Die bröckelnde Pracht des architektonischen Erbes Kalkuttas, festgehalten auf prachtvollen Fotografien.
Im Kalkutta des 19. Jahrhunderts bildete sich unter der Herrschaft der British East India Company eine wirtschaftlich potente, indische Elite, die sich in einem oft eklektisch anmutenden Stilmix zwischen traditioneller Mogularchitektur und klassizistischen Elementen die bengalische Variante der Fabrikantenvilla errichtete. Heute sind die einstmals großartigen Villen und Paläste nur ein Schatten ihres früheren Selbst. Es scheint nur noch eine Frage der Zeit zu sein, bis die letzten steinernen Zeugen eines ehemals glanzvollen bengalischen Großbürgertums für immer verschwinden. 21 Fotografiestudenten von der Hochschule für Künste Bremen unter der Leitung von Peter Bialobrzeski haben als »Kolkata Heritage Photo Project« die verschwindende, bröckelnde Pracht dieses unvergleichlichen kulturellen Erbes fotografisch festgehalten.
Im Kalkutta des 19. Jahrhunderts bildete sich unter der Herrschaft der British East India Company eine wirtschaftlich potente, indische Elite, die sich in einem oft eklektisch anmutenden Stilmix zwischen traditioneller Mogularchitektur und klassizistischen Elementen die bengalische Variante der Fabrikantenvilla errichtete. Heute sind die einstmals großartigen Villen und Paläste nur ein Schatten ihres früheren Selbst. Es scheint nur noch eine Frage der Zeit zu sein, bis die letzten steinernen Zeugen eines ehemals glanzvollen bengalischen Großbürgertums für immer verschwinden. 21 Fotografiestudenten von der Hochschule für Künste Bremen unter der Leitung von Peter Bialobrzeski haben als »Kolkata Heritage Photo Project« die verschwindende, bröckelnde Pracht dieses unvergleichlichen kulturellen Erbes fotografisch festgehalten.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 04.05.2008NEUES REISEBUCH
Für den Tisch Sechs korinthische Säulen überragen die schmale Straße und tragen einen prachtvollen Giebel. Davor kauern Straßenhändler auf dem Boden, ihre Ware nur notdürftig durch eine Plastikplane geschützt. Passanten eilen vorbei, ohne der Fassade Beachtung zu schenken. Was wie ein griechischer Tempel wirkt, ist eine riesige Stadtvilla im indischen Kalkutta. Die Anwohner nennen sie "Tagore Palace", weil hier früher ein Zweig der berühmten Tagore-Familie residierte. Deren prominentestes Mitglied, Rabindranath Tagore, erhielt 1913 den Literaturnobelpreis.
Der Familienpalast ist nur eine von vielen Stadtvillen, die im Umkreis der Chitpur Road verstreut liegen. Kalkuttas älteste Straße verläuft parallel zum Hooghly-Fluss im Norden der Megacity. In diesem Viertel lebten einst die Babus, bengalische Kaufleute, die während der Kolonialzeit durch den Handel im britischen Empire immens reich geworden waren - und diesen Reichtum auch zur Schau stellten. Wie etwa Raja Rajendra Mullik, der für seine Residenz an der P. K. Tagore Street neunzig Sorten von Marmor verwendet haben soll und seinen Spiegelsaal mit einem originalen Rubensbild zierte. Doch von der Pracht ist sechzig Jahre nach der Unabhängigkeit Indiens nur wenig geblieben. Wo einst Bankette und Konzerte stattfanden, lagern heute Stoffballen und Alteisen. In einer der Villen ist eine Polizeistation untergebracht, nicht wenige der Nachfahren sind weggezogen oder verarmt. Vielen Bauten droht der Abriss, da seit einigen Jahren in der 15-Millionen-Metropole die Grundstückspreise explodieren. "Es scheint nur noch eine Frage der Zeit zu sein, bis die letzten steinernen Zeugen eines ehemals glanzvollen bengalischen Großbürgertums für immer verschwinden", schreibt Peter Bialobrzeski in seinem Vorwort zu dem Bildband "Calcutta. Chitpur Road Neighborhoods".
Das Buch ist das Ergebnis des "Kolkata Heritage Photo Project", das der Bremer Professor für Fotografie zusammen mit Studenten realisierte. Unter Anleitung des Denkmalschützers Manish Chakraborti und der Architektin Kamalika Bose fotografierten die Absolventen mit der Großbildkamera mehrere Dutzend alte Stadtvillen. Dabei ging es nicht darum, die bröckelnde Pracht festzuhalten, sondern auch das brodelnde Straßenleben einzubeziehen. Daher wirken die 74 in dem Buch abgedruckten Farbfotos wie melancholische Momentaufnahmen, in denen Glanz und Verfall, Pracht und Elend, Gegenwart und Vergangenheit eng beieinanderliegen. Bialobrzeskis Studenten ist es gelungen, den hinter Teestuben und Banyan-Bäumen versteckten architektonischen Reichtum Kalkuttas aufzudecken. Hoffentlich bringen die korinthischen Säulen des "Tagore Palace" eines Tages auch die Einheimischen zum Staunen - bevor es zu spät ist.
