"Bullshit ist ein größerer Feind der Wahrheit als die Lüge." Dies ist die zentrale These des aktuellen internationalen Bestsellers: Harry G. Frankfurts konzises, polemisches und provokatives Buch Bullshit. In den Vereinigten Staaten war es der Überraschungserfolg eines philosophischen Buchs der letzten Jahrzehnte. Harry G. Frankfurts Thesen wurden dabei nicht zuletzt an den Orten breit diskutiert, die er im Visier hat: im Fernsehen und der Presse. Frankfurt erläuterte selbst in populären Fernsehsendungen mit dem Scharfsinn eines Philosophen und der Pointiertheit eines großen Essayisten, dass Bullshit die große Gefahr unserer Zeit darstellt. Seine Diagnose geht aber über eine banale Medienschelte weit hinaus: Sie ist präzise Kulturkritik, die die Politik und unser Alltagsverhalten gleichermaßen einschließt.
Harry G. Frankfurt hat eine scharfsinnige Analyse vorgelegt, wie es kommt, dass Heiße-Luft-Produzieren oder schlicht `bullshitting´, so Daniel Schreiber in der taz, so um sich greifen, dass wir ihnen überall begegnen: in den Medien, der Politik, in der Kneipe und der Bahn. Bullshit ist omnipräsent und schlimmer noch: Bullshit steckt an und droht zur Epidemie zu werden, bei der die Wirklichkeit Gefahr läuft, zu verschwinden. Wer wissen will, ob und wie wir uns dagegen impfen können, dem sei geraten: Bullshit lesen!
Harry G. Frankfurt hat eine scharfsinnige Analyse vorgelegt, wie es kommt, dass Heiße-Luft-Produzieren oder schlicht `bullshitting´, so Daniel Schreiber in der taz, so um sich greifen, dass wir ihnen überall begegnen: in den Medien, der Politik, in der Kneipe und der Bahn. Bullshit ist omnipräsent und schlimmer noch: Bullshit steckt an und droht zur Epidemie zu werden, bei der die Wirklichkeit Gefahr läuft, zu verschwinden. Wer wissen will, ob und wie wir uns dagegen impfen können, dem sei geraten: Bullshit lesen!
Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension
Fulminant gepoltert heißt es anerkennend bei Rezensent Kurt Flasch über Harry G. Frankfurts aufrichtigen "Aufschrei" gegen die Un-Kultur der "Aufrichtigkeit". Der feine Unterschied von einer Aufrichtigkeit zur anderen werde vom amerikanischen Philosophen ein wenig "umständlich" sprachanalytisch auf den Unterschied von Wahrheit und Lüge zurückverfolgt. Wer lügt, kenne die Wahrheit, fasst der Rezensent die Moral von der Geschicht" zusammen, wer Bullshit rede, interessiere sich nur für seine persönliche Wahrheit. Bullshit entstehe Frankfurt zufolge erstens durch "Desinteresse an der Richtigkeit" und zweitens durch den notorischen "Moralismus in Politik und Feuilleton". So entstehe der Eindruck, wenn alle über alles notwendig unsachverständig reden und urteilen, als ob auch gefühlte rhetorische Wahrheit Wahrheit sei. Im Gegensatz zu jener, referiert der Rezensent den Philiosophen, lasse sich diese aber in der Regel überprüfen.
© Perlentaucher Medien GmbH
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Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 27.02.2006Du und dein Wahrheitswürgen
Karnevalslektüre für Alte: Harry Frankfurts Edelschrift "Bullshit"
Seit einigen Tagen liegt in vielen Buchhandlungen neben der Kasse ein kleinformatiges weinrotes Büchlein aus. Es ist schmal und preiswert: siebenundsiebzig edel gebundene Seiten für acht Euro. Würde das Buch im üblichen Format gedruckt, es hätte keine vierzig Seiten Umfang. Eine weiße Papierbanderole erklärt, ein Kritikerurteil aufgreifend, worum es geht: "Dieses Buch wird Ihr Leben verändern." Im Leinendeckel eingraviert steht: "Bullshit". Autor ist Harry Frankfurt, Philosophieprofessor in Princeton. Das Buch scheint, so wie es da aufgemacht ist, eine vom Himmel gefallene Offenbarung zu sein. Vom Himmel gefallen ist sie nicht. Der Text wurde in Amerika schon in den achtziger Jahren publiziert. Zweifach: zunächst als Zeitschriftenaufsatz, später dann als Stück in einem Sammelband. Im vergangenen Jahr erschien er als Buch bei Princeton University Press und wurde ein Bestseller. In der deutschsprachigen Ausgabe fehlen die meisten Angaben zu dieser Vorgeschichte.
