Christian Høgsbjerg is a Teaching Fellow in the Department of History at the University of York. He is the editor of a recent edition of C. L. R. James's play Toussaint Louverture: The Story of the Only Successful Slave Revolt in History, also published by Duke University Press.
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Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 29.07.2014Vom Menschen zum Tier und wieder zurück
Wenn die Freiheit davon abhängt, dass sie einem Herrn einleuchtet, ist sie keine: Die Sklaverei ist keine Fußnote der Geschichte, sondern steht im Zentrum der westlichen Fortschrittserzählung. Neue Bücher belegen, welchen Sprung die Forschung gemacht hat.
Für die neuere Geschichte ist das Thema Sklaverei und Freiheit von zentraler Bedeutung. Und wohl nirgendwo hat es die Historiographie stärker geprägt als in den Vereinigten Staaten. Der inzwischen 87 Jahre alte David Brion Davis, Emeritus an der Yale University, gehört seit Dekaden zu den wichtigsten Stimmen in diesem Bereich. Vor wenigen Monaten erschien "The Problem of Slavery in the Age of Emancipation", der Abschluss eines der herausragenden, hierzulande freilich wenig gewürdigten Monumente der Geschichtswissenschaft und zugleich die Vollendung eines dreibändigen Opus, dessen Fertigstellung nahezu ein halbes Jahrhundert in Anspruch nahm.
Im nordamerikanischen Feuilleton wie in Fachorganen wurde diese Studie in höchsten Tönen gepriesen. Drew Gilpin Faust, Präsidentin der Harvard University und ausgewiesene Fachkennerin, lobte sie etwa in der "New York Review of Books" als Meilenstein und Krönung des Lebenswerkes eines Gelehrten, der die Geschichtsschreibung maßgeblich geprägt habe.
Davis' Trilogie zeichnet sich nicht zuletzt durch seine komparative Perspektive und die Verknüpfung von Geistesgeschichte mit sozial- und politikhistorischen Zugängen aus. Der erste, mit dem Pulitzerpreis ausgezeichnete Band, "The Problem of Slavery in Western Culture", kam 1966 heraus und verwies auf die Ambivalenzen und Widersprüche, welche für die religiösen und philosophischen Debatten über Sklaverei in der westlichen Welt seit der Antike charakteristisch waren. Als bahnbrechend erwies sich Davis' Einsicht, Sklaverei nicht wie bis dahin üblich als Fußnote in einer Fortschrittserzählung der Neuen Welt zu verorten, sondern im Gegenteil den zentralen Platz dieser Institution für die Geschichte der Amerikas zu unterstreichen.
Die zweite Monographie der Trilogie, "The Problem of Slavery in the Age of Revolution, 1770-1823", erschien 1975 und zeigte ebenfalls neue Wege auf. Nicht nur stellte Davis als einer der ersten Historiker die Sklavenrevolution von Saint Domingue (Haiti) nachdrücklich als Schlüsselepisode der Ära heraus. Überdies verknüpfte er den Aufstieg des Abolitionismus mit der Frühphase der industriellen Revolution. Die Verdammung der Sklaverei durch Evangelikale und andere Gruppen hatte, wie Davis darlegte, nicht zuletzt den Effekt, "freie" Lohnarbeit in einer Periode extrem repressiver Arbeitsbedingungen in englischen Fabriken zu legitimieren.
Dabei ging es ihm nicht darum, einen kapitalistischen Plot zu konstruieren, sondern die oft unbeabsichtigten Folgen abolitionistischer Ideologie aufzuzeigen. Vor allem aber betonte er, dass das vergleichsweise rasche Ende der Sklaverei einen der bemerkenswertesten Prozesse der neueren Geschichte darstellte. Selten habe es innerhalb eines ähnlich kurzen Zeitraums eine ähnlich tiefgreifende Diskreditierung einer lange unangefochtenen und ökonomisch florierenden Institution gegeben.
