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Im Jahr 1930 prophezeite der britische Ökonom John Maynard Keynes, dass durch den technischen Fortschritt heute niemand mehr als 15 Stunden pro Woche arbeiten müsse. Die Gegenwart sieht anders aus: Immer mehr überflüssige Jobs entstehen, Freizeit und Kreativität haben keinen Raum - und das, obwohl die Wirtschaft immer produktiver wird. Wie konnte es dazu kommen?
Stimmen zum Buch
»Eine Einladung zum Umdenken.« Business Bestseller
»Drastische Ideen, spannend zu lesen!« P. M.
»Nach der Lektüre ist man regelrecht berauscht von den originellen wie provokanten Gedanken« Tobias Wenzel,
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Produktbeschreibung
Im Jahr 1930 prophezeite der britische Ökonom John Maynard Keynes, dass durch den technischen Fortschritt heute niemand mehr als 15 Stunden pro Woche arbeiten müsse. Die Gegenwart sieht anders aus: Immer mehr überflüssige Jobs entstehen, Freizeit und Kreativität haben keinen Raum - und das, obwohl die Wirtschaft immer produktiver wird. Wie konnte es dazu kommen?

Stimmen zum Buch

»Eine Einladung zum Umdenken.«
Business Bestseller

»Drastische Ideen, spannend zu lesen!«
P. M.

»Nach der Lektüre ist man regelrecht berauscht von den originellen wie provokanten Gedanken«
Tobias Wenzel, Deutschlandfunk Kultur

»Das Allerschönste an David Graebers Buch ist, dass einem da einer aus dem Herzen spricht.«
Bettina Weber, Sonntagszeitung

Autorenporträt
David Graeber (1961-2020) war Professor für Anthropologie an der London School of Economics und Autor der Weltbestseller 'Schulden', 'Bullshit Jobs' und 'Bürokratie' und Vordenker von 'Occupy Wall Street'. Völlig überraschend starb David Graeber am 2. September 2020 in Venedig. Sein letztes großes Werk 'Anfänge. Eine neue Geschichte der Menschheit' erschien postum im Frühjahr 2022 bei Klett-Cotta.
Rezensionen
»Das Allerschönste an David Graebers Buch [...] ist, dass einem da einer aus dem Herzen spricht.« Bettina Weber, Sonntagszeitung, 10.06.2018 Bettina Weber Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung 20180610

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 14.09.2018

Sinn ist halt eine knappe Ressource

Pseudoarbeit wohin er blickt: David Graeber glaubt zu wissen, was wirklich nützliche lohnabhängige Beschäftigungen sind.

David Graeber, das ist doch der von "Schulden". Untertitel "Die ersten 5000 Jahre". Witzig. Und ein wenig anmaßend. Aber gutes Buch. Gedacht, getan - Rezensionsangebot für das neue Buch angenommen. So ähnlich wird es wohl auch manchen im Buchladen gehen. "Vom Autor des Bestsellers Schulden" steht groß auf dem Cover, gleich oben unter dem Autorennamen. Ach der. Und jetzt also "Bullshit Jobs" - was er damit wohl meint? Gefragt, gekauft. Vielleicht eine Fehlentscheidung.

Der Rezensent jedenfalls hat etwa fünfzig Seiten gebraucht, um sich davon zu überzeugen, dass er einen Bullshit-Job hat. Was das heißt? Nun, er wird dafür bezahlt, ein Buch zu lesen, das die Welt nicht braucht, um anderen Menschen, die sicher Besseres zu tun hätten, davon zu berichten, dass er soeben ein Buch gelesen hat, das die Welt nicht braucht. Was da für Mengen an sinnlos vergeudeter Arbeitskraft zusammenkommen: ja nicht nur bei den Lesenden und Berichtenden. Sondern selbstverständlich und zuallererst auch beim Schreibenden selbst, sodann bei Lektorierenden, Gestaltenden, Druckenden, Vermarktenden, Vertreibenden, Verkaufenden. Bis hin zur finalen Arbeit an der Altpapier-"Verwertung". Ein Feuerwerk der Überflüssigkeit.