In dem Buch geht es darum, daß von der gesprochenen und geschriebenen Rede, mit der wir täglich in Funk und Fernsehen, Beruf und Freizeit zu tun haben, daß von dieser Rede, diesem weltweiten Wortschwall, nicht alles Gold ist, was glänzt. Daß vieles, bei Licht besehen, nur Reklame ist, Sensationsmache, ein Aufmöbeln alter Hüte zu etwas ganz Neuem, nie Dagewesenem, ein Tamtam mit Superlativen, ein karnevalesker Sprachwirbel auf dem Boden falscher Voraussetzungen und schiefer Proportionen. Ja, so ist die Welt, möchte man mit dem Autor sagen; gleichgültig gegen Wahrheit und Lüge, im Kleinen wie im Großen eine Ausgeburt der Eventkultur. Harry Frankfurt sagt dies mit viel Philologie und Unterscheidung, mit viel Hin und Her. Und es ist sicherlich gut, daß wir einmal darüber gesprochen haben.
In Wirklichkeit seien wir Menschen schwer zu packende Wesen, heißt es auf der letzten Seite. Bedrückt denkt der Leser: So isses. Schwankt die Qualität der Rede im Weltmaßstab tatsächlich nicht beträchtlich? Es gibt kluge und dumme Redner, es gibt die ehrliche Haut und den verschlagenen Fuchs, es gibt solche, die schnell zur Sache kommen (zum Ding an sich, würde Harry Frankfurt, der Erkenntnisoptimist, sagen), und es gibt andere, die ewigen Relativierer, die genauso ewig um das Ding an sich herumreden und bullshit ("heiße Luft", wie der Autor bevorzugt übersetzt) produzieren. Ach, könnte man es den Menschen doch an der Nasenspitze ansehen, wes Geistes Kind sie sind! Harry Frankfurt, hilf! Für ihn, den Freund und Helfer aller bullshit-Opfer (letztlich also aller Mitglieder der Sprachfamilie), haben die Sprachspiele der Menschheit den objektivistischen Charakter einer Straßenverkehrsordnung. Diese Objektivität kann man beim Sprechen abbilden oder verfehlen. Er selber sieht sich als ein in das Wesen der Dinge eingeweihten Sprachpolizisten. Er stellt die Ordnungswidrigkeiten der bullshiter fest und verteilt Knöllchen.
In diesem Sinne sind Form und Inhalt des Bändchens streng aufeinander bezogen. Aufmachung und Aufbau übernehmen eine inhaltliche Funktion. Sie spiegeln getreu ihren Gegenstand: bullshit. Tatsächlich funktioniert dieses Werk exakt nach der im Buch dargelegten Gebrauchsanweisung für die Verfertigung von Scharlatanerie. Philosophisch steht es in der Tradition der Sophismuskritik von Sokrates bis Wittgenstein. Das Neue ist hier freilich, daß sich die Sophismuskritik im Selbstversuch übt, anders gesagt: Das Buch macht sich vorsätzlich selbst zur Zielscheibe der Sophismuskritik. Greifen Sie also zu! Denn Sie können mit diesem Kauf nichts falsch machen. "Bullshit" gehört zu jenen Büchern, die beim Lesen immer richtiger werden: Jeder zufriedene Leser mehr ist ein Sophismus-Opfer mehr und bestätigt hinter seinem Rücken die Grundaussage des Autors: daß zuviel heiße Luft produziert wird, daheim und unterwegs. Pffft, macht es, als wir das Buch zuklappen.
Gern schneidet man sich von Harry Frankfurt eine große Scheibe ab, nimmt sich vor, seine Worte demnächst besser zu wählen und, wie der Autor dringend empfiehlt, nur noch von solchen Dingen zu sprechen, von denen man etwas versteht. Aber etwas Unheimliches bleibt nach dieser Katharsis zurück. Man male sich das doch einmal in Ruhe aus: Wie still würde es im öffentlichen Raum, wenn jeder dem Rat des Autors folgen würde? Und wohin mit all der Zeit, die man durch all den nicht gesprochenen bullshit einspart?
CHRISTIAN GEYER
Harry G. Frankfurt: "Bullshit". Aus dem Amerikanischen von Michael Bischoff. Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 2006. 77 S., geb., 8,- [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Karnevalslektüre für Alte: Harry Frankfurts Edelschrift "Bullshit"
Seit einigen Tagen liegt in vielen Buchhandlungen neben der Kasse ein kleinformatiges weinrotes Büchlein aus. Es ist schmal und preiswert: siebenundsiebzig edel gebundene Seiten für acht Euro. Würde das Buch im üblichen Format gedruckt, es hätte keine vierzig Seiten Umfang. Eine weiße Papierbanderole erklärt, ein Kritikerurteil aufgreifend, worum es geht: "Dieses Buch wird Ihr Leben verändern." Im Leinendeckel eingraviert steht: "Bullshit". Autor ist Harry Frankfurt, Philosophieprofessor in Princeton. Das Buch scheint, so wie es da aufgemacht ist, eine vom Himmel gefallene Offenbarung zu sein. Vom Himmel gefallen ist sie nicht. Der Text wurde in Amerika schon in den achtziger Jahren publiziert. Zweifach: zunächst als Zeitschriftenaufsatz, später dann als Stück in einem Sammelband. Im vergangenen Jahr erschien er als Buch bei Princeton University Press und wurde ein Bestseller. In der deutschsprachigen Ausgabe fehlen die meisten Angaben zu dieser Vorgeschichte.
