DIE ERBEN DES RÖMISCHEN WELTREICHS
Im Jahr 324 n. Chr. erlangte Kaiser Konstantin I. die Alleinherrschaft über das gesamte römische Territorium. Er feierte diesen Erfolg mit der Grundsteinlegung einer neuen Hauptstadt, die seinen Namen tragen sollte - Konstantinopel. Doch niemand konnte ahnen, dass damit auf den Fundamenten der uralten griechischen Kolonie Byzantion ein neues, vom Christentum geprägtes Rom entstehen und die Geschichte des Imperiums über mehr als 1000 Jahre fortschreiben würde. Den Weltherrschaftsanspruch der neuen Römer vermochten weder Glaubensstreitigkeiten noch Kriege, weder Pandemien noch Barbaren anzufechten, bis die Stadt 1453 von den Osmanen erobert wurde.
Dieser Band bietet einen Überblick über mehr als 1000 Jahre Geschichte. Das Besondere an dieser Erzählung vom 4. bis zum 15. Jahrhundert ist jedoch, dass sie als ein weiteres Millennium römischer Geschichte über die Geschichte der Antike hinaus dargeboten wird. Die Verwaltungssprache in dem Reich am Bosporus war zwar nicht mehr Latein, sondern Griechisch; im Übrigen jedoch verstanden sich seine Einwohner weiterhin als Römer. Neu in Byzanz war indes nicht zuletzt die intensive Verflechtung - nicht selten in Form blutiger Konflikte - mit der islamischen Welt. Doch kaum geringer waren die Gefahren, die ihm aus dem «lateinischen Westen» drohten, verbunden mit den verheerenden Kreuzzügen. Waren sie bereits ein Signum globaler Vernetzung, so verstetigte und befeuerte das Neue Rom diesen Prozess mit seinen Kontakten nach Ostafrika, in den Indischen Ozean, den Kaukasus, nach Osteuropa und Zentralasien. Über all das - und ebenso über Gesellschaft, Religion, Wirtschaft und vieles mehr - weiß Johannes Preiser-Kapeller gleichermaßen spannend wie informativ zu erzählen.
Im Jahr 324 n. Chr. erlangte Kaiser Konstantin I. die Alleinherrschaft über das gesamte römische Territorium. Er feierte diesen Erfolg mit der Grundsteinlegung einer neuen Hauptstadt, die seinen Namen tragen sollte - Konstantinopel. Doch niemand konnte ahnen, dass damit auf den Fundamenten der uralten griechischen Kolonie Byzantion ein neues, vom Christentum geprägtes Rom entstehen und die Geschichte des Imperiums über mehr als 1000 Jahre fortschreiben würde. Den Weltherrschaftsanspruch der neuen Römer vermochten weder Glaubensstreitigkeiten noch Kriege, weder Pandemien noch Barbaren anzufechten, bis die Stadt 1453 von den Osmanen erobert wurde.
Dieser Band bietet einen Überblick über mehr als 1000 Jahre Geschichte. Das Besondere an dieser Erzählung vom 4. bis zum 15. Jahrhundert ist jedoch, dass sie als ein weiteres Millennium römischer Geschichte über die Geschichte der Antike hinaus dargeboten wird. Die Verwaltungssprache in dem Reich am Bosporus war zwar nicht mehr Latein, sondern Griechisch; im Übrigen jedoch verstanden sich seine Einwohner weiterhin als Römer. Neu in Byzanz war indes nicht zuletzt die intensive Verflechtung - nicht selten in Form blutiger Konflikte - mit der islamischen Welt. Doch kaum geringer waren die Gefahren, die ihm aus dem «lateinischen Westen» drohten, verbunden mit den verheerenden Kreuzzügen. Waren sie bereits ein Signum globaler Vernetzung, so verstetigte und befeuerte das Neue Rom diesen Prozess mit seinen Kontakten nach Ostafrika, in den Indischen Ozean, den Kaukasus, nach Osteuropa und Zentralasien. Über all das - und ebenso über Gesellschaft, Religion, Wirtschaft und vieles mehr - weiß Johannes Preiser-Kapeller gleichermaßen spannend wie informativ zu erzählen.
Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
Zwei große Stärken und eine Schwachstelle hat Johannes Preiser-Kapellers Geschichte des Byzantinisches Reichs laut Rezensent Andreas Kilb. Als eine "Tugend" bezeichnet Kilb etwa die Perspektive, die der Wiener Historiker in seiner historischen Abhandlung einnimmt: Statt das Reich und seine Entwicklung aus der Sicht Westeuropas zu charakterisieren und zu beschreiben - heißt mit westeuropäischen Kategorien und Begriffen - lässt er sich auf seine "eigene Entwicklungslogik" ein, lobt der Kritiker So nenne er die Byzantiner, die sich in der Tradition des antiken Griechenlands und Roms sahen, wie sie sich selbst nannten: Rhomäer. Die zweite Stärke des Bandes führt Kilb auf den beruflichen Werdegang des Autors zurück, der nicht nur die Geschichte Byzanz studiert hat, sondern auch Umwelthistoriker ist und darum gut erklären kann, wie klimatische Veränderungen einige entscheidende Entwicklungen und Momente in der Geschichte des Reiches bestimmten. Andere Einflüsse auf Politik und Gesellschaft wie etwa die Religion kommen dafür leider etwas zu kurz, bedauert Kilb, was wohl am Serienformat und dem vorbestimmten Umfang liege. Einen Sympathiepunkt vergibt der Rezensent noch für die unterhaltsamen Anekdoten, die der Autor hie und da einstreut, zum Beispiel über die Erfindung des Schnitzels durch eine byzantinische Prinzessin.
© Perlentaucher Medien GmbH
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Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 19.01.2024Imperium zwischen zwei Feuern
Ein Erbstück der Antike an der Nahtstelle
zweier Kontinente: Johannes Preiser-Kapeller erzählt die tausendjährige Geschichte des
Byzantinischen Reiches.
Das Imperium von Byzanz macht der Geschichtswissenschaft aus mehreren Gründen Probleme. Einerseits widerlegt es durch seine schiere Existenz die geläufige Lesart vom Untergang des Römischen Reiches, der vermeintlich im fünften Jahrhundert stattgefunden hat, in Wahrheit aber nur ein Zerfallsprozess des westlichen Reichsteils war. Andererseits ist Byzanz tausend Jahre später dann aber doch untergegangen, was seine Geschichte zu einer zwar abgeschlossenen, aber wegen ihrer langen Dauer äußerst vielgestaltigen, komplizierten und teilweise undurchsichtigen macht. Und schließlich ist das Reich, trotz seines offiziellen Endes im Jahr 1453, so ganz eben doch nicht verschwunden, weil es nicht nur ein politisches, sondern auch ein ideologisches Gebilde war, in dem der Begriff "Rom" für die Idee einer christlich fundierten Weltherrschaft stand. Deshalb ist heute, im Zeitalter eines erneuerten russischen Hegemoniestrebens, im einstigen Zarenreich wieder öfter vom "dritten Rom" die Rede, welches das Erbe des "zweiten Roms" Konstantinopel als Vormacht der orthodoxen Christenheit angetreten habe. Dass die blutige militärische Umsetzung dieses Herrschaftsanspruchs mit christlichen Werten nicht das Geringste zu tun hat, steht dabei auf einem anderen Blatt.