Und ein Fegefeuer der Eitelkeiten. Was aber das Buch selbst angeht: David Graeber hält unverkennbar ganz große Stücke auf sein Werk - und dieses für alles andere als überflüssig. Genau diese subjektive Selbsteinschätzung der Bedeutung (oder eben Bedeutungslosigkeit) des eigenen Tuns und Lassens aber ist nach Graeber das entscheidende Kriterium auch für den objektiven Urteilsspruch über die Qualität einer Beschäftigung: Daumen hoch oder runter, gesellschaftlich sinnvolle Tätigkeit oder vollkommen überflüssiger "Bullshit Job".

Was diese objektivierende Beurteilung angeht, hält sich Graeber seine besondere Qualifikation als Anthropologe zugute: Für seinesgleichen sei es "eigentlich kein Problem", die "unausgesprochene Theorie herauszukitzeln", die hinter dem praktischen Alltagshandeln der Leute und also auch hinter ihrer konkreten Arbeitspraxis stecke. Mit diesem Selbstbewusstsein ausgestattet, betreibt er eine empirische Forschung, die dem Soziologen wiederum den Atem stocken lässt.

Im Kern stützt sich sein Buch nämlich auf einige hundert E-Mail-Zuschriften, die ihn als Reaktion auf eine Erstveröffentlichung zum Thema erreichten, sowie auf Antworten seiner Twitter-Follower auf einen Aufruf zu persönlichen Erfahrungsberichten in Sachen "Bullshit Jobs". Aus diesen Quellen kitzelt er die - häufig freilich von den Betroffenen selbst schon ausgesprochene - Theorie eines falschen Lebens in der real existierenden Arbeitsgesellschaft heraus. Und nicht zuletzt auch aus seiner ganz ungefilterten Privatempirie: Immer wieder kann er "aus persönlicher Erfahrung" berichten, die er vor allem seinem universitären Arbeitsumfeld entnimmt. Nach der Methode des "Ich glaube, ich kenne niemanden, der nicht..." werden weitreichende qualitative Befunde generiert, die der Autor dann gerne nach Pi-mal-Daumen-Regel hochrechnet, so dass am Ende herauskommt, dass gut und gerne die Hälfte aller Beschäftigungsverhältnisse Schwachsinns-Jobs sind. Oder womöglich auch noch deutlich mehr. Man muss sich ja nur mal in seiner eigenen Umgebung umschauen.

Apropos "Schwachsinns-Jobs": Der Verlag geht offensichtlich davon aus, dass der Wortsinn von "Bullshit" allen Deutschsprachigen geläufig ist. Mit dem Begriff sind aber gerade nicht - wie man vielleicht denken könnte - die schlecht bezahlten und den Körper zerstörenden "Scheißjobs" (so die Übersetzung im Buch) gemeint, die vermutlich die andere Hälfte der gesellschaftlich verrichteten Tätigkeiten ausmachen. Im Fokus stehen vielmehr häufig ganz gut und bisweilen sogar überreich entlohnte, doch völlig bedeutungslose Beschäftigungen. Es geht Graeber um den in das System der lohnabhängigen Beschäftigung eingebauten Zwang zur "Pseudoarbeit", um eine immer weiter um sich greifende Ökonomie des Als-ob, in der Arbeit nur mehr simuliert würde und sich die Simulanten aller Länder der Falschheit ihres Tuns im Grunde genommen bewusst seien.

Damit verweist er auf zentrale Widersprüche der Konstitution und Reproduktion herrschender gesellschaftlicher Verhältnisse, über die in der Tat gesprochen werden müsste. Doch die durchgängig zur Schau getragene methodische, begriffliche und sprachliche Lässigkeit seiner Erzählung schadet dem analytischen und politischen Anliegen des Buches leider erheblich. Dabei ist es ja in der Tat so, dass an der - allzu häufig falschen - Arbeit in dieser Gesellschaft alles hängt, und dass zur Arbeit, und sei sie auch von noch so selbstverleugnend selbstzweckhafter Natur, alle drängen. Oder gedrängt werden.

Graeber ist keineswegs der Erste, der auf das Verquere einer Gesellschaftsordnung verweist, die aller technologischen Rationalisierungspotentiale zum Trotz an einer politischen Kultur der "Vollbeschäftigung" festhält. Doch eine Kritik der kapitalistischen "Arbeitsmaschine" ist unter Bedingungen der von ihr heraufbeschworenen Klimakatastrophe vermutlich mehr denn je angezeigt.