In den nahezu vier Dekaden seit Erscheinen dieses Buches hat sich der Schwerpunkt der Abolitionsforschung mehrfach verschoben. Die Bedeutung des Sklavenwiderstands für das Ende der Sklaverei in Nordamerika, der Karibik und Brasilien wird heute deutlich höher veranschlagt als in früheren Studien. Schwarze Abolitionisten rückten verstärkt in den Fokus der Historiker. Davis, der parallel zu seiner Arbeit am dritten Band zwölf weitere Bücher geschrieben und herausgegeben hat, greift diese neueren Ansätze auf, indem er die Rolle von Schwarzen als historischen Akteuren und Katalysatoren der Emanzipation stärker berücksichtigt als in früheren Arbeiten.
Die atlantische Ökonomie
Im Mittelpunkt seiner Studie stehen die Dehumanisierung der Sklaven und ihre Implikationen für die Abolitionsbewegung und die Möglichkeiten der Emanzipation. Das Buch, das die Zeitspanne von den 1780er bis zu den 1880er Jahren umfasst, ist dabei weniger umfassend angelegt als seine Vorgänger. Der Autor selbst charakterisiert es als "höchst selektiv". Regional konzentriert es sich ausschließlich auf die Vereinigten Staaten und Großbritannien und blendet das Ende der Sklaverei etwa in Kuba und Brasilien aus. Davis geht es weniger um eine möglichst vollständige Darstellung der Abolition im neunzehnten Jahrhundert als um die Reflexion einiger für die Sklaverei-Debatte zentraler Fragen.
Dazu gehört, dass Sklaven in den Amerikas im wahrsten Sinne des Wortes "wie Tiere" behandelt wurden. In legaler Hinsicht waren sie zu Vieh reduziert, ohne Rechte und eigenen Willen. Disziplinierung und Strafe erfuhren sie mittels Peitschen und Ketten. Der Autor interessiert sich jedoch nur bedingt für die rechtliche oder physische Behandlung der Sklaven. Ihm ist es zuvörderst darum zu tun, die psychologischen Implikationen dieser "Animalisierung" sowohl für die Schwarzen als auch für die Weißen nachzuvollziehen. In diesem Zusammenhang unternimmt er wenig überzeugende Ausflüge in die Erklärungswelten des Freudianismus, kann aber zeigen, dass Weiße ihre Selbstsicht als rational und selbstdiszipliniert bestärkten, indem sie Sklaven als Tiere beschrieben und behandelten.
Vorzügliche Ausführungen bietet Davis zur ambivalenten Position von freien Schwarzen in der Abolitionsbewegung, zur Kolonisierungsbewegung ehemaliger Sklaven in Afrika, zum profunden Einfluss der haitianischen Revolution auf die Sklavereiregimes in den Amerikas, zur politischen Wirkung der weitverbreiteten Flucht von Sklaven in den Vereinigten Staaten sowie zur Bedeutung der britischen Abolitionsbewegung in der atlantischen Welt. Der Autor macht sich keine Illusionen über die Zwiespältigkeit des Kreuzzugs gegen die Sklaverei und über die Fortdauer von Rassismus nach dem formellen Ende der Institution. Er warnt jedoch eindringlich davor, das Projekt der Beendigung von Sklaverei kleinzureden, und insistiert, die Emanzipation von Sklaven in der westlichen Hemisphäre sei eine der größten Errungenschaften in der Menschheitsgeschichte gewesen.
Afrika, über viele Jahrhunderte der Sklavenlieferant, kommt in Davis' Studie lediglich im Kontext der Kolonisierungsbewegung vor. Die in den vergangenen Jahrzehnten beständig gewachsene Forschungsliteratur zur afrikanischen Seite des transatlantischen Sklavenhandels stellte heraus, dass zumindest afrikanische Herrscher beim Handel mit Menschen keine passiven und hilflosen Opfer waren, sondern nicht selten kreative Teilnehmer bei der Schaffung einer atlantischen Ökonomie. Am Beispiel von Annamaboe, im achtzehnten Jahrhundert einer der wichtigsten Sklavenhäfen an der westafrikanischen Goldküste, zeigt Randy J. Sparks auf beeindruckender Quellengrundlage, wie lokale afrikanische Herrscher und Kaufleute durch den Handel mit Mais, Gold und vor allem Sklaven zu zentralen Akteuren der atlantischen Welt wurden und ihre Stadt zu einem reichen, unabhängigen und mächtigen kommerziellen Zentrum ausbauten.
