunderts so etwas wie eine realistische Wende im Bürgerkriegsdenken einsetzte.
Das gemessen an seinem Thema ausgesprochen kurze Buch ist nicht leicht zu lesen. Das liegt unter anderem an der Übersetzung. Sie liest sich holprig, ist voller Anglizismen, schiefer Formulierungen und gerade in den juristischen Begrifflichkeiten voll evidenter Fehler: Dass beispielsweise der Bürgerkrieg "ein von seinem Wesen her umstrittenes Konzept ist, in dem es um die wesentlichen Elemente des Streits geht", lässt sich seinem Wesen nach nicht bestreiten, weil es keinen Sinn ergibt. Auch bezeichnet "international justice" nicht etwa eine internationale Justiz, "aggregation and analysis" sind als Aufgaben der Geschichtswissenschaft mit "Aufrechnung" kaum getroffen.
Doch auch der globalgeschichtliche Anspruch des Buches wirkt überfrachtet, gerade weil niemand die "globale Aktualität" des Themas bestreiten würde. Was trägt es zum Verständnis der heutigen Situation bei? Die Gewalträume der Gegenwart sind ja gerade durch eine bloß diffuse Territorialität gekennzeichnet, ihre Sprache der staatlich-politischen Legitimität ist eine ganz andere als die des Revolutionszeitalters. Auch die Unterscheidung zwischen Bürgerkriegen und Staatenkriegen ist seit langem brüchig geworden, weil innere Konflikte in einer globalisierten Welt zur Bühne äußerer Interessen werden. Umso rätselhafter, dass der Spanische Bürgerkrieg, der das den Zeitgenossen erstmals voll zu Bewusstsein brachte, bei Armitage überhaupt nicht, die Russische Revolution nur in Gestalt von zwei Lenin-Bonmots vorkommt.
Am Schluss seines Buches diskutiert Armitage die Frage, ob die Kategorie des Bürgerkrieges für den Ordnungszerfall im Irak und in Syrien adäquat ist. Dass er dabei ohne arabische Quellen auskommt und sich vorwiegend auf amerikanische Militärdokumente stützt, ist das eine. Wobei er etwa ein Feldhandbuch der amerikanischen Armee zur Bekämpfung von Aufständen von 2007 als "bahnbrechend" bezeichnet, ohne zu sagen, warum.
Das andere ist die in der Tat fundamentale Frage, ob die Entwicklung rechtlich handhabbarer, über unterschiedliche Konflikte und Regionen hinweg stabiler völkerrechtlicher Kriterien für den Tatbestand Bürgerkrieg und die Verknüpfung mit der Frage der Schutzverantwortung für die betroffenen Menschenrechte eine Forderung der Zivilisierung des Bürgerkrieges oder eine Ermächtigung imperialer Gewaltanwendung ist. Inwiefern trägt dazu der historische Stoff etwas bei? Die Antwort, dass er die einander überlagernden Bedeutungen zu unterscheiden hilft und damit "Verwirrung" vermeidet, ist zu allgemein, um überzeugend zu sein.
FLORIAN MEINEL
David Armitage:
"Bürgerkrieg". Vom Wesen innerstaatlicher Konflikte.
Aus dem Englischen von Sebastian Vogel. Klett-Cotta Verlag, Stuttgart 2018. 391 S., geb., 25,- [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Der britische Historiker David Armitage folgt dem sich wandelnden Verständnis von Bürgerkriegen und hat dabei auch die Gegenwart im Blick
Wer eine bewaffnete Auseinandersetzung als Bürgerkrieg bezeichnet, trifft damit eine doppelte Unterscheidung. Bürgerkriege sind Kriege, also etwas anderes als Rebellionen, Aufstände oder gewaltsame Generalstreiks. Gleichzeitig sind sie keine Staatenkriege. Bürgerkriege werden zwischen Parteien ausgefochten, die zu ein und demselben politischen Verband gerechnet werden, zwischen Mitbürgern also. Der Bürgerkrieg ist der Krieg ohne äußeren Feind. Nun weiß man seit den bahnbrechenden Arbeiten des Historikers Reinhart Koselleck, dass historische Begriffe unter anderem deswegen in ihrer Bedeutung instabil sind, weil sie sich auf einander ablösende Gegenbegriffe beziehen. Vom Begriff des Bürgerkrieges müsste das deswegen in doppeltem Maße gelten.