In dem Buch geht es darum, daß von der gesprochenen und geschriebenen Rede, mit der wir täglich in Funk und Fernsehen, Beruf und Freizeit zu tun haben, daß von dieser Rede, diesem weltweiten Wortschwall, nicht alles Gold ist, was glänzt. Daß vieles, bei Licht besehen, nur Reklame ist, Sensationsmache, ein Aufmöbeln alter Hüte zu etwas ganz Neuem, nie Dagewesenem, ein Tamtam mit Superlativen, ein karnevalesker Sprachwirbel auf dem Boden falscher Voraussetzungen und schiefer Proportionen. Ja, so ist die Welt, möchte man mit dem Autor sagen; gleichgültig gegen Wahrheit und Lüge, im Kleinen wie im Großen eine Ausgeburt der Eventkultur. Harry Frankfurt sagt dies mit viel Philologie und Unterscheidung, mit viel Hin und Her. Und es ist sicherlich gut, daß wir einmal darüber gesprochen haben.
In Wirklichkeit seien wir Menschen schwer zu packende Wesen, heißt es auf der letzten Seite. Bedrückt denkt der Leser: So isses. Schwankt die Qualität der Rede im Weltmaßstab tatsächlich nicht beträchtlich? Es gibt kluge und dumme Redner, es gibt die ehrliche Haut und den verschlagenen Fuchs, es gibt solche, die schnell zur Sache kommen (zum Ding an sich, würde Harry Frankfurt, der Erkenntnisoptimist, sagen), und es gibt andere, die ewigen Relativierer, die genauso ewig um das Ding an sich herumreden und bullshit ("heiße Luft", wie der Autor bevorzugt übersetzt) produzieren. Ach, könnte man es den Menschen doch an der Nasenspitze ansehen, wes Geistes Kind sie sind! Harry Frankfurt, hilf! Für ihn, den Freund und Helfer aller bullshit-Opfer (letztlich also aller Mitglieder der Sprachfamilie), haben die Sprachspiele der Menschheit den objektivistischen Charakter einer Straßenverkehrsordnung. Diese Objektivität kann man beim Sprechen abbilden oder verfehlen. Er selber sieht sich als ein in das Wesen der Dinge eingeweihten Sprachpolizisten. Er stellt die Ordnungswidrigkeiten der bullshiter fest und verteilt Knöllchen.
In diesem Sinne sind Form und Inhalt des Bändchens streng aufeinander bezogen. Aufmachung und Aufbau übernehmen eine inhaltliche Funktion. Sie spiegeln getreu ihren Gegenstand: bullshit. Tatsächlich funktioniert dieses Werk exakt nach der im Buch dargelegten Gebrauchsanweisung für die Verfertigung von Scharlatanerie. Philosophisch steht es in der Tradition der Sophismuskritik von Sokrates bis Wittgenstein. Das Neue ist hier freilich, daß sich die Sophismuskritik im Selbstversuch übt, anders gesagt: Das Buch macht sich vorsätzlich selbst zur Zielscheibe der Sophismuskritik. Greifen Sie also zu! Denn Sie können mit diesem Kauf nichts falsch machen. "Bullshit" gehört zu jenen Büchern, die beim Lesen immer richtiger werden: Jeder zufriedene Leser mehr ist ein Sophismus-Opfer mehr und bestätigt hinter seinem Rücken die Grundaussage des Autors: daß zuviel heiße Luft produziert wird, daheim und unterwegs. Pffft, macht es, als wir das Buch zuklappen.
Gern schneidet man sich von Harry Frankfurt eine große Scheibe ab, nimmt sich vor, seine Worte demnächst besser zu wählen und, wie der Autor dringend empfiehlt, nur noch von solchen Dingen zu sprechen, von denen man etwas versteht. Aber etwas Unheimliches bleibt nach dieser Katharsis zurück. Man male sich das doch einmal in Ruhe aus: Wie still würde es im öffentlichen Raum, wenn jeder dem Rat des Autors folgen würde? Und wohin mit all der Zeit, die man durch all den nicht gesprochenen bullshit einspart?
CHRISTIAN GEYER
Harry G. Frankfurt: "Bullshit". Aus dem Amerikanischen von Michael Bischoff. Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 2006. 77 S., geb., 8,- [Euro].
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»Gern schneidet man sich von Harry Frankfurt eine große Scheibe ab, nimmt sich vor, seine Worte demnächst besser zu wählen und... Wie still würde es im öffentlichen Raum, ... wohin mit all der Zeit, die man durch all den nicht gesprochenen bullshit einspart?« Frankfurter Allgemeine Zeitung
»Frankfurts Essay ist für die Philosophie des Blödsinns das, was Kants Grundlegung zur Metaphysik der Sitten für die Moralphilosophie ist.«