Sparks legt die Strategien dar, mit denen die afrikanische Elite ihre Position im Handel zu festigen suchte. Zu den Maßnahmen zählten etwa Hochzeiten zwischen Europäern und Afrikanerinnen sowie die Entsendung der Söhne von prominenten Führern zur Ausbildung nach London oder Paris. Diese Söhne sollten freilich vor allem als Informanten fungieren. Schließlich arrangierten die afrikanischen Oberen immer wieder höchst formelle Treffen, in denen Streitigkeiten zwischen ihnen und den europäischen Händlern beigelegt wurden. Die Abolition beendete die herausgehobene Position Annamaboes und die Handlungsspielräume seiner Eliten.
Die Schwarzen Jakobiner
Der Verweis auf die Tatsache, dass der Sklavenhandel nur mit Beteiligung afrikanischer Helfer möglich war, führte in der Vergangenheit wiederholt zu heftigen Reaktionen. Dies musste der französische Historiker Olivier Grenouilleau erfahren, der diese Feststellung in seinem vor zehn Jahren publizierten preisgekrönten Buch "Les Traites négrières" gemacht hatte und daraufhin von einer Vereinigung karibischer Intellektueller vor dem Zivilgericht in Paris verklagt und als dreister Geschichtsfälscher diffamiert wurde. Die Kläger blieben erfolglos, Grenouilleau ließ sich nicht beirren und legte in den vergangenen Jahren eine Reihe umfassender Studien zum Thema vor.
Soeben erschien "Qu'est-ce que l'esclavage?", ein umfassender und sehr gelehrter Versuch, Schneisen durch das definitorische Dickicht zu schlagen, das den Begriff der Sklaverei umgibt. Der Autor betont am Ende seiner Tour d'horizon drei Kriterien: Erstens werde ein Sklave zu einem "radikal Anderen" ohne verwandtschaftliche Bindungen transformiert; zweitens sei er Besitz seines Herrn; drittens könne ein Sklave in jedem Tätigkeitsbereich eingesetzt werden, von der Plantagenarbeit bis zum höchsten administrativen Amt.
Der Revolution der Sklaven von Haiti kommt, wie etwa Davis in seinen Büchern immer wieder hervorgehoben hat, in der Globalgeschichte der Sklaverei eine große Bedeutung zu, und er entfaltete sowohl auf Zeitgenossen als auch auf spätere Generationen von afrikanischen und karibischen Intellektuellen und Nationalisten beträchtliche Ausstrahlungskraft. Der auf der britischen Karibikinsel Trinidad geborene Journalist, Schriftsteller und politische Aktivist C. L. R. James (1901 bis 1989) setzte den revoltierenden Sklaven mit seinem 1938 publizierten Buch "Black Jacobins" ein Denkmal.
Seinerzeit vor allem als politisches Manifest eines Antiimperialisten gedeutet, gilt das Werk heute als historiographischer Meilenstein, der erstmals eine, ohne es so zu nennen, "atlantische Perspektive" auf die Geschichte von Sklavenhandel und Sklaverei entwickelte und eng mit der Geschichte des Kapitalismus verknüpfte. Das Erscheinen von "Black Jacobins" stand am Ende von James' mehrjährigem Aufenthalt in Großbritannien, dem Christian Høgsbjerg eine instruktive Darstellung gewidmet hat.
Er zeichnet den radikalisierenden Effekt dieser Jahre auf die politischen und intellektuellen Perspektiven des bekennenden Cricketfans James nach und rekonstruiert die panafrikanischen und antikolonialen Milieus, in denen er sich bewegte. Auf diese Weise ist das faszinierende Porträt eines karibischen Intellektuellen entstanden, dessen von der etablierten Forschung lange ignoriertes Buch viele Einsichten formulierte, die in der Sklavereiforschung weiterhin von Belang sind.
ANDREAS ECKERT
David Brion Davis: "The Problem of Slavery in the Age of Emancipation". Alfred A. Knopf, New York 2014. 440 S., geb., 21,80 [Euro].
Randy J. Sparks: "Where the Negroes are Masters". An African Port in the Era of the Slave Trade.
Harvard University Press, Cambridge/Ma. und London 2014.309 S., geb., 22,30 [Euro].
Olivier Grenouilleau: "Qu'est-ce que l'esclavage?". Une histoire globale. Éditions Gallimard, Paris 2014. 407 S., br., 22,50 [Euro].
