Burt Glinn war ein ungewöhnlicher Magnum-Fotograf. Die meisten Mitglieder verfolgten und verfolgen eine mehr oder weniger künstlerische Karriere, was durch das Entstehen eines Kunstmarktes für Fotografie seit einigen Jahren auch lukrativ geworden ist. Burt Glinn hat fast von Anbeginn kommerzielle
Fotografie betrieben und er war enorm erfolgreich darin. Dabei hat ihm diese Arbeit viel weniger…mehrBurt Glinn war ein ungewöhnlicher Magnum-Fotograf. Die meisten Mitglieder verfolgten und verfolgen eine mehr oder weniger künstlerische Karriere, was durch das Entstehen eines Kunstmarktes für Fotografie seit einigen Jahren auch lukrativ geworden ist. Burt Glinn hat fast von Anbeginn kommerzielle Fotografie betrieben und er war enorm erfolgreich darin. Dabei hat ihm diese Arbeit viel weniger Fesseln angelegt, als man meinen könnte, denn mit jedem Auftrag verwirklichte er auch seinen eigenen Stil.
Die Retrospektive fokussiert natürlich nicht auf die Hochglanzfotografie für Jahresberichte großer Banken, sondern auf Burt Glinn als Fotoreporter, der mit untrüglichem Auge den perfekten Moment einfing. Er hatte das große Glück, einige weltgeschichtliche Momente persönlich zu erleben, so die Revolution auf Kuba, während der er Castros Marsch auf Havanna begleitete, oder auch den Bau der Berliner Mauer in 1961. Einige seiner Fotos haben sich ins kollektive Gedächtnis gegraben, was auch die Aufgabe guter Reportagefotografie ist, und er war ein sehr sensibler Dokumentar seiner Zeit. Mit ausgeprägtem Gespür für den richtigen Kleidungsstil bewegte er sich sicher in der besseren Gesellschaft, war sich jedoch auch nicht zu schade, durch den Dschungel Neuguineas zu robben. Er hat die Welt gesehen und sichtbar gemacht.
Die perfekt reprografierten Schwarz-Weiß-Fotos erfassen eine Zeitspanne von 1949-1979, mit starkem Fokus auf den Fünfziger- und Sechzigerjahren, die Glinn selber als seine Glanzzeit bezeichnete. Darunter sind Serien, wie die schon genannte Kubareise, aber auch Einzelfotos, die eine besondere Ausstrahlung besitzen. Glinn mag kein „künstlerischer“ Fotograf im engeren Sinn gewesen sein, aber seine Fotos erfüllen alle Kriterien von Kunst. Sie sprechen aus dem Augenblick, sie erzeugen beim Betrachter Gefühle und wecken Erinnerungen. Nicht selten sind es Erinnerungen, die gerade von diesen Bildern geprägt wurden.
Zu Wort kommen Familienmitglieder, aber auch Wegbegleiter. Allen Berichten gemeinsam ist, dass sie Burt Glinn als ungeheuer großzügig, unterhaltsam und empathisch beschreiben. Nun sollte man in einer Retrospektive keine Schmähungen erwarten, aber die Konsistenz lässt vermuten, dass viel Wahres in dieser Wertung liegt.
Gute Reportagefotos sind losgelöst von der Zeit, in der sie entstanden. Das gilt für Reporter-Ikonen wie Henri Cartier-Besson, aber genauso für Burt Glinn. Ohne ihn, und das lassen auch die biografischen Beiträge erahnen, wäre Magnum nicht das, was es heute ist.
(Dieses Buch wurde mir vom Verlag kostenfrei zur Verfügung gestellt. Auf meine Rezension wurde kein Einfluss genommen, der Inhalt stellt meine persönliche Meinung dar.)