Marktplatzangebote
2 Angebote ab € 11,42 €
  • Gebundenes Buch

Als er in der Morgendämmerung auseinem Berliner Club und ans Ufer derSpree tritt, sieht er, zwischen Ästentreibend, die Leiche einer Frau. Stattzur Polizei zu gehen, behält HubertCanitz den Fund für sich. Doch derAnblick verfolgt ihn - und er beschwörtdie Erinnerungan eine Totenmaskeherauf, die während seiner Kindheit imFlur der Eltern hing: die Unbekannte ausder Seine. Als er seine Mutter danachbefragt, bildet sich ein aprikosengroßerhektischerFleck in ihrem Gesicht, nervösweicht sie ihm aus. Getrieben, beginnter über Wasserleichen zu forschen,in der Literatur, Kunst und Geschichte,bis ihm…mehr

Produktbeschreibung
Als er in der Morgendämmerung auseinem Berliner Club und ans Ufer derSpree tritt, sieht er, zwischen Ästentreibend, die Leiche einer Frau. Stattzur Polizei zu gehen, behält HubertCanitz den Fund für sich. Doch derAnblick verfolgt ihn - und er beschwörtdie Erinnerungan eine Totenmaskeherauf, die während seiner Kindheit imFlur der Eltern hing: die Unbekannte ausder Seine. Als er seine Mutter danachbefragt, bildet sich ein aprikosengroßerhektischerFleck in ihrem Gesicht, nervösweicht sie ihm aus. Getrieben, beginnter über Wasserleichen zu forschen,in der Literatur, Kunst und Geschichte,bis ihm etwas dämmert.War nicht dieSchwester seiner Mutter auf der Fluchtaus Westpreußen im Frischen Haffertrunken,in den kalten Monaten desJahres 1945? Liegt hier der Grund fürdas merkwürdige Verhalten der Mutter,für ihr beharrliches Schweigen? Eskommt zu einem dramatischen Richtungswechselin Canitz' Suche, und dieEntdeckung, die er schließlich macht,ist schockierend und befreiend zugleich.In ihrem Debütroman verbindetZora del Buono ein spektakuläres Ereignisdeutscher Geschichte mit einerbewegenden Familiengeschichte -meisterhafterzählt und spannend biszur letzten Seite.
Autorenporträt
Zora del Buono, geboren 1962, wuchs in Zürich auf und lebt seit 1987 in Berlin. Nach ihrem Architekturstudium arbeitete sie mehrere Jahre als Architektin und Bauleiterin, bevor sie sich zu einem Berufswechsel entschloss und mit dem Schreiben begann. Sie ist Gründungsmitglied der Zeitschrift mare und betreut heute im Wechsel mit Martina Wimmer deren Kulturressort. Im mareverlag erschienen ihre Romane »Canitz' Verlangen« (2008) und »Big Sue« (2010), die beide von der Stiftung Buchkunst im Wettbewerb der schönsten deutschen Bücher prämiert wurden. 2011 erschien - ebenfalls bei mare - ihr Reisebuch »Hundert Tage Amerika«.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 21.01.2009

