München war um die Jahrhundertwende, in der sogenannten Prinzregentenzeit, ein Zentrum süddeutscher Geistigkeit, eines reichen Kunst- und Kulturlebens. Die Geschichte der Stadt nach Ausbruch des Ersten Weltkriegs 1914 spiegelt das allgemeine Krisenszenario der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts in besonderer Weise wider. In Bayern wurde als erstem Land des Reiches die Republik ausgerufen. München war anschließend Schauplatz des bekanntesten Versuchs, ein kommunistisches Rätesystem in Deutschland zu verwirklichen, aber mit dem Hitlerputsch auch Ausgangspunkt des Nationalsozialismus. Das vorliegende Buch untersucht rund 100 Autobiographien Münchner Bürger, darunter Politiker, Wissenschaftler, Intellektuelle und Künstler, die Handlungsträger und Repräsentanten des öffentlichen Lebens waren. Herausgearbeitet wird die in den Selbstzeugnissen enthaltene Darstellung und Deutung der deutschen und bayerischen Geschichte vom Kaiserreich über den Ersten Weltkrieg bis zum Ende der Weimarer Republik. Die Autobiographien vermitteln die Weltbilder und politischen Präferenzen bürgerlicher Eliten in den Umbrüchen ihrer Zeit.
Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension
Wer schon mal anfangen möchte, sich auf das Revolutions-Gedenkjahr 2018 vorzubereiten, findet in Nikola Beckers "Bürgerliche Lebenswelt und Politik in München", das aus ihrer historischen Dissertation hervorgegangen ist, eine wunderbare erste Anlaufstelle, freut sich Rudolf Neumaier, denn für ihr Buch hat die Autorin siebenundneunzig Selbstzeugnisse aus der Zeit des Fin de Siècles, des Ersten Weltkriegs und der Weimarer Republik ausgewertet, erklärt der Rezensent, und schließlich gebe es kaum authentischere Beschreibungen der damaligen Ansichten über die politisch-gesellschaftliche Lage als Berichte von Zeitgenossen, so Neumaier. Darüber hinaus ruft Becker auch einige spannende Autoren aus den hinteren Reihen in Erinnerung, die die Neugier des Rezensenten geweckt haben.
© Perlentaucher Medien GmbH
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