Elger Esser, 1967 geboren und damit der jüngste Becher-Schüler an der Düsseldorfer Kunstakademie, lädt in seiner neuen Publikation zu einer literarischen Reise auf den Spuren Maupassants und Flauberts ein: In seiner großen, unvollendet gebliebenen Satire auf die menschliche Dummheit, Bouvard und Pécuchet, die 1881, ein Jahr nach seinem Tod, veröffentlicht wurde, schickt Flaubert seine beiden Helden u.a. an die Kanalküste zwischen Le Havre und Fécamp, die sich durch besonders spektakuläre Gesteinsformationen auszeichnet, läßt sie dort in Sachen Geologie dilettieren - und kläglich scheitern. Als Begründer des realistischen Romans gab sich Flaubert für diese Passage nicht mit irgendeinem Küstenabschnitt zufrieden; er wollte einen real existierenden Schauplatz. Also bat er seinen Freund und literarischen Ziehsohn Maupassant, der aus dieser Gegend der Normandie stammte, ihm eine geeignete Stelle vorzuschlagen und im Detail zu beschreiben. Maupassant lieferte ihm das Gewünschte in Worten und sogar Skizzen: den exakten Verlauf der Steilküste zwischen Cap Antifer und Étretat, einschließlich Kommentaren zu ihrer Begehbarkeit bei Ebbe und Flut. 130 Jahre später folgt Elger Esser Maupassants akribischer Beschreibung mit der Großbildkamera. Seine Serie Cap Antifer - Étretat besteht aus 25 großartigen Photographien dieses grandiosen Stücks Natur, das auch von Malern, u.a. Monet, sehr geschätzt wurde. Auszüge aus dem Briefwechsel Flaubert / Maupassant von 1877, die Skizzen Maupassants und ein Essay von Peter Foos begleiten die Bilder.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 27.07.2003NEUE REISEBÜCHER
Für den Tisch. Wir sehen Höhlen, Spalten, wir sehen Felsen, denen die See das Mark abspülte, bis sich ein Eingang auftat ins Innere des Steins. Dies ist die normannische Kanalküste zwischen Cap d'Antifer und Étretat aus den Augen des Fotografen Elger Esser. Eine schaumgeborene Trümmerlandschaft, die Künstler aller Genres anzog - Courbet, Duchamp, auch Gustave Flaubert. Der ließ hier Bouvard und Pécuchet auftreten, Hauptfiguren seines gleichnamigen, nie beendeten Romans. Esser hat sich den beiden an die Fersen geheftet und dem Leser und Betrachter dabei eine Tür geöffnet hinein in die Autorenwerkstatt. Den jungen Guy de Maupassant hatte Flaubert gefragt, wie die Küste beschaffen sei, an der Bouvard und Pécuchet Gesteinsproben nehmen sollten. Maupassant antwortete präzis, wie in Elgers exquisitem Band nachzulesen ist. Zu präzis für Flaubert, stellte sich später heraus; es ging ja nur um Stoff für ein paar Seiten. Elger Esser streckt nun, was Flaubert zur kurzen Szene verdichtete. Keine Aufnahmen des Moments, sondern der Dauer fängt er ein. Fünfzehn reglose, menschenleere Bilder einer der eigenartigsten Gegenden dieser Erde, eines Tatorts der Weltliteratur.
tob.
Elger Esser: Cap d'Antifer - Étretat. Mit Auszügen aus dem Briefwechsel zwischen Flaubert und Maupassant und einem Text von Peter Foos, Verlag Schirmer/Mosel, 40 Seiten, 39,80 Euro.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Für den Tisch. Wir sehen Höhlen, Spalten, wir sehen Felsen, denen die See das Mark abspülte, bis sich ein Eingang auftat ins Innere des Steins. Dies ist die normannische Kanalküste zwischen Cap d'Antifer und Étretat aus den Augen des Fotografen Elger Esser. Eine schaumgeborene Trümmerlandschaft, die Künstler aller Genres anzog - Courbet, Duchamp, auch Gustave Flaubert. Der ließ hier Bouvard und Pécuchet auftreten, Hauptfiguren seines gleichnamigen, nie beendeten Romans. Esser hat sich den beiden an die Fersen geheftet und dem Leser und Betrachter dabei eine Tür geöffnet hinein in die Autorenwerkstatt. Den jungen Guy de Maupassant hatte Flaubert gefragt, wie die Küste beschaffen sei, an der Bouvard und Pécuchet Gesteinsproben nehmen sollten. Maupassant antwortete präzis, wie in Elgers exquisitem Band nachzulesen ist. Zu präzis für Flaubert, stellte sich später heraus; es ging ja nur um Stoff für ein paar Seiten. Elger Esser streckt nun, was Flaubert zur kurzen Szene verdichtete. Keine Aufnahmen des Moments, sondern der Dauer fängt er ein. Fünfzehn reglose, menschenleere Bilder einer der eigenartigsten Gegenden dieser Erde, eines Tatorts der Weltliteratur.
tob.
Elger Esser: Cap d'Antifer - Étretat. Mit Auszügen aus dem Briefwechsel zwischen Flaubert und Maupassant und einem Text von Peter Foos, Verlag Schirmer/Mosel, 40 Seiten, 39,80 Euro.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension
Der Fotoband des Düsseldorfer Fotografen Elger Esser, erfahren wir von Rezensent Thomas Steinfeld, beinhaltet Fotografien einer Landschaft, die vor vielen Jahren ein berühmter Romanautor einem anderen in Worten und Zeichnungen zum Zwecke der literarischen Verarbeitung beschrieben hat: 1877 hatte Gustave Flaubert den jungen Maupassant an die Kanalküste bei Etretat geschickt, um für ihn Landschaftsschilderungen zu liefern, die er bereits im Kopf hatte. Elger stellt diesen Blick nach, aber die fünfzehn Fotografien, die dabei entstanden sind, seien "weniger eine Dokumentation jenes Ausfluges als ein Nachspüren im Wissen um die inzwischen vergangene Zeit", meint Steinfeld.
© Perlentaucher Medien GmbH
© Perlentaucher Medien GmbH