Spritzig und frech erzählt Voltaire von Candide, dem "offenherzigen Menschen". Er erfindet die abenteuerlichsten Begebenheiten, die infernalischsten Schrecken, die fantastischsten Verwicklungen, die absurdesten Zufälle und demontiert auf diese Weise gnadenlos die These, dass diese Welt "die beste aller möglichen" (Leibniz) sei. Voltaires berühmte philosophische Erzählung, hier in der glänzenden Übertragung von Stephan Hermlin.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 11.05.19981776
Voltaire - Wezel "Candide" - "Belphegor"
Ein Jubeljahr für Menschenhasser und Liebhaber der Literatur, und das vereinigt sich ja oft, ein wundervolles Jahr für diese also, dieses Jahr 1776, fast, als wären Pest und Cholera gemeinsam ausgebrochen. In Frankreich war im Jahre 57, aus der Feder des großen Voltaire (der, fast zweiundachtzigjährig, tatsächlich noch lebte), "Candide" erschienen, das lakonischste und brillanteste Buch zur Heilung aller, die immer noch glaubten, es sei Vernunft in der Welt außer in solchen Romanen - und dieses Buch erschien jetzt, 1776, erstmals deutsch, übersetzt und in Riga herausgebracht von einem gewissen Philippi, der sich als Übersetzer Ralph nennt. Und im selben Jahr, und der Autor war erst elf, als Voltaires Buch in Frankreich erschien, kommt, gleich auf deutsch, ganz original, "Belphegor" heraus, von Johann Karl Wezel, der wenige Jahre danach dann "Herrmann und Ulrike" herausbrachte. Sicher kannte Wezel Voltaire, er hat selber auch aus dem Französischen übersetzt, Theaterstücke. Aber Voltaire, als er seinen Candide durch die vernunftlose Welt schickt, war alt, häßlich und entsetzlich abgebrüht; Wezel, Sohn eines fürstlichen Kochs und wer weiß wessen noch, war jung, und schöner sicher - keine Kunst das aber auch - als Voltaire, und eher verzweifelt als abgebrüht, und das heißt, nicht ganz und gar ohne Hoffnung auf Besserung - aber wer auf Besserung hofft, der schiebt ja einen wenigstens halben Haß nur noch ein bißchen auf. Einmal hören sie hinter undurchsichtigen Hecken in Wezels Roman herrliche Musik, aber sie kommen nie dorthin, wo sie spielen müßte und das Glück wäre. Bei Voltaire hat am Ende Candide seine westfälische Kunigunde gefunden, sie ist nicht mehr ganz frisch, aber er ist ihr durch die halbe Welt nachgejagt, nun nimmt er sie eben, wie sie ist, und sie werden nun ihren kleinen Garten bebauen; die Welt hat sie beide belehrt. Den Belphegor Wezels tritt am Anfang seine Geliebte in den Hintern, so beginnt seine Reise durch die Welt, sein Freund Medardus bleibt ewig einfältig fromm (E.T.A. Hoffmanns "Elixiere des Teufels" der so wunderbar zweideutige Held heißt auch Medardus), die tretende Liebste hat längst einer umgebracht, mit Recht wohl, man hätte das viel früher tun sollen, sagt Belphegor, bebaut ein bißchen Land, sogar ein paar schwarze Sklaven hat er, aber das gibt ja auch zu denken - also nun entscheiden Sie: wer wären Sie lieber? Und wer hat den Menschen mehr geliebt? (Voltaire: "Candide oder der Optimismus". Mit Zeichnungen von Paul Klee. Insel Verlag, Frankfurt am Main 1972. 192 S., br., 14,80 DM; Wezels Buch, früher ebenfalls bei Insel, ist nicht mehr im Handel.) R.V.
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Voltaire - Wezel "Candide" - "Belphegor"
Ein Jubeljahr für Menschenhasser und Liebhaber der Literatur, und das vereinigt sich ja oft, ein wundervolles Jahr für diese also, dieses Jahr 1776, fast, als wären Pest und Cholera gemeinsam ausgebrochen. In Frankreich war im Jahre 57, aus der Feder des großen Voltaire (der, fast zweiundachtzigjährig, tatsächlich noch lebte), "Candide" erschienen, das lakonischste und brillanteste Buch zur Heilung aller, die immer noch glaubten, es sei Vernunft in der Welt außer in solchen Romanen - und dieses Buch erschien jetzt, 1776, erstmals deutsch, übersetzt und in Riga herausgebracht von einem gewissen Philippi, der sich als Übersetzer Ralph nennt. Und im selben Jahr, und der Autor war erst elf, als Voltaires Buch in Frankreich erschien, kommt, gleich auf deutsch, ganz original, "Belphegor" heraus, von Johann Karl Wezel, der wenige Jahre danach dann "Herrmann und Ulrike" herausbrachte. Sicher kannte Wezel Voltaire, er hat selber auch aus dem Französischen übersetzt, Theaterstücke. Aber Voltaire, als er seinen Candide durch die vernunftlose Welt schickt, war alt, häßlich und entsetzlich abgebrüht; Wezel, Sohn eines fürstlichen Kochs und wer weiß wessen noch, war jung, und schöner sicher - keine Kunst das aber auch - als Voltaire, und eher verzweifelt als abgebrüht, und das heißt, nicht ganz und gar ohne Hoffnung auf Besserung - aber wer auf Besserung hofft, der schiebt ja einen wenigstens halben Haß nur noch ein bißchen auf. Einmal hören sie hinter undurchsichtigen Hecken in Wezels Roman herrliche Musik, aber sie kommen nie dorthin, wo sie spielen müßte und das Glück wäre. Bei Voltaire hat am Ende Candide seine westfälische Kunigunde gefunden, sie ist nicht mehr ganz frisch, aber er ist ihr durch die halbe Welt nachgejagt, nun nimmt er sie eben, wie sie ist, und sie werden nun ihren kleinen Garten bebauen; die Welt hat sie beide belehrt. Den Belphegor Wezels tritt am Anfang seine Geliebte in den Hintern, so beginnt seine Reise durch die Welt, sein Freund Medardus bleibt ewig einfältig fromm (E.T.A. Hoffmanns "Elixiere des Teufels" der so wunderbar zweideutige Held heißt auch Medardus), die tretende Liebste hat längst einer umgebracht, mit Recht wohl, man hätte das viel früher tun sollen, sagt Belphegor, bebaut ein bißchen Land, sogar ein paar schwarze Sklaven hat er, aber das gibt ja auch zu denken - also nun entscheiden Sie: wer wären Sie lieber? Und wer hat den Menschen mehr geliebt? (Voltaire: "Candide oder der Optimismus". Mit Zeichnungen von Paul Klee. Insel Verlag, Frankfurt am Main 1972. 192 S., br., 14,80 DM; Wezels Buch, früher ebenfalls bei Insel, ist nicht mehr im Handel.) R.V.
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»Ich halte Sie für das größte Genie, das die Welt hervorgebracht hat.« Friedrich der Große
"Ein ironisches und sarkastisches Meisterwerk der Weltliteratur."
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