Johannes Preiser-Kapellers "Byzanz" ist in einer Reihe zur Geschichte der Antike erschienen, die sich bislang in Einzelstudien der Entwicklung Griechenlands von der Archaik bis zum Frühchristentum gewidmet hat. Auf den ersten Blick erscheint das Buch des Wiener Historikers darin als Fremdkörper, denn zumindest in unserer Wahrnehmung ist die byzantinische Kultur das genaue Gegenteil der griechisch-antiken. Aber die Selbstwahrnehmung der Byzantiner, auf deren Plätzen und in deren Palästen in Konstantinopel noch jahrhundertelang die Statuen standen, die ihre Vorfahren aus Athen oder Korinth hierher gebracht hatten, war eine andere. Nicht nur Schöngeister, geschichtsschreibende Mönche und gebildete Kaiser zitierten fließend Homer, Thukydides, Aristoteles und andere kanonische Texte des Altertums; und weil sie ihren Staat keineswegs als Überbleibsel, sondern als Neuverkörperung des Reichs von Rom betrachteten, das am Bosporus weiterlebte, nannten sie sich selbst "Rhomäer" - "Römer".
So nennt sie auch Preiser-Kapeller, und darin liegt eine Tugend seines Buches: Es blickt nicht von außen, aus der Perspektive Westeuropas, auf die Geschichte Ostroms, sondern folgt deren eigener Entwicklungslogik. Ein zweiter Vorteil ergibt sich aus der Biographie des Autors, der nicht nur Byzantinist, sondern auch Umwelthistoriker ist und bereits zwei Bände zur Klima- und Pandemiegeschichte der Antike und des Mittelalters veröffentlicht hat. Vor diesem Hintergrund kann er einige Schlüsselmomente im Leben von Byzanz besser erklären - etwa die wundersame Resilienz des Reiches gegenüber dem Ansturm der weit überlegenen arabischen Armeen im siebten und achten Jahrhundert, eine Beharrungskraft, die viel mit der klimabedingten Umstellung der landwirtschaftlichen Produktion von Öl und Wein auf Vieh und Getreide zu tun hatte, weil dadurch nicht nur der Verlust der Kornkammer Ägypten ausgeglichen, sondern der bewegliche Besitz der Bauern auch leichter vor muslimischen Plünderern in Sicherheit gebracht werden konnte.
Drei Jahrhunderte später führte ein ähnlicher Wandel der Umweltbedingungen zum Zusammenbruch der Militärorganisation in den anatolischen Reichsprovinzen, denn das Bevölkerungswachstum infolge des hochmittelalterlichen Klimaoptimums stärkte die Position der Großgrundbesitzer gegenüber den freien Wehrbauern. Die Soldatengüter verschwanden, die ländlichen Milizen wurden durch Söldnertruppen ersetzt, deren Loyalität von der Bezahlung abhing. 1071 wurde bei Manzikert in Ostanatolien ein aus Söldnern und Reichstruppen gemischtes Heer von türkischen Reiterscharen vernichtet, eine Niederlage, von der sich der byzantinische Staat nie mehr vollständig erholte.
Militärische Katastrophen, vom Arabersturm über den Kreuzzug von 1204 bis zur Eroberung Konstantinopels durch die Osmanen, dienen von jeher als Epochenmarker für die Geschichte Ostroms, und auch Preiser-Kapeller kann sich dieser Einteilung nicht entziehen. Indem er die Markierungen ein wenig verschiebt, gewinnt er dennoch Raum für globalhistorische Analysen, die über den Lebenslauf einer Regionalmacht im östlichen Mittelmeer hinausreichen. Durch seine Hauptstadt lag Byzanz von Anfang an im Einflussbereich zweier Kontinente, und oft genug musste es an beiden Fronten kämpfen. Deshalb liegt der Ursprung der modernen Diplomatie, die Matrix einer Außenpolitik der Zweckbündnisse, Geldgeschenke, Militärhilfen und Handelsverträge, in Konstantinopel. Denn um auf einem Schauplatz siegen zu können, musste sich das Reich auf einem anderen den Frieden erkaufen. Dass die Rechnung dennoch nicht immer aufging, zeigt das Beispiel des Reformkaisers Nikephoros, der 811 mit dem Großteil seines Heeres in einem bulgarischen Hinterhalt den Tod fand. Zum Glück für Byzanz war kurz zuvor der Kalif Harun al-Raschid gestorben, sodass das islamische Imperium mit seiner eigenen Staatskrise beschäftigt war. Dafür musste Michael, der Nachfolger des Nikephoros, den fränkischen König Karl ein weiteres Mal als Kaiser anerkennen und damit die reale Zweiteilung Europas diplomatisch ratifizieren. So lag das Reich ständig zwischen zwei Feuern, und selten genug gelang es ihm, beide zugleich zu löschen.
