Im Jahr 1930 prophezeite der britische Ökonom John Maynard Keynes, dass durch den technischen Fortschritt heute niemand mehr als 15 Stunden pro Woche arbeiten müsse. Die Gegenwart sieht anders aus: Immer mehr überflüssige Jobs entstehen, Freizeit und Kreativität haben keinen Raum - und das, obwohl die Wirtschaft immer produktiver wird. Wie konnte es dazu kommen?
Stimmen zum Buch
»Eine Einladung zum Umdenken.«
Business Bestseller
»Drastische Ideen, spannend zu lesen!«
P. M.
»Nach der Lektüre ist man regelrecht berauscht von den originellen wie provokanten Gedanken«
Tobias Wenzel, Deutschlandfunk Kultur
»Das Allerschönste an David Graebers Buch ist, dass einem da einer aus dem Herzen spricht.«
Bettina Weber, Sonntagszeitung
Stimmen zum Buch
»Eine Einladung zum Umdenken.«
Business Bestseller
»Drastische Ideen, spannend zu lesen!«
P. M.
»Nach der Lektüre ist man regelrecht berauscht von den originellen wie provokanten Gedanken«
Tobias Wenzel, Deutschlandfunk Kultur
»Das Allerschönste an David Graebers Buch ist, dass einem da einer aus dem Herzen spricht.«
Bettina Weber, Sonntagszeitung
»Das Allerschönste an David Graebers Buch [...] ist, dass einem da einer aus dem Herzen spricht.« Bettina Weber, Sonntagszeitung, 10.06.2018 Bettina Weber Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung 20180610
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 14.09.2018Sinn ist halt eine knappe Ressource
Pseudoarbeit wohin er blickt: David Graeber glaubt zu wissen, was wirklich nützliche lohnabhängige Beschäftigungen sind.
David Graeber, das ist doch der von "Schulden". Untertitel "Die ersten 5000 Jahre". Witzig. Und ein wenig anmaßend. Aber gutes Buch. Gedacht, getan - Rezensionsangebot für das neue Buch angenommen. So ähnlich wird es wohl auch manchen im Buchladen gehen. "Vom Autor des Bestsellers Schulden" steht groß auf dem Cover, gleich oben unter dem Autorennamen. Ach der. Und jetzt also "Bullshit Jobs" - was er damit wohl meint? Gefragt, gekauft. Vielleicht eine Fehlentscheidung.
Der Rezensent jedenfalls hat etwa fünfzig Seiten gebraucht, um sich davon zu überzeugen, dass er einen Bullshit-Job hat. Was das heißt? Nun, er wird dafür bezahlt, ein Buch zu lesen, das die Welt nicht braucht, um anderen Menschen, die sicher Besseres zu tun hätten, davon zu berichten, dass er soeben ein Buch gelesen hat, das die Welt nicht braucht. Was da für Mengen an sinnlos vergeudeter Arbeitskraft zusammenkommen: ja nicht nur bei den Lesenden und Berichtenden. Sondern selbstverständlich und zuallererst auch beim Schreibenden selbst, sodann bei Lektorierenden, Gestaltenden, Druckenden, Vermarktenden, Vertreibenden, Verkaufenden. Bis hin zur finalen Arbeit an der Altpapier-"Verwertung". Ein Feuerwerk der Überflüssigkeit.
Und ein Fegefeuer der Eitelkeiten. Was aber das Buch selbst angeht: David Graeber hält unverkennbar ganz große Stücke auf sein Werk - und dieses für alles andere als überflüssig. Genau diese subjektive Selbsteinschätzung der Bedeutung (oder eben Bedeutungslosigkeit) des eigenen Tuns und Lassens aber ist nach Graeber das entscheidende Kriterium auch für den objektiven Urteilsspruch über die Qualität einer Beschäftigung: Daumen hoch oder runter, gesellschaftlich sinnvolle Tätigkeit oder vollkommen überflüssiger "Bullshit Job".
Was diese objektivierende Beurteilung angeht, hält sich Graeber seine besondere Qualifikation als Anthropologe zugute: Für seinesgleichen sei es "eigentlich kein Problem", die "unausgesprochene Theorie herauszukitzeln", die hinter dem praktischen Alltagshandeln der Leute und also auch hinter ihrer konkreten Arbeitspraxis stecke. Mit diesem Selbstbewusstsein ausgestattet, betreibt er eine empirische Forschung, die dem Soziologen wiederum den Atem stocken lässt.
