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Das Byzantinische Reich umfasste zeitweise fast den gesamten Mittelmeerraum, und seine Kultur strahlte in ganz Europa. Nirgendwo aber entfaltete Byzanz größeren Glanz als in der Kunst. Dieser großzügig illustrierte Band bietet die erste deutschsprachige Gesamtdarstellung der byzantinischen Kunst seit Jahrzehnten. Eindrucksvoll erzählt er die Geschichte eines Weltreichs, das ohne Kunst nicht denkbar war. Anders als wir heute sahen die Byzantiner ihre Bilder und Bauten nicht nur als schönen Schein. Die Kunst war Teil des politischen Lebens, und man sah sie mit den Augen des Glaubens: die…mehr

Produktbeschreibung
Das Byzantinische Reich umfasste zeitweise fast den gesamten Mittelmeerraum, und seine Kultur strahlte in ganz Europa. Nirgendwo aber entfaltete Byzanz größeren Glanz als in der Kunst. Dieser großzügig illustrierte Band bietet die erste deutschsprachige Gesamtdarstellung der byzantinischen Kunst seit Jahrzehnten. Eindrucksvoll erzählt er die Geschichte eines Weltreichs, das ohne Kunst nicht denkbar war. Anders als wir heute sahen die Byzantiner ihre Bilder und Bauten nicht nur als schönen Schein. Die Kunst war Teil des politischen Lebens, und man sah sie mit den Augen des Glaubens: die himmlisch entrückten Mosaiken, die Ikonen, welche persönliche Nähe stifteten, und die Kirchenräume, die ein sinnlich-mystisches Erlebnis bereiteten. Arne Effenberger und Neslihan Asutay-Effenberger erschließen die Bildsprache von Byzanz, die wie die "westliche" Kunst ihre Wurzeln in der römischen Antike hatte. Sie führen vor Augen, wie sehr die byzantinische Kunst Europa geprägt hat, wie sie auf politische Ereignisse, religiöse und kulturelle Umbrüche reagierte und wie sie in ihrer über 1000-jährigen Geschichte eine Vielfalt entwickelte, die staunen macht. So entfaltet der Band ein großartiges Panorama der lange Zeit wichtigsten Kultur des Mittelalters.
Autorenporträt
Arne Effenberger war von 1973 bis 1992 Direktor der Frühchristlichbyzantinischen Sammlung der Staatlichen Museen zu Berlin (Ost) und von 1992 bis 2007 Direktor der Skulpturensammlung und des Museums für Byzantinische Kunst (Bode-Museum) der wiedervereinigten Staatlichen Museen zu Berlin. Seit 1996 lehrt er als Honorarprofessor Byzantinische Kunstgeschichte an der FU Berlin. Neslihan Asutay-Effenberger ist Professorin für Byzantinische Kunst und Archäologie sowie Türkisch-Islamische Kunst an der Universität Bochum und lehrt derzeit außerdem an der Universität Mainz.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 03.01.2018

Der Jüngste Tag reißt euch aus euren Gräbern

Die italienische Renaissance war schon zum Greifen nah: Neslihan Asutay-Effenberger und Arne Effenberger erzählen die Geschichte der byzantinischen Kunst, die überzeugt war von der Dauer des Imperiums

Ein Mosaik unter einem Bogen in der südwestlichen Vorhalle der Hagia Sophia zeigt die Kaiser Konstantin und Justinian zu beiden Seiten der Gottesmutter mit dem Jesuskind. Konstantin bietet Maria ein Idealmodell seiner neuen Hauptstadt Konstantinopel dar, während Justinian ein Modell der Hagia Sophia in den Händen hält. Beide Herrscher sind bartlos und mit dem Loros bekleidet, der spätantiken Weiterentwicklung der Purpurtoga der römischen Senatoren.

Im zehnten Jahrhundert, als das Mosaik entstand, trugen die Kaiser von Konstantinopel seit vielen Generationen Vollbärte, und ihre Stadt hatte sich seit Konstantin und Justinian dramatisch verändert. Dennoch konnten sie sich in dem Bild wiedererkennen, denn es spiegelte ihr Geschichtsbild, in dem der Wandel der Zeiten nur ein Nebelschleier vor der Ewigkeit des Reiches war.

Auch das Loroskostüm war damals immer noch in Gebrauch, und in den liturgischen Kleidern, die an hohen Festtagen durch die Straßen getragen wurden, hing der Staub von Jahrhunderten, wie der ottonische Gesandte Luitprand von Cremona mit der neidzerfressenen Häme des westlichen Parvenus bemerkte.

Den Byzantinern, die sich selbst Rhomäer, also Römer, nannten, galt der alte Plunder dagegen nicht als Zeichen der Hinfälligkeit, sondern im Gegenteil als Insignie der Dauer ihres Imperiums, das direkt von Christus kam und erst mit seiner Wiederkunft enden würde. So wie Konstantin und Justinian handelten alle Kaiser in seinem Auftrag, und so wie die Hagia Sophia das Zentrum Konstantinopels markierte, war die Hauptstadt selbst der Mittelpunkt des christlichen Erdkreises und seiner Heilsgeschichte bis zum Jüngsten Gericht.

Das Medium, in dem sich das historische Bewusstsein der Byzantiner abbildete, war die Kunst. Sie bildete die sichtbare Antithese zu allem, was Jahr um Jahr geschah. Während das Reich von einer Krise in die nächste stürzte und seine Grenzen mal knapp vor den Mauern der Metropole, mal im fernen Armenien oder Sizilien verliefen, blieben ihre Formen und Gegenstände immer gleich. Wenn man von ihrem Erhaltungszustand absieht, trennt die Mosaiken des sechsten Jahrhunderts in Ravenna von denen des zehnten bis dreizehnten Jahrhunderts in der Hagia Sopia nur ein Wechsel im Dekor.