Und dasselbe gilt, womöglich sogar noch mehr, für das eifrige Kratzen an dem hartnäckig sich haltenden und systemisch reproduzierten Mythos von der "Effizienz" kapitalistischen Wirtschaftens. In der Tat beginnt dieser zu bröckeln, wenn Graeber - keineswegs frei von Ressentiments - sich über die unzählige Bürotätigkeiten hermacht, über das wachsende Heer von Verwaltern, Beratern, Controllern und als "Informationsarbeiter" firmierenden Leuten, über die Hypertrophie des "mittleren Managements" und den neofeudalen Managerkapitalismus. Was den Verteidigern des Systems als notwendige Arbeit an der Bewältigung von beständig zunehmender Komplexität gilt, erscheint Graeber als eine sich selbst stabilisierende Konstruktion von Arbeitszwängen, die vom Gebrauchswert des Produzierten weitestgehend absieht.

So weit, so gut. Doch das analytisch Treffende und Relevante des Werkes geht letzten Endes in einem überquellenden Bewusstseinsstrom unter, der dem ureigenen Graeberschen Erfahrungshaushalt entspringt - und in dem nach dem Motto "Ich weiß noch, wie ich von einer Umfrage las..." das Ungefähre zum Bestimmten gerinnt, die Vermutung als Gewissheit auftritt.

An irgendeiner Stelle seiner anekdotischen Evidenzsammlung erinnert sich Graeber an "eine Freundin, die früher eine längere Affäre mit einem verheirateten Mann hatte" - und deren unbeantwortete Frage nach dem Gefühlsleben unerwidert Geliebter seiner eigenen nach dem Umgang der Menschen mit unerwiderter Sinnsuche in der Arbeit erstaunlich ähnlich sei. "Sie denkt daran", so endet der gedankliche Ausflug des Autors, "ein Buch zu schreiben, um diese Lücke zu füllen. Ich hoffe, sie wird es tun." Ein weiteres Buch? Braucht es das wirklich? Man ist geneigt zu hoffen, dass die Freundin doch noch eine andere, sinnvolle Beschäftigung gefunden hat.

STEPHAN LESSENICH

David Graeber: "Bullshit Jobs". Vom wahren Sinn der Arbeit.

Aus dem Englischen von Sebastian Vogel. Klett-Cotta Verlag, Stuttgart 2018. 464 S., geb., 26,- [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 04.09.2018

Und morgen mit gleichem Fleiße
David Graeber will erklären, warum im Manager-Feudalismus der Gegenwart die
„Bullshit-Jobs“ gedeihen. Seine holzschnittartige Argumentation enttäuscht. Von Oliver Nachtwey