Wasserleichen
Zu tief in die Spree geblickt: Zora del Buonos „Canitz’ Verlangen”
Findet ein schwuler Literaturwissenschaftler am Ufer der Spree eine Wasserleiche. Fällt dem Literaturwissenschaftler ein Wasserleichen-Gedicht ein. Flieht der Literaturwissenschaftler nach Hause, schlägt das Gedicht nach und entscheidet nach einiger weiterer Lektüre freihand, ein Seminar zum Thema abzuhalten. Was in der Zusammenfassung nach einer Klageschrift gegen das deutsche Bildungssystem klingt, gemahnt in Zora del Buonos’ Erzähldebüt „Canitz’ Verlangen” anfangs durchaus an den Stoff, aus dem gute Novellen sind. Knapp und klar seziert del Buono, wie ihr Universitätsdozent vom Recherchieren mehr und mehr ins Stolpern gerät, und das, obwohl er als schwuler Mann sich von Amts wegen nicht über weibliche Wasserleichen zu erhitzen bräuchte.
Dass nämlich die Kulturgeschichte der Wasserleiche nur so strotzt vor männlich-heterosexuellen Verschmelzungsphantasien und Nymphen-Erschreibungen, erfährt Canitz bei seinen schlingernden Untersuchungen am verunsicherten eigenen Leib: „Es schien ihm plausibel, dass Frauen ins Wasser gingen. Er stellte sie sich als gallertartige Wesen vor, die sich auflösten, die reinste Passivität, eins mit dem Element und der Natur, anämisch, entrückt und in ihr Schicksal ergeben.” Unheilig angezogen torkelt Canitz auf seinen Berliner Erkundungen durch ein ganzes Sachbuch von Wasserleichen-Referenzen, vom Schicksal der „Jud Süß”-Schauspielerin und „Reichswasserleiche” Kristina Söderbaum bis hin zum, jawohl, Prozentanteil der weiblichen Suizide durch Ertrinken in der Schweiz – 2005 satte elf Prozent.
Alle Faktenhubereien und Gallertträume aber werden konterkariert durch del Buonos ausgekühlt reduzierte Beobachtungsweise. Canitz’ Gedanken und Handlungen sind so nüchtern abgeschildert, dass zunehmend verschwimmt, wie stark er wirklich Grund unter den Füßen verliert. Für seine diffuse Irritation muss es Ursachen geben, die mehr auf Seiten des Lebens als auf Seiten der Kulturgeschichte liegen. „Das Wiehern der ertrinkenden Pferde vergessen die Leute nie”, raunt Canitz ein Antiquar über die Flüchtlingstrecks während des Zweiten Weltkrieges zu. Canitz’ Mutter hat als junges Mädchen einen ebensolchen Treck mitgemacht, und spätestens an dieser Stelle ist klar, dass an allem einmal mehr die Familie schuld ist.
Die Handlung kulminiert reichlich geballt in einer Art aufgepfropftem Familienroman: Canitz’ Mutter hat ein Leben lang ein dunkles Geheimnis gehütet, das im Massenselbstmord durch Ertrinken Hunderter Frauen aus Angst vor den einmarschierten Sowjettruppen in Demmin im Mai 1945 begründet liegt. Canitz und sein Verlangen verlieren sich in der sperrig getüftelten Konstruktion dieses Familientraumas – und damit weit entfernt von Wasser und Wahn, jener eingangs hypnotisch beschriebenen Entrückung, bei der „die Welt sich entfernt und in den Hintergrund verschwindet und der Mensch nur noch aus diffusen Nebeln und klopfenden Ohrgeräuschen besteht”.FLORIAN KESSLER
ZORA DEL BUONO: Canitz’ Verlangen. Roman. marebuchverlag, Hamburg 2008. 157 Seiten, 18 Euro.
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung exklusiv über www.sz-content.de
…mehr

Perlentaucher-Notiz zur NZZ-Rezension

Über dieses Debüt staunt Angelika Overath nicht schlecht: Spannend und dicht zugleich geschrieben, mit soviel Atmosphäre, dass man immer wieder zurückkehrt zu bestimmten Passagen, auch wenn einen der intelligente Plot vorwärts treibt. Alle Achtung. Worum es geht, beschreibt Overath so: Ein Literaturwissenschaftler entdeckt in der Spree eine Wasserleiche, doch statt die Polizei zu informieren, konsultiert er die Literaturgeschichte von Shakespeare bis Rimbaud, von Seneca bis Benn nach dem "Ophelia-Motiv". Dabei treibt ihn nicht nur, versichert Overath, die "deformation professionelle", sondern auch eine in Vergessenheit geratene Familiengeschichte: Seine Tante soll einst - aus Angst vor der Roten Armee - zusammen mit 900 anderen Frauen im vorpommerschen Demmin ins Wasser gegangen sein. Was Zora del Buono, "ausgewiesene Reporterin" und Mitbegründerin der Zeitschrift "mare", kann, davon hat Overath einen sehr vielversprechenden Eindruck bekommen.

© Perlentaucher Medien GmbH