Karla Reimerts zweiter Gedichtband "Camp Zenith" verhandelt in einem poetischen Roadmovie, zwei Langzyklen und einem Hybridtext Themen, die seit den 1960er Jahren im Fokus gesellschaftlicher Aufmerksamkeit stehen, und versucht dabei mit Roland Barthes, einen "winzigen Raum der Bejahung" zwischen politisch stark aufgeladenen Begriffen zu schaffen, sie aufeinander zu beziehen: wiedererstarkter Antisemitismus und grassierende Fremdenfeindschaft, die Auswirkungen von Finanzkrise, wirtschaftlicher Globalisierung, Hasskultur im Netz und Verschwörungstheorien, die Vergesellschaftung von Risiken sowie die Auswirkungen einer rigiden Austeritätspolitik, Legitimationskrise der EU und postdemokratische Strukturen, Drohnen-Kriege ohne Einsatz von Soldat_innen, Migrationsbewegungen etc. Was macht all das mit unserer Sprache, wie werden Deutungsmuster neu arrangiert, wie werden unsere Bedürfnisse, Wahrnehmungen und Gefühle verortet, und wie finden wir ein Verhältnis dazu, schwankend zwischen "goodwill" und "passions tristes", also Ängsten, Widerständen, Verdrängung und Verneinung? Welche Neuinterpretationen erfahren die liberalen Glücks-, Freiheits- und Emanzipationsversprechen, mit denen die Protagonist_innen von 1968 aufgebrochen sind, um eine bessere Welt zu schaffen? Obwohl ihre Grundstimmung dunkel ist, setzen Karla Reimerts Gedichte immer wieder zu einer, auchin einem spirituellen Sinne, offenen Annahme des Vorgefundenen an.