Christian Høgsbjerg: "C. L. R. James in Imperial Britain". Duke University Press, Durham/NC und London 2014. 310 S., br., 18,60 [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Wenn die Freiheit davon abhängt, dass sie einem Herrn einleuchtet, ist sie keine: Die Sklaverei ist keine Fußnote der Geschichte, sondern steht im Zentrum der westlichen Fortschrittserzählung. Neue Bücher belegen, welchen Sprung die Forschung gemacht hat.
Für die neuere Geschichte ist das Thema Sklaverei und Freiheit von zentraler Bedeutung. Und wohl nirgendwo hat es die Historiographie stärker geprägt als in den Vereinigten Staaten. Der inzwischen 87 Jahre alte David Brion Davis, Emeritus an der Yale University, gehört seit Dekaden zu den wichtigsten Stimmen in diesem Bereich. Vor wenigen Monaten erschien "The Problem of Slavery in the Age of Emancipation", der Abschluss eines der herausragenden, hierzulande freilich wenig gewürdigten Monumente der Geschichtswissenschaft und zugleich die Vollendung eines dreibändigen Opus, dessen Fertigstellung nahezu ein halbes Jahrhundert in Anspruch nahm.
Im nordamerikanischen Feuilleton wie in Fachorganen wurde diese Studie in höchsten Tönen gepriesen. Drew Gilpin Faust, Präsidentin der Harvard University und ausgewiesene Fachkennerin, lobte sie etwa in der "New York Review of Books" als Meilenstein und Krönung des Lebenswerkes eines Gelehrten, der die Geschichtsschreibung maßgeblich geprägt habe.
Davis' Trilogie zeichnet sich nicht zuletzt durch seine komparative Perspektive und die Verknüpfung von Geistesgeschichte mit sozial- und politikhistorischen Zugängen aus. Der erste, mit dem Pulitzerpreis ausgezeichnete Band, "The Problem of Slavery in Western Culture", kam 1966 heraus und verwies auf die Ambivalenzen und Widersprüche, welche für die religiösen und philosophischen Debatten über Sklaverei in der westlichen Welt seit der Antike charakteristisch waren. Als bahnbrechend erwies sich Davis' Einsicht, Sklaverei nicht wie bis dahin üblich als Fußnote in einer Fortschrittserzählung der Neuen Welt zu verorten, sondern im Gegenteil den zentralen Platz dieser Institution für die Geschichte der Amerikas zu unterstreichen.
Die zweite Monographie der Trilogie, "The Problem of Slavery in the Age of Revolution, 1770-1823", erschien 1975 und zeigte ebenfalls neue Wege auf. Nicht nur stellte Davis als einer der ersten Historiker die Sklavenrevolution von Saint Domingue (Haiti) nachdrücklich als Schlüsselepisode der Ära heraus. Überdies verknüpfte er den Aufstieg des Abolitionismus mit der Frühphase der industriellen Revolution. Die Verdammung der Sklaverei durch Evangelikale und andere Gruppen hatte, wie Davis darlegte, nicht zuletzt den Effekt, "freie" Lohnarbeit in einer Periode extrem repressiver Arbeitsbedingungen in englischen Fabriken zu legitimieren.
Dabei ging es ihm nicht darum, einen kapitalistischen Plot zu konstruieren, sondern die oft unbeabsichtigten Folgen abolitionistischer Ideologie aufzuzeigen. Vor allem aber betonte er, dass das vergleichsweise rasche Ende der Sklaverei einen der bemerkenswertesten Prozesse der neueren Geschichte darstellte. Selten habe es innerhalb eines ähnlich kurzen Zeitraums eine ähnlich tiefgreifende Diskreditierung einer lange unangefochtenen und ökonomisch florierenden Institution gegeben.
In den nahezu vier Dekaden seit Erscheinen dieses Buches hat sich der Schwerpunkt der Abolitionsforschung mehrfach verschoben. Die Bedeutung des Sklavenwiderstands für das Ende der Sklaverei in Nordamerika, der Karibik und Brasilien wird heute deutlich höher veranschlagt als in früheren Studien. Schwarze Abolitionisten rückten verstärkt in den Fokus der Historiker. Davis, der parallel zu seiner Arbeit am dritten Band zwölf weitere Bücher geschrieben und herausgegeben hat, greift diese neueren Ansätze auf, indem er die Rolle von Schwarzen als historischen Akteuren und Katalysatoren der Emanzipation stärker berücksichtigt als in früheren Arbeiten.
