Erstmal ein Hinweis: "Bullenpeitsche" ist nicht das erste Buch mit Staatsanwältin Chas Riley, aber man kann es trotzdem problemlos lesen, wenn man die vorhergehenden Bücher nicht gelesen hat - das habe ich nämlich auch nicht. (Werde es aber schnellstmöglich nachholen!)
Das Cover ist sehr schlicht
und unspektakulär - und damit passt es ganz gut zu diesem eher ruhigen Krimi mit Lokalkolorit und…mehrErstmal ein Hinweis: "Bullenpeitsche" ist nicht das erste Buch mit Staatsanwältin Chas Riley, aber man kann es trotzdem problemlos lesen, wenn man die vorhergehenden Bücher nicht gelesen hat - das habe ich nämlich auch nicht. (Werde es aber schnellstmöglich nachholen!)
Das Cover ist sehr schlicht und unspektakulär - und damit passt es ganz gut zu diesem eher ruhigen Krimi mit Lokalkolorit und oft kargem Schreibstil. Das klingt jetzt erstmal so, als hätte ich das Buch nicht gemocht, oder zumindest den Schreibstil nicht, aber tatsächlich ist es für mich einer der besten Krimis, die ich in den letzten Jahren gelesen habe!
Das liegt vor Allem an Chastity "Chas" Riley, die sehr schwierig sein kann, aber auch sehr verletzlich. Aus ihrer Sicht und mit ihrer Stimme bekommen wir die Geschichte erzählt, und das finde ich fantastisch, denn sie hat oft einen wunderbaren feinen Humor und eine ganz eigene Poesie. Und sie ist so vielschichtig wie Blätterteig.
Auch ihre Kollegen und Freunde sind großartige Charaktere, die alle ihre Schwächen und Fehler haben, dabei aber rundum echt und meist auch sympathisch wirken. "Eine merkwürdige kleine Familie sind wir", sagt Chas einmal. "Wie uns das Leben auf Sankt Pauli eben zusammengewürfelt hat." Oft kommt da ein Gefühl von "Wir gegen den Rest der Welt!" auf, eine fast schon rührende Kameradschaft.
Es gibt viele Lokalkrimis, fast jede Buchhandlung hat dafür ein Extra-Regal. Ehrlich gesagt war das bisher nicht mein Lieblingsgenre, aber "Bullenpeitsche" hat mich umgehauen mit seiner Mischung aus Krimi, Korruption, menschlichen Problemen und klarsichtigen Beobachtungen des Lebens. Das kann nirgendwo anders spielen als in Sankt Pauli. Und der Schreibstil... Der Schreibstil war für mich eine Offenbarung. Manchmal klang Simone Buchholz, meiner Meinung nach, wie eine literarische Schwester von Antonia Michaelis. Zwar sind viele Passagen knapp und wortkarg, dafür gibt es aber auch Metaphern und Bilder, die ich mir direkt mehrmals durchgelesen habe, um sie eine Weile auf der Zunge zergehen zu lassen. Oft fand ich den Schreibstil richtig mutig, denn die Autorin scheut auch nicht das Ungewöhnliche.
Das Buch ist kein Thriller. Es ist noch nicht einmal ein sehr temporeicher Krimi. Die Dinge entfalten sich eher langsam im Morast der Korruption, aber ich fand es dennoch spannend - wobei die Spannung für mich eher in der menschlichen Seite lag als in der kriminologischen. Wobei ich nicht sagen will, dass es keine echte Krimihandlung gibt, denn die gibt es: zwei Polizisten wurden ermordet, und bei den Ermittlungen stellt sich heraus, dass jemand aus den eigenen Reihen Dreck am Stecken hat... Außerdem bekommen es Chas und ihr Team mit dem Albaner zu tun, einem Erzfeind, der für sie das ist, was Moriarty für Sherlock Holmes ist - übermächtig, dreist, bösartig, und dennoch fast unmöglich zu fassen. Der ist ganz klar schon in früheren Büchern vorgekommen, deswegen fehlt mir da ein wenig die Hintergrundgeschichte - aber wie gesagt, man kann das Buch gut ohne Vorkenntnisse lesen.
Gibt es eine Liebesgeschichte? So kompliziert, wie Chas Riley selber ist, so kompliziert ist auch die Antwort. Einfacher ist die Frage: gibt es Herzschmerz und Kitsch? Nö, nicht wirklich. Sie selber kann ihre Gefühle nicht einordnen, und das Leben macht es ihr nicht einfacher. Aber das liest sich überraschend gut.
"Bullenpeitsche" ist alles, nur kein 08/15-Krimi. Ob man das mag... Ich denke, das ist einfach Geschmacksache. Ich habe es so sehr geliebt, dass ich direkt alle anderen Bücher der Autorin auf meinen Wunschzettel gesetzt habe, ich würde also sagen: es lohnt sich auf jeden Fall, rauszufinden, ob das Buch etwas für einen ist. Trotz klitzekleiner Mankos hat der Schreibstil für mich alles wieder rausgerissen, und so kam das Buch doch auf 5 Sterne.