Im Kern stützt sich sein Buch nämlich auf einige hundert E-Mail-Zuschriften, die ihn als Reaktion auf eine Erstveröffentlichung zum Thema erreichten, sowie auf Antworten seiner Twitter-Follower auf einen Aufruf zu persönlichen Erfahrungsberichten in Sachen "Bullshit Jobs". Aus diesen Quellen kitzelt er die - häufig freilich von den Betroffenen selbst schon ausgesprochene - Theorie eines falschen Lebens in der real existierenden Arbeitsgesellschaft heraus. Und nicht zuletzt auch aus seiner ganz ungefilterten Privatempirie: Immer wieder kann er "aus persönlicher Erfahrung" berichten, die er vor allem seinem universitären Arbeitsumfeld entnimmt. Nach der Methode des "Ich glaube, ich kenne niemanden, der nicht..." werden weitreichende qualitative Befunde generiert, die der Autor dann gerne nach Pi-mal-Daumen-Regel hochrechnet, so dass am Ende herauskommt, dass gut und gerne die Hälfte aller Beschäftigungsverhältnisse Schwachsinns-Jobs sind. Oder womöglich auch noch deutlich mehr. Man muss sich ja nur mal in seiner eigenen Umgebung umschauen.
Apropos "Schwachsinns-Jobs": Der Verlag geht offensichtlich davon aus, dass der Wortsinn von "Bullshit" allen Deutschsprachigen geläufig ist. Mit dem Begriff sind aber gerade nicht - wie man vielleicht denken könnte - die schlecht bezahlten und den Körper zerstörenden "Scheißjobs" (so die Übersetzung im Buch) gemeint, die vermutlich die andere Hälfte der gesellschaftlich verrichteten Tätigkeiten ausmachen. Im Fokus stehen vielmehr häufig ganz gut und bisweilen sogar überreich entlohnte, doch völlig bedeutungslose Beschäftigungen. Es geht Graeber um den in das System der lohnabhängigen Beschäftigung eingebauten Zwang zur "Pseudoarbeit", um eine immer weiter um sich greifende Ökonomie des Als-ob, in der Arbeit nur mehr simuliert würde und sich die Simulanten aller Länder der Falschheit ihres Tuns im Grunde genommen bewusst seien.
Damit verweist er auf zentrale Widersprüche der Konstitution und Reproduktion herrschender gesellschaftlicher Verhältnisse, über die in der Tat gesprochen werden müsste. Doch die durchgängig zur Schau getragene methodische, begriffliche und sprachliche Lässigkeit seiner Erzählung schadet dem analytischen und politischen Anliegen des Buches leider erheblich. Dabei ist es ja in der Tat so, dass an der - allzu häufig falschen - Arbeit in dieser Gesellschaft alles hängt, und dass zur Arbeit, und sei sie auch von noch so selbstverleugnend selbstzweckhafter Natur, alle drängen. Oder gedrängt werden.
Graeber ist keineswegs der Erste, der auf das Verquere einer Gesellschaftsordnung verweist, die aller technologischen Rationalisierungspotentiale zum Trotz an einer politischen Kultur der "Vollbeschäftigung" festhält. Doch eine Kritik der kapitalistischen "Arbeitsmaschine" ist unter Bedingungen der von ihr heraufbeschworenen Klimakatastrophe vermutlich mehr denn je angezeigt.
Und dasselbe gilt, womöglich sogar noch mehr, für das eifrige Kratzen an dem hartnäckig sich haltenden und systemisch reproduzierten Mythos von der "Effizienz" kapitalistischen Wirtschaftens. In der Tat beginnt dieser zu bröckeln, wenn Graeber - keineswegs frei von Ressentiments - sich über die unzählige Bürotätigkeiten hermacht, über das wachsende Heer von Verwaltern, Beratern, Controllern und als "Informationsarbeiter" firmierenden Leuten, über die Hypertrophie des "mittleren Managements" und den neofeudalen Managerkapitalismus. Was den Verteidigern des Systems als notwendige Arbeit an der Bewältigung von beständig zunehmender Komplexität gilt, erscheint Graeber als eine sich selbst stabilisierende Konstruktion von Arbeitszwängen, die vom Gebrauchswert des Produzierten weitestgehend absieht.
So weit, so gut. Doch das analytisch Treffende und Relevante des Werkes geht letzten Endes in einem überquellenden Bewusstseinsstrom unter, der dem ureigenen Graeberschen Erfahrungshaushalt entspringt - und in dem nach dem Motto "Ich weiß noch, wie ich von einer Umfrage las..." das Ungefähre zum Bestimmten gerinnt, die Vermutung als Gewissheit auftritt.