Die atlantische Ökonomie
Im Mittelpunkt seiner Studie stehen die Dehumanisierung der Sklaven und ihre Implikationen für die Abolitionsbewegung und die Möglichkeiten der Emanzipation. Das Buch, das die Zeitspanne von den 1780er bis zu den 1880er Jahren umfasst, ist dabei weniger umfassend angelegt als seine Vorgänger. Der Autor selbst charakterisiert es als "höchst selektiv". Regional konzentriert es sich ausschließlich auf die Vereinigten Staaten und Großbritannien und blendet das Ende der Sklaverei etwa in Kuba und Brasilien aus. Davis geht es weniger um eine möglichst vollständige Darstellung der Abolition im neunzehnten Jahrhundert als um die Reflexion einiger für die Sklaverei-Debatte zentraler Fragen.
Dazu gehört, dass Sklaven in den Amerikas im wahrsten Sinne des Wortes "wie Tiere" behandelt wurden. In legaler Hinsicht waren sie zu Vieh reduziert, ohne Rechte und eigenen Willen. Disziplinierung und Strafe erfuhren sie mittels Peitschen und Ketten. Der Autor interessiert sich jedoch nur bedingt für die rechtliche oder physische Behandlung der Sklaven. Ihm ist es zuvörderst darum zu tun, die psychologischen Implikationen dieser "Animalisierung" sowohl für die Schwarzen als auch für die Weißen nachzuvollziehen. In diesem Zusammenhang unternimmt er wenig überzeugende Ausflüge in die Erklärungswelten des Freudianismus, kann aber zeigen, dass Weiße ihre Selbstsicht als rational und selbstdiszipliniert bestärkten, indem sie Sklaven als Tiere beschrieben und behandelten.
Vorzügliche Ausführungen bietet Davis zur ambivalenten Position von freien Schwarzen in der Abolitionsbewegung, zur Kolonisierungsbewegung ehemaliger Sklaven in Afrika, zum profunden Einfluss der haitianischen Revolution auf die Sklavereiregimes in den Amerikas, zur politischen Wirkung der weitverbreiteten Flucht von Sklaven in den Vereinigten Staaten sowie zur Bedeutung der britischen Abolitionsbewegung in der atlantischen Welt. Der Autor macht sich keine Illusionen über die Zwiespältigkeit des Kreuzzugs gegen die Sklaverei und über die Fortdauer von Rassismus nach dem formellen Ende der Institution. Er warnt jedoch eindringlich davor, das Projekt der Beendigung von Sklaverei kleinzureden, und insistiert, die Emanzipation von Sklaven in der westlichen Hemisphäre sei eine der größten Errungenschaften in der Menschheitsgeschichte gewesen.
Afrika, über viele Jahrhunderte der Sklavenlieferant, kommt in Davis' Studie lediglich im Kontext der Kolonisierungsbewegung vor. Die in den vergangenen Jahrzehnten beständig gewachsene Forschungsliteratur zur afrikanischen Seite des transatlantischen Sklavenhandels stellte heraus, dass zumindest afrikanische Herrscher beim Handel mit Menschen keine passiven und hilflosen Opfer waren, sondern nicht selten kreative Teilnehmer bei der Schaffung einer atlantischen Ökonomie. Am Beispiel von Annamaboe, im achtzehnten Jahrhundert einer der wichtigsten Sklavenhäfen an der westafrikanischen Goldküste, zeigt Randy J. Sparks auf beeindruckender Quellengrundlage, wie lokale afrikanische Herrscher und Kaufleute durch den Handel mit Mais, Gold und vor allem Sklaven zu zentralen Akteuren der atlantischen Welt wurden und ihre Stadt zu einem reichen, unabhängigen und mächtigen kommerziellen Zentrum ausbauten.