Das Handicap des Historikers Preiser-Kapeller ist das Serienformat, dem er sich unterworfen hat. Weil er sich mit der Hälfte des Platzes begnügen muss, der Johannes Fried vor siebzehn Jahren in seinem bis heute gültigen Überblickswerk zur Verfügung stand, bleibt Preiser-Kapellers Aktualisierung des Byzanzwissens in vieler Hinsicht fragmentarisch. Der überragende Einfluss der Religion sowohl im Alltag wie auch in der Politik der Byzantiner kommt bei ihm zu kurz; den Bilderstreit etwa, der das Reich mehr als ein Jahrhundert lang spaltete, handelt er in wenigen Sätzen ab. Dafür ist er selten um eine Anekdote verlegen. Die kulturellen Beziehungen zwischen Konstantinopel und Asien illustriert er mit der Geschichte eines indischen Kochs, den Kaiser Justinian II. der Witwe eines aufständischen Generals als Gatten aufzwang. Und anlässlich der Eheschließung des Babenberger-Herzogs Heinrich Jasomirgott (1107 bis 1177) mit der byzantinischen Prinzessin Theodora versäumt er nicht zu erwähnen, dass der purpurgeborenen Braut die Einführung des Schnitzels in Österreich zugeschrieben wird. Dies sei "jedoch Legende". Auf jeden Fall ist es gut erfunden. Und so werden wir beim nächsten Biss in ein Wiener Schnitzel unweigerlich an Ostrom denken. ANDREAS KILB
Johannes Preiser-Kapeller: "Byzanz". Das neue Rom und die Welt des Mittelalters.
C.H. Beck Verlag, München 2023. 352 S., Abb., br., 22,- Euro.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Ein Erbstück der Antike an der Nahtstelle
zweier Kontinente: Johannes Preiser-Kapeller erzählt die tausendjährige Geschichte des
Byzantinischen Reiches.
Das Imperium von Byzanz macht der Geschichtswissenschaft aus mehreren Gründen Probleme. Einerseits widerlegt es durch seine schiere Existenz die geläufige Lesart vom Untergang des Römischen Reiches, der vermeintlich im fünften Jahrhundert stattgefunden hat, in Wahrheit aber nur ein Zerfallsprozess des westlichen Reichsteils war. Andererseits ist Byzanz tausend Jahre später dann aber doch untergegangen, was seine Geschichte zu einer zwar abgeschlossenen, aber wegen ihrer langen Dauer äußerst vielgestaltigen, komplizierten und teilweise undurchsichtigen macht. Und schließlich ist das Reich, trotz seines offiziellen Endes im Jahr 1453, so ganz eben doch nicht verschwunden, weil es nicht nur ein politisches, sondern auch ein ideologisches Gebilde war, in dem der Begriff "Rom" für die Idee einer christlich fundierten Weltherrschaft stand. Deshalb ist heute, im Zeitalter eines erneuerten russischen Hegemoniestrebens, im einstigen Zarenreich wieder öfter vom "dritten Rom" die Rede, welches das Erbe des "zweiten Roms" Konstantinopel als Vormacht der orthodoxen Christenheit angetreten habe. Dass die blutige militärische Umsetzung dieses Herrschaftsanspruchs mit christlichen Werten nicht das Geringste zu tun hat, steht dabei auf einem anderen Blatt.