MARTIN H. PETRICH
Peter Bialobrzeski (Hg.): "Calcutta. Chitpur Road Neighborhoods", Hatje-Cantz-Verlag 2007, 144 Seiten, 74 Farbfotos, Texte von Florian Hanig und Manish Chakraborti, 39,80 Euro
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Für den Tisch Sechs korinthische Säulen überragen die schmale Straße und tragen einen prachtvollen Giebel. Davor kauern Straßenhändler auf dem Boden, ihre Ware nur notdürftig durch eine Plastikplane geschützt. Passanten eilen vorbei, ohne der Fassade Beachtung zu schenken. Was wie ein griechischer Tempel wirkt, ist eine riesige Stadtvilla im indischen Kalkutta. Die Anwohner nennen sie "Tagore Palace", weil hier früher ein Zweig der berühmten Tagore-Familie residierte. Deren prominentestes Mitglied, Rabindranath Tagore, erhielt 1913 den Literaturnobelpreis.
Der Familienpalast ist nur eine von vielen Stadtvillen, die im Umkreis der Chitpur Road verstreut liegen. Kalkuttas älteste Straße verläuft parallel zum Hooghly-Fluss im Norden der Megacity. In diesem Viertel lebten einst die Babus, bengalische Kaufleute, die während der Kolonialzeit durch den Handel im britischen Empire immens reich geworden waren - und diesen Reichtum auch zur Schau stellten. Wie etwa Raja Rajendra Mullik, der für seine Residenz an der P. K. Tagore Street neunzig Sorten von Marmor verwendet haben soll und seinen Spiegelsaal mit einem originalen Rubensbild zierte. Doch von der Pracht ist sechzig Jahre nach der Unabhängigkeit Indiens nur wenig geblieben. Wo einst Bankette und Konzerte stattfanden, lagern heute Stoffballen und Alteisen. In einer der Villen ist eine Polizeistation untergebracht, nicht wenige der Nachfahren sind weggezogen oder verarmt. Vielen Bauten droht der Abriss, da seit einigen Jahren in der 15-Millionen-Metropole die Grundstückspreise explodieren. "Es scheint nur noch eine Frage der Zeit zu sein, bis die letzten steinernen Zeugen eines ehemals glanzvollen bengalischen Großbürgertums für immer verschwinden", schreibt Peter Bialobrzeski in seinem Vorwort zu dem Bildband "Calcutta. Chitpur Road Neighborhoods".
Das Buch ist das Ergebnis des "Kolkata Heritage Photo Project", das der Bremer Professor für Fotografie zusammen mit Studenten realisierte. Unter Anleitung des Denkmalschützers Manish Chakraborti und der Architektin Kamalika Bose fotografierten die Absolventen mit der Großbildkamera mehrere Dutzend alte Stadtvillen. Dabei ging es nicht darum, die bröckelnde Pracht festzuhalten, sondern auch das brodelnde Straßenleben einzubeziehen. Daher wirken die 74 in dem Buch abgedruckten Farbfotos wie melancholische Momentaufnahmen, in denen Glanz und Verfall, Pracht und Elend, Gegenwart und Vergangenheit eng beieinanderliegen. Bialobrzeskis Studenten ist es gelungen, den hinter Teestuben und Banyan-Bäumen versteckten architektonischen Reichtum Kalkuttas aufzudecken. Hoffentlich bringen die korinthischen Säulen des "Tagore Palace" eines Tages auch die Einheimischen zum Staunen - bevor es zu spät ist.
MARTIN H. PETRICH
Peter Bialobrzeski (Hg.): "Calcutta. Chitpur Road Neighborhoods", Hatje-Cantz-Verlag 2007, 144 Seiten, 74 Farbfotos, Texte von Florian Hanig und Manish Chakraborti, 39,80 Euro
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"Die Bilder der Studenten des Fotografen Peter Bialobrzeski sind das mit Abstand Schönste, was man seit langem aus Indien gesehen hat." Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung
"Ein wunderbares, ungemein detailreiches Fotobuch, in dem Pracht und Armut auf paradoxe Weise ganz eng beieinander liegen. Hommage an eine Architektur, die - da sind sich die Denkmalschützer einig - nur noch wenige Jahrzehnte überleben wird." photoscala
"Eine gelungene, sorgfältige Foto-Dokumentation der historischen Bausubstanz der Chitpur Road, in der Pracht und Armut auf paradoxe Weise ganz eng beieinanderliegen. Eine Hommage an eine Architektur, die nur noch wenige Jahrzehnte überleben wird." deutsche bauzeitung
"Ein wunderbares, ungemein detailreiches Fotobuch, in dem Pracht und Armut auf paradoxe Weise ganz eng beieinander liegen. Hommage an eine Architektur, die - da sind sich die Denkmalschützer einig - nur noch wenige Jahrzehnte überleben wird." photoscala
"Eine gelungene, sorgfältige Foto-Dokumentation der historischen Bausubstanz der Chitpur Road, in der Pracht und Armut auf paradoxe Weise ganz eng beieinanderliegen. Eine Hommage an eine Architektur, die nur noch wenige Jahrzehnte überleben wird." deutsche bauzeitung
Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension
Staunend und bewundert hat Rezensent Alex Rühle diesen Bildband in den Händen gehalten, den Peter Bialobrzeski mit Fotografiestudenten der Hochschule für Künste in Bremen zusammengestellt hat. Festgehalten ist darin jene Pracht Kalkuttas aus dem 18. und 19. Jahrhundert, die im Wettlauf asiatischer Megacities unter die Räder zu kommen droht: In der Chitpur Road Neighbourhood stehen die alten Palästen des wohlhabenden bengalischen Bürgertums, die für den begeisterten Rezensenten "Hybridkultur" in Reinform darstellen: "dorische Säulen unter Pagodendächern, türkische Bäder mit französischen Pilastern". Für Rühle eine Dokumentation des weltweiten architektonischen Reichtums und zugleich seines Verfalls.
© Perlentaucher Medien GmbH
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