An irgendeiner Stelle seiner anekdotischen Evidenzsammlung erinnert sich Graeber an "eine Freundin, die früher eine längere Affäre mit einem verheirateten Mann hatte" - und deren unbeantwortete Frage nach dem Gefühlsleben unerwidert Geliebter seiner eigenen nach dem Umgang der Menschen mit unerwiderter Sinnsuche in der Arbeit erstaunlich ähnlich sei. "Sie denkt daran", so endet der gedankliche Ausflug des Autors, "ein Buch zu schreiben, um diese Lücke zu füllen. Ich hoffe, sie wird es tun." Ein weiteres Buch? Braucht es das wirklich? Man ist geneigt zu hoffen, dass die Freundin doch noch eine andere, sinnvolle Beschäftigung gefunden hat.
STEPHAN LESSENICH
David Graeber: "Bullshit Jobs". Vom wahren Sinn der Arbeit.
Aus dem Englischen von Sebastian Vogel. Klett-Cotta Verlag, Stuttgart 2018. 464 S., geb., 26,- [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Pseudoarbeit wohin er blickt: David Graeber glaubt zu wissen, was wirklich nützliche lohnabhängige Beschäftigungen sind.
David Graeber, das ist doch der von "Schulden". Untertitel "Die ersten 5000 Jahre". Witzig. Und ein wenig anmaßend. Aber gutes Buch. Gedacht, getan - Rezensionsangebot für das neue Buch angenommen. So ähnlich wird es wohl auch manchen im Buchladen gehen. "Vom Autor des Bestsellers Schulden" steht groß auf dem Cover, gleich oben unter dem Autorennamen. Ach der. Und jetzt also "Bullshit Jobs" - was er damit wohl meint? Gefragt, gekauft. Vielleicht eine Fehlentscheidung.
Der Rezensent jedenfalls hat etwa fünfzig Seiten gebraucht, um sich davon zu überzeugen, dass er einen Bullshit-Job hat. Was das heißt? Nun, er wird dafür bezahlt, ein Buch zu lesen, das die Welt nicht braucht, um anderen Menschen, die sicher Besseres zu tun hätten, davon zu berichten, dass er soeben ein Buch gelesen hat, das die Welt nicht braucht. Was da für Mengen an sinnlos vergeudeter Arbeitskraft zusammenkommen: ja nicht nur bei den Lesenden und Berichtenden. Sondern selbstverständlich und zuallererst auch beim Schreibenden selbst, sodann bei Lektorierenden, Gestaltenden, Druckenden, Vermarktenden, Vertreibenden, Verkaufenden. Bis hin zur finalen Arbeit an der Altpapier-"Verwertung". Ein Feuerwerk der Überflüssigkeit.
Und ein Fegefeuer der Eitelkeiten. Was aber das Buch selbst angeht: David Graeber hält unverkennbar ganz große Stücke auf sein Werk - und dieses für alles andere als überflüssig. Genau diese subjektive Selbsteinschätzung der Bedeutung (oder eben Bedeutungslosigkeit) des eigenen Tuns und Lassens aber ist nach Graeber das entscheidende Kriterium auch für den objektiven Urteilsspruch über die Qualität einer Beschäftigung: Daumen hoch oder runter, gesellschaftlich sinnvolle Tätigkeit oder vollkommen überflüssiger "Bullshit Job".
Was diese objektivierende Beurteilung angeht, hält sich Graeber seine besondere Qualifikation als Anthropologe zugute: Für seinesgleichen sei es "eigentlich kein Problem", die "unausgesprochene Theorie herauszukitzeln", die hinter dem praktischen Alltagshandeln der Leute und also auch hinter ihrer konkreten Arbeitspraxis stecke. Mit diesem Selbstbewusstsein ausgestattet, betreibt er eine empirische Forschung, die dem Soziologen wiederum den Atem stocken lässt.
Im Kern stützt sich sein Buch nämlich auf einige hundert E-Mail-Zuschriften, die ihn als Reaktion auf eine Erstveröffentlichung zum Thema erreichten, sowie auf Antworten seiner Twitter-Follower auf einen Aufruf zu persönlichen Erfahrungsberichten in Sachen "Bullshit Jobs". Aus diesen Quellen kitzelt er die - häufig freilich von den Betroffenen selbst schon ausgesprochene - Theorie eines falschen Lebens in der real existierenden Arbeitsgesellschaft heraus. Und nicht zuletzt auch aus seiner ganz ungefilterten Privatempirie: Immer wieder kann er "aus persönlicher Erfahrung" berichten, die er vor allem seinem universitären Arbeitsumfeld entnimmt. Nach der Methode des "Ich glaube, ich kenne niemanden, der nicht..." werden weitreichende qualitative Befunde generiert, die der Autor dann gerne nach Pi-mal-Daumen-Regel hochrechnet, so dass am Ende herauskommt, dass gut und gerne die Hälfte aller Beschäftigungsverhältnisse Schwachsinns-Jobs sind. Oder womöglich auch noch deutlich mehr. Man muss sich ja nur mal in seiner eigenen Umgebung umschauen.
