Im Ergänzungsband zu den zwei Bänden von 'Mysterium Coniunctionis' ediert und kommentiert Jungs Schülerin Marie-Louise von Franz einen seltenen alchemistischen Text aus dem Mittelalter, der eine lebendige Anschauung der von C.G. Jung beschriebenen Prozesse vermittelt und zugleich zeigt, wie die alchemistische Symboltradition zum Ausdruck mehr unbewusst geschauter als bewusst gedachter seelischer Inhalte dient. Die Alchemie bot einem Menschen, welcher das Unbewusste als Begriff nicht kannte, dessen Wirklichkeit wohl aber erlebte, eine Möglichkeit, sich mit dieser geheimnisvollen inneren Macht auseinanderzusetzen. Der Text ist weniger chemiegeschichtlich als 'philosophisch' bedeutsam und zeigt, wie sich die Bilder der christlichen Mystik mit denen der Alchemie wechselseitig durchdringen. Die vom Inhalt ausgehende Analyse des Textes ergab, dass sich darin ein Einbruchserlebnis des Unbewussten abbildet, das zu einem deliriösen Zustand des Verfassers führte, der mit Zuständen verglichen werden kann, wie sie empirisch bei Menschen, die dem Tode nahe stehen, beobachtbar sind. Da die Geschichte überliefert, dass Thomas von Aquin in einem Trancezustand starb und in diesem vorher noch das Hohelied deutete, und da die Aurora mit einer Hohelied-Paraphrase endet, musste die handschriftliche Zuweisung des Textes an St. Thomas näher untersucht werden. Die nicht uninteressanten Ergebnisse wurden am Ende des Buches dargestellt. Abgesehen davon zeigt die Kommentierung des Textes, wie die Psychologie C.G. Jungs als Schlüssel dienen kann, um einen chaotisch unverständlichen Text in seinem Sinn zu erschließen. Am bedeutendsten ist wohl an diesem Text das allmähliche Hervortreten einer gottmenschlichen Anthroposgestalt, welche die Ganzwerdung der Seele und das Ziel des Individuationsprozesses symbolisiert.
Hinweis: Dieser Artikel kann nur an eine deutsche Lieferadresse ausgeliefert werden.
Hinweis: Dieser Artikel kann nur an eine deutsche Lieferadresse ausgeliefert werden.