Eine Studie über das oströmische "Weltreich der Kunst", wie sie die Bochumer Byzantinistin Neslihan Asutay-Effenberger und ihr Mann Arne, der langjährige Leiter des Museums für Byzantinische Kunst der Staatlichen Museen zu Berlin, jetzt vorgelegt haben, steht deshalb vor einer doppelten Herausforderung. Sie muss die Spuren der Geschichte in einer Kunsttradition aufspüren, die sich historischem Denken aus Prinzip verweigert. Und sie muss zugleich das Pathos dieser "Entwicklungsfremdheit" (Benn) an den Werken selbst nachvollziehen, um uns das statische Weltbild von Byzanz näherzubringen. Beides ist den Autoren gelungen.

Auf gut dreihundert Seiten spannen sie einen Bogen von den Skulpturen und Wandmalereien der konstantinischen Epoche bis zu den Kirchenfresken der Palaiologenzeit. Dass die Realgeschichte bei dieser Art der Kunstbetrachtung zu kurz kommen muss, liegt auf der Hand. Dennoch hätte man sich gelegentlich mehr Sorgfalt im historischen Detail gewünscht. Die Behauptung, die europäischen Mächte hätten "niemals in die byzantinisch-türkischen Auseinandersetzungen eingegriffen und Byzanz seinem Schicksal überlassen", ist angesichts der Türkenkreuzzüge von 1396 und 1444 absurd. Es stimmt auch nicht, dass "alle Germanenstämme" im vierten Jahrhundert das Christentum annahmen; Franken und Langobarden folgten erst hundert bis zweihundert Jahre später. Die byzantinische Kaiserin "Zoe Karbonopsisma" hieß Zoe Karbonopsina, der Kreuzfahrer "Balduin von der Boulonge" Balduin von Boulogne. Aber das sind Kleinigkeiten.

Schwerer wiegt, dass Neslihan und Arne Effenberger den klugen und leidenschaftlichen Bildbeschreibungen und theologischen Reflexionen, die den größten Teil ihrer Darstellung ausmachen, keine sozialhistorische Grundlage geben. In Byzanz gab es nach den arabischen Invasionen des siebten und dem Ikonoklasmus des achten Jahrhunderts keine Hofkunst mehr, die malerische Produktion fand allein in den Klöstern statt. Ein kurzer Blick in die Geschichte der wichtigsten Monasterien, etwa des tonangebenden Studionklosters, hätte das Spannungsverhältnis zwischen Hauptstadt und Provinz illustrieren und die Kunstbetrachtung um einiges welthaltiger machen können. Dass die byzantinische Kultur "kein Künstlertum im modernen Sinne" kannte, versteht sich fast von selbst, aber auch hier gab es Schulen, Stile und Momente von Genialität, wie sie sich etwa in der Verkündigungs-Ikone aus dem Katharinenkloster am Sinai zeigt.

Hier hat der anonyme Maler der Gestalt des Erzengels, der auf Maria zueilt, einen geradezu hellenistischen Schwung in Lockenpracht, Faltenwurf und Beinstellung und zugleich das ehrfürchtige Innehalten vor der Erscheinung der Gottesgebärerin eingeschrieben. Die Autoren widmen diesem Meisterwerk zu Recht eine längere Passage, aber sie schätzen den Anteil antiken Stilbewusstseins, das sich im Gefolge der makedonischen Renaissance von Konstantinopel aus im ganzen Reich verbreitete, darin geringer ein als das theologische Pflichtprogramm der Tempelkulisse mit Frühlingsblumen und Vögeln.

Überhaupt tritt das, was man als Entwicklungslogik der byzantinischen Kunst bezeichnen könnte, im Lauf des Buchs hinter eine dichte Folge von Einzelbeschreibungen zurück. In der Architektur ist der Wandel von der Basilikaform zur Kreuzkuppelkirche unübersehbar, während der Fortschritt in der bildenden Kunst länger auf sich warten lässt und letztlich erst mit dem Schock des vierten Kreuzzugs wirklich in Gang kommt. Gerade darum wäre es wichtig gewesen, den kunsthistorischen Rang der Mosaiken und Fresken in der Chora-Kirche, die nur mit den gleichzeitig entstandenen Malereien Giottos in der Scrovegni-Kapelle in Padua vergleichbar sind, noch deutlicher herauszustellen, als es hier geschieht. Das Apsisbild mit der Erscheinung Christi, der Eva und Adam am Jüngsten Tag aus ihren Gräbern reißt, ist eine Sternstunde der europäischen Kunst, und nur der rasante Zusammenbruch des Palaiologenreichs im Würgegriff der Osmanen hat verhindert, dass Konstantinopel von hier aus Anschluss an die italienische Renaissance gewann.

Mit Recht beklagen die Autoren, dass das Museum für Byzantinische Kunst, das einzige seiner Art in Deutschland, in Berlin kein eigenes Haus hat, sondern als Unterabteilung der Skulpturensammlung im Bodemuseum dient. Aber ein Byzanzmuseum, das diesen Namen verdiente, wäre eben kein reines Kunst-, sondern ein im umfassenden Sinne kulturgeschichtliches Museum. In ihm müsste sich die Einsicht spiegeln, dass auch die hermetischste Kunstproduktion von der realen Welt, in der sie stattfindet, nicht zu trennen ist. Auf dem Weg dorthin ist das vorliegende Buch ein wichtiger, aber noch lange nicht der letzte Schritt.

ANDREAS KILB.

Arne Effenberger, Neslihan Asutay-Effenberger: "Byzanz". Weltreich der Kunst.

Verlag C. H. Beck, München 2017. 427 S., Abb., geb., 49,95 [Euro].

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