Johannes Preiser-Kapellers "Byzanz" ist in einer Reihe zur Geschichte der Antike erschienen, die sich bislang in Einzelstudien der Entwicklung Griechenlands von der Archaik bis zum Frühchristentum gewidmet hat. Auf den ersten Blick erscheint das Buch des Wiener Historikers darin als Fremdkörper, denn zumindest in unserer Wahrnehmung ist die byzantinische Kultur das genaue Gegenteil der griechisch-antiken. Aber die Selbstwahrnehmung der Byzantiner, auf deren Plätzen und in deren Palästen in Konstantinopel noch jahrhundertelang die Statuen standen, die ihre Vorfahren aus Athen oder Korinth hierher gebracht hatten, war eine andere. Nicht nur Schöngeister, geschichtsschreibende Mönche und gebildete Kaiser zitierten fließend Homer, Thukydides, Aristoteles und andere kanonische Texte des Altertums; und weil sie ihren Staat keineswegs als Überbleibsel, sondern als Neuverkörperung des Reichs von Rom betrachteten, das am Bosporus weiterlebte, nannten sie sich selbst "Rhomäer" - "Römer".
So nennt sie auch Preiser-Kapeller, und darin liegt eine Tugend seines Buches: Es blickt nicht von außen, aus der Perspektive Westeuropas, auf die Geschichte Ostroms, sondern folgt deren eigener Entwicklungslogik. Ein zweiter Vorteil ergibt sich aus der Biographie des Autors, der nicht nur Byzantinist, sondern auch Umwelthistoriker ist und bereits zwei Bände zur Klima- und Pandemiegeschichte der Antike und des Mittelalters veröffentlicht hat. Vor diesem Hintergrund kann er einige Schlüsselmomente im Leben von Byzanz besser erklären - etwa die wundersame Resilienz des Reiches gegenüber dem Ansturm der weit überlegenen arabischen Armeen im siebten und achten Jahrhundert, eine Beharrungskraft, die viel mit der klimabedingten Umstellung der landwirtschaftlichen Produktion von Öl und Wein auf Vieh und Getreide zu tun hatte, weil dadurch nicht nur der Verlust der Kornkammer Ägypten ausgeglichen, sondern der bewegliche Besitz der Bauern auch leichter vor muslimischen Plünderern in Sicherheit gebracht werden konnte.
Drei Jahrhunderte später führte ein ähnlicher Wandel der Umweltbedingungen zum Zusammenbruch der Militärorganisation in den anatolischen Reichsprovinzen, denn das Bevölkerungswachstum infolge des hochmittelalterlichen Klimaoptimums stärkte die Position der Großgrundbesitzer gegenüber den freien Wehrbauern. Die Soldatengüter verschwanden, die ländlichen Milizen wurden durch Söldnertruppen ersetzt, deren Loyalität von der Bezahlung abhing. 1071 wurde bei Manzikert in Ostanatolien ein aus Söldnern und Reichstruppen gemischtes Heer von türkischen Reiterscharen vernichtet, eine Niederlage, von der sich der byzantinische Staat nie mehr vollständig erholte.
Militärische Katastrophen, vom Arabersturm über den Kreuzzug von 1204 bis zur Eroberung Konstantinopels durch die Osmanen, dienen von jeher als Epochenmarker für die Geschichte Ostroms, und auch Preiser-Kapeller kann sich dieser Einteilung nicht entziehen. Indem er die Markierungen ein wenig verschiebt, gewinnt er dennoch Raum für globalhistorische Analysen, die über den Lebenslauf einer Regionalmacht im östlichen Mittelmeer hinausreichen. Durch seine Hauptstadt lag Byzanz von Anfang an im Einflussbereich zweier Kontinente, und oft genug musste es an beiden Fronten kämpfen. Deshalb liegt der Ursprung der modernen Diplomatie, die Matrix einer Außenpolitik der Zweckbündnisse, Geldgeschenke, Militärhilfen und Handelsverträge, in Konstantinopel. Denn um auf einem Schauplatz siegen zu können, musste sich das Reich auf einem anderen den Frieden erkaufen. Dass die Rechnung dennoch nicht immer aufging, zeigt das Beispiel des Reformkaisers Nikephoros, der 811 mit dem Großteil seines Heeres in einem bulgarischen Hinterhalt den Tod fand. Zum Glück für Byzanz war kurz zuvor der Kalif Harun al-Raschid gestorben, sodass das islamische Imperium mit seiner eigenen Staatskrise beschäftigt war. Dafür musste Michael, der Nachfolger des Nikephoros, den fränkischen König Karl ein weiteres Mal als Kaiser anerkennen und damit die reale Zweiteilung Europas diplomatisch ratifizieren. So lag das Reich ständig zwischen zwei Feuern, und selten genug gelang es ihm, beide zugleich zu löschen.