Apropos "Schwachsinns-Jobs": Der Verlag geht offensichtlich davon aus, dass der Wortsinn von "Bullshit" allen Deutschsprachigen geläufig ist. Mit dem Begriff sind aber gerade nicht - wie man vielleicht denken könnte - die schlecht bezahlten und den Körper zerstörenden "Scheißjobs" (so die Übersetzung im Buch) gemeint, die vermutlich die andere Hälfte der gesellschaftlich verrichteten Tätigkeiten ausmachen. Im Fokus stehen vielmehr häufig ganz gut und bisweilen sogar überreich entlohnte, doch völlig bedeutungslose Beschäftigungen. Es geht Graeber um den in das System der lohnabhängigen Beschäftigung eingebauten Zwang zur "Pseudoarbeit", um eine immer weiter um sich greifende Ökonomie des Als-ob, in der Arbeit nur mehr simuliert würde und sich die Simulanten aller Länder der Falschheit ihres Tuns im Grunde genommen bewusst seien.
Damit verweist er auf zentrale Widersprüche der Konstitution und Reproduktion herrschender gesellschaftlicher Verhältnisse, über die in der Tat gesprochen werden müsste. Doch die durchgängig zur Schau getragene methodische, begriffliche und sprachliche Lässigkeit seiner Erzählung schadet dem analytischen und politischen Anliegen des Buches leider erheblich. Dabei ist es ja in der Tat so, dass an der - allzu häufig falschen - Arbeit in dieser Gesellschaft alles hängt, und dass zur Arbeit, und sei sie auch von noch so selbstverleugnend selbstzweckhafter Natur, alle drängen. Oder gedrängt werden.
Graeber ist keineswegs der Erste, der auf das Verquere einer Gesellschaftsordnung verweist, die aller technologischen Rationalisierungspotentiale zum Trotz an einer politischen Kultur der "Vollbeschäftigung" festhält. Doch eine Kritik der kapitalistischen "Arbeitsmaschine" ist unter Bedingungen der von ihr heraufbeschworenen Klimakatastrophe vermutlich mehr denn je angezeigt.
Und dasselbe gilt, womöglich sogar noch mehr, für das eifrige Kratzen an dem hartnäckig sich haltenden und systemisch reproduzierten Mythos von der "Effizienz" kapitalistischen Wirtschaftens. In der Tat beginnt dieser zu bröckeln, wenn Graeber - keineswegs frei von Ressentiments - sich über die unzählige Bürotätigkeiten hermacht, über das wachsende Heer von Verwaltern, Beratern, Controllern und als "Informationsarbeiter" firmierenden Leuten, über die Hypertrophie des "mittleren Managements" und den neofeudalen Managerkapitalismus. Was den Verteidigern des Systems als notwendige Arbeit an der Bewältigung von beständig zunehmender Komplexität gilt, erscheint Graeber als eine sich selbst stabilisierende Konstruktion von Arbeitszwängen, die vom Gebrauchswert des Produzierten weitestgehend absieht.
So weit, so gut. Doch das analytisch Treffende und Relevante des Werkes geht letzten Endes in einem überquellenden Bewusstseinsstrom unter, der dem ureigenen Graeberschen Erfahrungshaushalt entspringt - und in dem nach dem Motto "Ich weiß noch, wie ich von einer Umfrage las..." das Ungefähre zum Bestimmten gerinnt, die Vermutung als Gewissheit auftritt.
An irgendeiner Stelle seiner anekdotischen Evidenzsammlung erinnert sich Graeber an "eine Freundin, die früher eine längere Affäre mit einem verheirateten Mann hatte" - und deren unbeantwortete Frage nach dem Gefühlsleben unerwidert Geliebter seiner eigenen nach dem Umgang der Menschen mit unerwiderter Sinnsuche in der Arbeit erstaunlich ähnlich sei. "Sie denkt daran", so endet der gedankliche Ausflug des Autors, "ein Buch zu schreiben, um diese Lücke zu füllen. Ich hoffe, sie wird es tun." Ein weiteres Buch? Braucht es das wirklich? Man ist geneigt zu hoffen, dass die Freundin doch noch eine andere, sinnvolle Beschäftigung gefunden hat.
STEPHAN LESSENICH
David Graeber: "Bullshit Jobs". Vom wahren Sinn der Arbeit.
Aus dem Englischen von Sebastian Vogel. Klett-Cotta Verlag, Stuttgart 2018. 464 S., geb., 26,- [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
»[...] nach dessen Lektüre man regelrecht berauscht von den originellen wie provokanten Gedanken ist [...]« Tobias Wenzel, Deutschlandfunk Kultur, 13.09.2018