Dass es sich in der Tat so verhält, zeigt der in Harvard lehrende britische Historiker David Armitage in einem Buch, das nun in deutscher Übersetzung vorliegt. Es ist, wie Armitage offenlegt, auch ein Produkt besorgter Beobachtungen einer amerikanischen Innenpolitik, die sich seit den achtziger Jahren immer stärker in die Semantiken des Bürgerkrieges verwickelt hat. So erklärt Armitage mit viel Verve an mehreren Stellen des Buches seinen Lesern, dass politische Begriffe nicht bloß Wörter sind, sondern eine Frage, die "das echte Leben - oder den Tod betrifft". Das ist zwar keine ganz neue Erkenntnis, doch darum nicht falsch.
Weltgeschichtlich identifiziert Armitage vier Varianten, den Bürgerkrieg zu denken. Im Zentrum des arabischen Begriffs der fitna steht die Glaubensspaltung, anders als in der ostasiatischen Vorstellung von einem "inneren Krieg". Wiederum anders die Griechen, die sich Spaltungen innerhalb der polis (stasis) als moralischen Zusammenbruch der politischen Einheit vorstellten. Erst und allein in Rom entstand die ideenpolitisch entscheidende Verknüpfung von Gewalt (bellum) und Zugehörigkeit (civile) zum Bürgerkrieg. Für den römischen Historiker Appian wurden der Waffenbesitz und die Einführung des Kriegsrechts innerhalb der Stadt zu entscheidenden Kriterien dieser Form des Konflikts. So begann der Bürgerkrieg im strengen Sine mit Sullas Vorgehen gegen Marius und Sulpicius, indem "die Parteiführer einander wie im Krieg mit starken Heeren angriffen, und das Vaterland lag als Siegespreis zwischen ihnen". Die Mittel des Bürgerkrieges sind also spezifisch kriegerisch, das Ziel aber ist die umfassende Kontrolle über die politische Einheit. Ein solcher Konflikt kann nur innerhalb der Grenzen eines politischen Gemeinwesens stattfinden, und die Sprache des Bürgerkrieges ist notwendigerweise die Sprache der Legitimität.
Viermal hat sich nach Armitages Darstellung diese römische Idee des Bürgerkrieges fundamental verändert; die exemplarische Bedeutung der inneren Kämpfen der römischen Republik wurde dabei immer schwächer. Die konfessionellen Bürgerkriege der frühen Neuzeit wurden von Zeitgenossen, wie Armitage etwa bei Thomas Hobbes, John Locke und Hugo Grotius zeigt, noch stark im Spiegel Roms gedeutet. Dagegen traten Ende des achtzehnten Jahrhunderts Revolution und Bürgerkrieg begrifflich auseinander, weil die Partei des Fortschritts für ihren Sieg im Bürgerkrieg einen geschichtsphilosophisch ansprechenden Namen benötigte. Das Jahrhundert der juristischen Definitionen, das neunzehnte, hat dann, vor allem während der inneramerikanischen Kriege der 1860er Jahre, auch den Bürgerkrieg definiert und gewissen Regeln der Kriegsführung zu unterwerfen versucht, bevor in der zweiten Hälfte des zwanzigsten Jahrhunderts so etwas wie eine realistische Wende im Bürgerkriegsdenken einsetzte.
Das gemessen an seinem Thema ausgesprochen kurze Buch ist nicht leicht zu lesen. Das liegt unter anderem an der Übersetzung. Sie liest sich holprig, ist voller Anglizismen, schiefer Formulierungen und gerade in den juristischen Begrifflichkeiten voll evidenter Fehler: Dass beispielsweise der Bürgerkrieg "ein von seinem Wesen her umstrittenes Konzept ist, in dem es um die wesentlichen Elemente des Streits geht", lässt sich seinem Wesen nach nicht bestreiten, weil es keinen Sinn ergibt. Auch bezeichnet "international justice" nicht etwa eine internationale Justiz, "aggregation and analysis" sind als Aufgaben der Geschichtswissenschaft mit "Aufrechnung" kaum getroffen.