Sparks legt die Strategien dar, mit denen die afrikanische Elite ihre Position im Handel zu festigen suchte. Zu den Maßnahmen zählten etwa Hochzeiten zwischen Europäern und Afrikanerinnen sowie die Entsendung der Söhne von prominenten Führern zur Ausbildung nach London oder Paris. Diese Söhne sollten freilich vor allem als Informanten fungieren. Schließlich arrangierten die afrikanischen Oberen immer wieder höchst formelle Treffen, in denen Streitigkeiten zwischen ihnen und den europäischen Händlern beigelegt wurden. Die Abolition beendete die herausgehobene Position Annamaboes und die Handlungsspielräume seiner Eliten.
Die Schwarzen Jakobiner
Der Verweis auf die Tatsache, dass der Sklavenhandel nur mit Beteiligung afrikanischer Helfer möglich war, führte in der Vergangenheit wiederholt zu heftigen Reaktionen. Dies musste der französische Historiker Olivier Grenouilleau erfahren, der diese Feststellung in seinem vor zehn Jahren publizierten preisgekrönten Buch "Les Traites négrières" gemacht hatte und daraufhin von einer Vereinigung karibischer Intellektueller vor dem Zivilgericht in Paris verklagt und als dreister Geschichtsfälscher diffamiert wurde. Die Kläger blieben erfolglos, Grenouilleau ließ sich nicht beirren und legte in den vergangenen Jahren eine Reihe umfassender Studien zum Thema vor.
Soeben erschien "Qu'est-ce que l'esclavage?", ein umfassender und sehr gelehrter Versuch, Schneisen durch das definitorische Dickicht zu schlagen, das den Begriff der Sklaverei umgibt. Der Autor betont am Ende seiner Tour d'horizon drei Kriterien: Erstens werde ein Sklave zu einem "radikal Anderen" ohne verwandtschaftliche Bindungen transformiert; zweitens sei er Besitz seines Herrn; drittens könne ein Sklave in jedem Tätigkeitsbereich eingesetzt werden, von der Plantagenarbeit bis zum höchsten administrativen Amt.
Der Revolution der Sklaven von Haiti kommt, wie etwa Davis in seinen Büchern immer wieder hervorgehoben hat, in der Globalgeschichte der Sklaverei eine große Bedeutung zu, und er entfaltete sowohl auf Zeitgenossen als auch auf spätere Generationen von afrikanischen und karibischen Intellektuellen und Nationalisten beträchtliche Ausstrahlungskraft. Der auf der britischen Karibikinsel Trinidad geborene Journalist, Schriftsteller und politische Aktivist C. L. R. James (1901 bis 1989) setzte den revoltierenden Sklaven mit seinem 1938 publizierten Buch "Black Jacobins" ein Denkmal.
Seinerzeit vor allem als politisches Manifest eines Antiimperialisten gedeutet, gilt das Werk heute als historiographischer Meilenstein, der erstmals eine, ohne es so zu nennen, "atlantische Perspektive" auf die Geschichte von Sklavenhandel und Sklaverei entwickelte und eng mit der Geschichte des Kapitalismus verknüpfte. Das Erscheinen von "Black Jacobins" stand am Ende von James' mehrjährigem Aufenthalt in Großbritannien, dem Christian Høgsbjerg eine instruktive Darstellung gewidmet hat.
Er zeichnet den radikalisierenden Effekt dieser Jahre auf die politischen und intellektuellen Perspektiven des bekennenden Cricketfans James nach und rekonstruiert die panafrikanischen und antikolonialen Milieus, in denen er sich bewegte. Auf diese Weise ist das faszinierende Porträt eines karibischen Intellektuellen entstanden, dessen von der etablierten Forschung lange ignoriertes Buch viele Einsichten formulierte, die in der Sklavereiforschung weiterhin von Belang sind.
ANDREAS ECKERT
David Brion Davis: "The Problem of Slavery in the Age of Emancipation". Alfred A. Knopf, New York 2014. 440 S., geb., 21,80 [Euro].
Randy J. Sparks: "Where the Negroes are Masters". An African Port in the Era of the Slave Trade.
Harvard University Press, Cambridge/Ma. und London 2014.309 S., geb., 22,30 [Euro].
Olivier Grenouilleau: "Qu'est-ce que l'esclavage?". Une histoire globale. Éditions Gallimard, Paris 2014. 407 S., br., 22,50 [Euro].
Christian Høgsbjerg: "C. L. R. James in Imperial Britain". Duke University Press, Durham/NC und London 2014. 310 S., br., 18,60 [Euro].
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