David Graebers Gespür für Relevanz ist erstaunlich. Sein Buch „Schulden – Die ersten 5000 Jahre“ kam drei Jahre nach der großen Finanz- und Schuldenkrise auf den Markt, wurde ein Sachbuchweltbestseller und der intellektuelle Pflasterstein der Occupy-Bewegung. Nun hat Graeber ein Buch über die Arbeit geschrieben, vor allem über nutzlose: „Bullshit-Jobs. Vom wahren Sinn der Arbeit.“
Es ist die große Illusion moderner Marktgesellschaften, der sich Graeber annimmt. In diesen, so ihr Selbstbild, würde der Wettbewerb alle Unternehmen dazu bringen, ihre Mittel effizient einzusetzen. Das sei nicht der Fall, behauptet Graeber. Immer mehr Menschen verrichteten Bullshit-Jobs, solche also, von denen sie selbst insgeheim glauben, dass sie nutzlos seien. Ihren sozialen Ort haben die Bullshit-Jobs nicht in den unteren sozialen Klassen, das heißt bei jenen Menschen, die tatsächlich Dinge herstellen, reparieren, instand halten etwas saubermachen oder anderen Menschen helfen. Diese Tätigkeiten sind zwar tatsächlich häufig, wie Graeber sie nennt, „Scheißjobs“. Sie werden mies bezahlt, aber sie sind gesellschaftlich nützlich und sie verleihen jenen Menschen, die sie ausüben, durchaus einen Sinn.
Bullshit-Jobs werden hingegen zumeist ordentlich bezahlt. Sie sind nur nutzlos. Sie entstehen eher in jenen Branchen, die mit Informationen handeln, die für die soziale, symbolische und monetäre Zirkulation in der Wirtschaft zuständig sind: die unzähligen Berater, Coaches, Kreativen, Firmenanwälte und Lobbyisten und Marketing-Fachleute also, deren Tätigkeit die Welt nicht besser macht.
Im Buch kommen viele Menschen ausführlich zu Wort, die in Bullshit-Jobs arbeiten. Das ist interessant und manchmal amüsant, häufig aber auch tragisch. Denn gerade die Nutzlosigkeit ihrer Tätigkeiten macht diese Menschen unglücklich, weil sie keine soziale Wirksamkeit mehr erfahren. Vor allem ihre Unterauslastung lässt sie verzweifeln. Was auf den ersten Blick wie ein Traum wirkt – arbeiten zu gehen, aber nichts zu tun zu haben –, macht die Menschen in Wirklichkeit depressiv.
Das Management, wenn es nicht gerade Bullshit-Jobs produziert, ist häufig ein Komplize. Entweder versucht es, die Arbeitsmoral durch die Simulation von Aufgaben zu trimmen, oder es deckt die Bullshit-Jobs. Warum es nicht das macht, was es laut fast allen anderen professionellen Beobachtern tut – überflüssige Jobs entweder produktiver zu gestalten oder sie wegzurationalisieren –, das erfährt der Leser des Buches nicht.
Als gesellschaftlich tragisch entpuppen sich besonders jene Jobs, die sinnvoll sein könnten, es aber nicht sind. Bei vielen Angestellten in den sozialpolitischen Apparaten, die Menschen in Notlagen wirklich helfen könnten, ist die wesentliche Aufgabe eine andere: die Aufrechterhaltung der bürokratischen Ordnung, die sich nicht nach den Bedürfnissen der Menschen richtet, sondern nach der Einhaltung von Regeln. Zur Beweisführung reiht Graeber Anekdote an Anekdote. Dass er sich in seinen Beispielen selbst widerspricht – einige Personen arbeiten doch in einfachen, schlecht bezahlten Dienstleistungsjobs –, kümmert ihn nicht.
Ohnehin liegt unter Graebers jovial plauderndem Ton eine bedauerliche Hemdsärmeligkeit, die sich nicht um eine stringente Analyse schert. Das Buch ist zwar launig, methodisch aber lausig. Zuerst bestimmt Graeber Bullshit-Jobs allein subjektiv, später dann doch wieder objektiv, wenn er sich unter der Hand an Adam Smiths Begriff von produktiver Arbeit orientiert. Mal leugnen die Leute vor sich selbst, dass ihre Arbeit sinnlos ist, mal sollen sie sich dessen aber doch bewusst sein. Wie es Graeber gerade passt, rollt die Kugel seiner Argumentation durch immer neue schiefe Ebenen.
Skepsis gegenüber der eigenen These mutet sich Graeber nicht zu. Darin, dass 38 Prozent der Teilnehmer bei einer Meinungsumfrage angeben, keinen „sinnvollen Beitrag zur Welt“ (sic!) zu leisten, will Graeber einen eindeutigen Beweis für das Ausmaß von Bullshit- Jobs erkennen. Dass Menschen auch bescheiden sein können, kommt ihm nicht in den Sinn. Seine Recherchen für das Buch bestanden vor allem darin, dass er seine Twitter-Follower aufforderte, ihm von ihren Bullshit-Jobs zu berichten. Dies hat viel Material hervorgebracht – hauptsächlich von Leuten, die seine Meinung in der Regel schon vorher teilten, weil sie ihm ja bereits bei Twitter folgten. Wenn Christian Lindner seine Social-Media-Abonnenten fragen würde, ob Porschefahren ein Menschenrecht sei, dürfte die Antwort wenig überraschend sein. Dass Graeber immer wieder seine Partygespräche als Belege anführt, verstärkt den Eindruck.