Das Handicap des Historikers Preiser-Kapeller ist das Serienformat, dem er sich unterworfen hat. Weil er sich mit der Hälfte des Platzes begnügen muss, der Johannes Fried vor siebzehn Jahren in seinem bis heute gültigen Überblickswerk zur Verfügung stand, bleibt Preiser-Kapellers Aktualisierung des Byzanzwissens in vieler Hinsicht fragmentarisch. Der überragende Einfluss der Religion sowohl im Alltag wie auch in der Politik der Byzantiner kommt bei ihm zu kurz; den Bilderstreit etwa, der das Reich mehr als ein Jahrhundert lang spaltete, handelt er in wenigen Sätzen ab. Dafür ist er selten um eine Anekdote verlegen. Die kulturellen Beziehungen zwischen Konstantinopel und Asien illustriert er mit der Geschichte eines indischen Kochs, den Kaiser Justinian II. der Witwe eines aufständischen Generals als Gatten aufzwang. Und anlässlich der Eheschließung des Babenberger-Herzogs Heinrich Jasomirgott (1107 bis 1177) mit der byzantinischen Prinzessin Theodora versäumt er nicht zu erwähnen, dass der purpurgeborenen Braut die Einführung des Schnitzels in Österreich zugeschrieben wird. Dies sei "jedoch Legende". Auf jeden Fall ist es gut erfunden. Und so werden wir beim nächsten Biss in ein Wiener Schnitzel unweigerlich an Ostrom denken. ANDREAS KILB
Johannes Preiser-Kapeller: "Byzanz". Das neue Rom und die Welt des Mittelalters.
C.H. Beck Verlag, München 2023. 352 S., Abb., br., 22,- Euro.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
"Besser lässt sich die Geschichte des griechisch-römischen Altertums nicht erzählen."
WELT am Sonntag, Berthold Seewald
"Blickt nicht von außen, aus der Perspektive Westeuropas, auf die Geschichte Ostroms, sondern folgt deren eigener Entwicklungslogik
Frankfurter Allgemeine Zeitung, Andreas Kilb
"Trotz Niederlagen und Katastrophen gelang es diesem Römischen Reich, sich immer wieder neu zu erfinden ... Johannes Preiser-Kapeller ... beleuchtet in seinem Werk ... die Gründe für diese erstaunliche Widerstandsfähigkeit und korrigiert damit das übliche eurozentrische Untergangsnarrativ."
SonntagsZeitung, Martin Läubli
WELT am Sonntag, Berthold Seewald
"Blickt nicht von außen, aus der Perspektive Westeuropas, auf die Geschichte Ostroms, sondern folgt deren eigener Entwicklungslogik
Frankfurter Allgemeine Zeitung, Andreas Kilb
"Trotz Niederlagen und Katastrophen gelang es diesem Römischen Reich, sich immer wieder neu zu erfinden ... Johannes Preiser-Kapeller ... beleuchtet in seinem Werk ... die Gründe für diese erstaunliche Widerstandsfähigkeit und korrigiert damit das übliche eurozentrische Untergangsnarrativ."
SonntagsZeitung, Martin Läubli