Doch auch der globalgeschichtliche Anspruch des Buches wirkt überfrachtet, gerade weil niemand die "globale Aktualität" des Themas bestreiten würde. Was trägt es zum Verständnis der heutigen Situation bei? Die Gewalträume der Gegenwart sind ja gerade durch eine bloß diffuse Territorialität gekennzeichnet, ihre Sprache der staatlich-politischen Legitimität ist eine ganz andere als die des Revolutionszeitalters. Auch die Unterscheidung zwischen Bürgerkriegen und Staatenkriegen ist seit langem brüchig geworden, weil innere Konflikte in einer globalisierten Welt zur Bühne äußerer Interessen werden. Umso rätselhafter, dass der Spanische Bürgerkrieg, der das den Zeitgenossen erstmals voll zu Bewusstsein brachte, bei Armitage überhaupt nicht, die Russische Revolution nur in Gestalt von zwei Lenin-Bonmots vorkommt.
Am Schluss seines Buches diskutiert Armitage die Frage, ob die Kategorie des Bürgerkrieges für den Ordnungszerfall im Irak und in Syrien adäquat ist. Dass er dabei ohne arabische Quellen auskommt und sich vorwiegend auf amerikanische Militärdokumente stützt, ist das eine. Wobei er etwa ein Feldhandbuch der amerikanischen Armee zur Bekämpfung von Aufständen von 2007 als "bahnbrechend" bezeichnet, ohne zu sagen, warum.
Das andere ist die in der Tat fundamentale Frage, ob die Entwicklung rechtlich handhabbarer, über unterschiedliche Konflikte und Regionen hinweg stabiler völkerrechtlicher Kriterien für den Tatbestand Bürgerkrieg und die Verknüpfung mit der Frage der Schutzverantwortung für die betroffenen Menschenrechte eine Forderung der Zivilisierung des Bürgerkrieges oder eine Ermächtigung imperialer Gewaltanwendung ist. Inwiefern trägt dazu der historische Stoff etwas bei? Die Antwort, dass er die einander überlagernden Bedeutungen zu unterscheiden hilft und damit "Verwirrung" vermeidet, ist zu allgemein, um überzeugend zu sein.
FLORIAN MEINEL
David Armitage:
"Bürgerkrieg". Vom Wesen innerstaatlicher Konflikte.
Aus dem Englischen von Sebastian Vogel. Klett-Cotta Verlag, Stuttgart 2018. 391 S., geb., 25,- [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
»Für alle Interessierten, die das Phänomen Bürgerkrieg besser verstehen möchten« Martin Schneider, Spektrum der Wissenschaft, 16.12.2018 »Armitage spannt den Bogen vom alten Rom, wo das Konzept des Bürgerkriegs - bellum civile - seinen Anfang nahm, bis in die ambivalenten Bürgerkriege der Gegenwart - in der Ukraine oder in Syrien. Der Autor tut das mit sprachlicher Kraft uns stilistischer Eleganz - und trotz des deprimierenden Themas ist das Buch über weite Strecken eine erhellende und auch kurzweilige Lektüre.« Katja Ridderbusch, Deutschlandfunk, 12.11.2018 »Das Buch des britischen Historikers David Armitage über den Bürgerkrieg seit der Antike kommt zur rechten Zeit. [...] Die knappe, gut argumentierte Ideen- und Begriffsgeschichte zum Bürgerkrieg, die der britische Historiker [...] vorgestellt hat, findet nun ihren Weg nach Deutschland« Gustav Seibt, Süddeutsche Zeitung, 17.09.2018 »Sein neues Buch ist eine ideengeschichtliche Auseinandersetzung mit dem Bürgerkrieg, eine "intellektuelle Genealogie", die von der griechisch-römischen Antike bis in die Gegenwart führt.« Romain Leick, Literatur Spiegel, Oktober 2018