Die Mühe, Bullshit-Jobs in Unternehmen selbst zu untersuchen – für einen Anthropologen wäre das ja naheliegend gewesen –, hat er sich nicht gemacht. Bereits sein Buch über Schulden war vor allem dort brillant, wo Graeber in seinem Metier der Anthropologie war. Je stärker er sich der Gegenwart annäherte, desto schwächer wurde es. In „Bullshit-Jobs“ ist es ähnlich, nur, dass das Buch anders gegliedert ist. In der ersten Hälfte, der Gegenwartsdiagnose, ist es ungenau, lesenswert hingegen sind seine historischen Rekonstruktionen der Arbeitsethik, die moderne Gesellschaften bis heute dominiert und dazu führt, dass wir immer noch glauben, dass menschliche Würde vor allem aus der Erwerbsarbeit entspringt.
Dass sich Bullshit-Jobs vermehren und überall ansetzen wie Schimmel in feuchten Räumen, liegt für Graeber am Manager-Feudalismus, wie er es nennt. In diesem bilden die wirtschaftlichen Eliten einen eigenen Stand und ihr Status bemisst sich nach der Anzahl ihrer Untergebenen. Im Manager-Feudalismus, ein Resultat der Ausdehnung der Finanzmärkte, geht es nach Graeber nicht mehr um Wertschöpfung, sondern um die Aufteilung von Beute – deshalb gehören Unternehmensanwälte, die Graeber als Bullshit-Job-Typus „Schläger“ einordnet, auch zur größten Gruppe der Bullshit-Jobs.
Graeber streut in seiner Argumentation auch immer wieder verschwörungstheoretische Elemente ein. Er nimmt an, dass die politischen und wirtschaftlichen Eliten Bullshit-Jobs auch deshalb schaffen, damit die Leute nicht auf dumme Gedanken kommen und eine bessere Gesellschaft einfordern. Wenn es denn so einfach wäre.
Der seltsame, holzschnittartige intellektuelle Populismus verbaut Graeber die saubere Analyse seiner eigenen These. Das ist auch insofern irritierend, da er in seinem letzten Buch „Bürokratie. Die Utopie der Regeln“ bereits eine vielversprechende analytische Fährte gelegt hatte, die er aber aus ungeklärten Gründen nicht mehr weiterverfolgt. Diese Spur führt zu einer systemischen Erklärung von Bullshit-Jobs. Es ist gerade die Ausbreitung von Marktmechanismen, die zur Vermehrung von Regeln, Bürokratie und schließlich sinnlosen Tätigkeiten beiträgt. Anders als der Mythos es will, regelt der Markt ziemlich wenig außer den unmittelbaren Transaktionen. Für Qualität, Sicherheit, Umweltschutz, Arbeitsschutz braucht es Verträge und Regeln und schließlich Dritte, die das alles koordinieren. Hier liegt eine der Quellen von der Bullshit-Jobs. Auch Unternehmensfusionen erzeugen häufig nur sehr begrenzt Effizienzgewinne, da die verschiedenen Management- und Kostensysteme nun koordiniert werden müssen.
Eine andere Ursache liegt in den Veränderungen der Tätigkeiten selbst. Im modernen Kapitalismus, in dem sich auch Organisationen wie Quasimärkte verhalten sollen, verbringt man einen Großteil seiner Zeit mit Finanzierungsanträgen, Gutachten, Evaluierungen, der Entwicklung von Strategien, Gremiensitzungen – und nicht mehr mit dem eigentlichen Zweck seiner Arbeit. Jeder Universitätsangehörige kann ein Lied davon singen. Diese Problemlage erwähnt auch David Graeber, systematisiert sie aber nicht. Wie so vieles bleibt sie nur an- und wird nicht zu Ende gedacht. Das ist bedauerlich, denn das Phänomen ist wirklich wichtig. Ihm wäre eine bessere Untersuchung zu wünschen gewesen.
Oliver Nachtwey ist Professor für Sozialstrukturanalyse an der Universität Basel. Im Jahr 2016 erschien sein Buch „Die Abstiegsgesellschaft. Über das Aufbegehren in der regressiven Moderne“.
Die Nutzlosigkeit ihrer
Tätigkeiten macht die
Menschen unglücklich
Anders als der Mythos
es will, regelt der
Markt ziemlich wenig
David Graeber: Bullshit-Jobs. Vom wahren Sinn der Arbeit. Aus dem Englischen von Sebastian Vogel. Verlag Klett-Cotta, Stuttgart 2018. 464 Seiten, 26 Euro.
David Graebers Buch „Schulden“ wurde ein Sachbuchweltbesteller. Der Anthropologe und Anarchist war ein Vordenker der Occupy-Bewegung (hier auf einer Diskussion in Mailand, 2012). Nun spürt er dem Geheimnis sinnloser Beschäftigung nach. Die Zahl sinnloser Job wachse, sagt er.
Foto: Pier Marco Tacca/Getty Images
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