Lola Vasquez ist leicht zu unterschätzen: Sie ist zierlich, eher unscheinbar, kümmert sich liebevoll um ihre Pflegetochter Lucy und hilft ihren bedürftigen Nachbarn oft mit Lebensmitteln oder der Miete aus. Das ist allerdings nur ihre eine Seite: Denn sie ist auch eine rücksichtslose Drogenlady, eine brillante Gang-Leaderin mit einem hohen body count. Das bekamen auch ihre Rivalen zu spüren und ihr Bruder Hector, den sie aus strategischen Gründen in den Knast geschickt hatte. Seit sie ein Bündnis mit der Staatsanwältin Andrea geschlossen hat, die hinter ihrer makellosen Fassade selbst mit Drogen handelt, herrscht Lola über ihr eigenes Gebiet.
Es könnte also alles gut sein. Als aber eine schwangere Frau sie bittet, dafür zu sorgen, dass ihr fieser Ehemann weiter hinter Gittern bleibt, ahnt Lola nicht, dass dieser kleine Gefallen sie in einen weiteren Drogenkrieg führen wird. Und bald muss sie feststellen, dass die größte Gefahr nicht von der konkurrierenden Rivera-Gangausgeht, sondern in ihrer unmittelbaren Nähe lauert: Hector wurde aus dem Gefängnis entlassen, aber kann sie ihm vertrauen? Und auch Andrea hat anscheinend ihre ganz eigene Agenda ... Bald brennt es an allen Ecken und Fronten, und Lola muss all ihre tödlichen Managerqualitäten einsetzen, um das Allerschlimmste zu verhindern und ihre Lieben zu schützen. Koste es, was es wolle.
Es könnte also alles gut sein. Als aber eine schwangere Frau sie bittet, dafür zu sorgen, dass ihr fieser Ehemann weiter hinter Gittern bleibt, ahnt Lola nicht, dass dieser kleine Gefallen sie in einen weiteren Drogenkrieg führen wird. Und bald muss sie feststellen, dass die größte Gefahr nicht von der konkurrierenden Rivera-Gangausgeht, sondern in ihrer unmittelbaren Nähe lauert: Hector wurde aus dem Gefängnis entlassen, aber kann sie ihm vertrauen? Und auch Andrea hat anscheinend ihre ganz eigene Agenda ... Bald brennt es an allen Ecken und Fronten, und Lola muss all ihre tödlichen Managerqualitäten einsetzen, um das Allerschlimmste zu verhindern und ihre Lieben zu schützen. Koste es, was es wolle.
Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
Rezensent Hannes Hintermeier bewundert, wie Melissa Scrivner Love Gesellschaftskritik, Cliffhanger sowie die Muttergefühle und die blutrünstige Kaltschnäuzigkeit ihrer Drogenkartell-Chefin unter einen Hut bringt. Geübt im Crime bietet die Autorin laut Hintermeier Spannung und umgekrempelte Rollenklischees, Action und softe Momente, etwa, wenn restrospektiv das Kindheitstrauma der Heldin aufgearbeitet wird. Für Hintermeier ein routinierter Krimi, der auch den Kitsch nicht scheut.
© Perlentaucher Medien GmbH
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Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 02.11.2020Lola rennt
Weibliche Perspektive II: Melissa Scrivner Love entfesselt einen Drogenkrieg in Los Angeles
Ist jetzt alles genau wie sonst - nur andersherum? Wo einst Finstermänner schmutzige Geschäfte machten, sind im Zuge der Gleichstellung, die auch den Drogenhandel nicht unberührt lässt, Frauen in Führungspositionen gelangt. Im fiktiven Drogenhandel ist es jedenfalls so weit, und dass die Wachablösung nicht nach Schema F verläuft, liegt am Formulierungsvermögen von Melissa Scrivner Love. Nach dem Auftakt "Lola" (deutsch 2019) serviert sie ihren Leserinnen nun die Fortsetzung. Aus dem Originaltitel "American Heroin" wurde deswegen ein zielgruppengerechtes "Capitana".
Lola Vasquez, achtundzwanzig Jahre jung, Latina aus dem Stadtteil Huntington Park im Großraum Los Angeles, steht an der Spitze des Drogenkartells "The Crenshaw Six", nachdem sie ihren Freund im ersten Band zum Tode befördert und die Macht übernommen hat. In ihr steckt beides, "Heldin und Schurkin", rechtsstaatlich betrachtet mehr Schurkin, muss man sagen. Lag es am Vater? Nein, die Mutter war drogensüchtig - Heroin, das Zeug, dessen Verkauf die Tochter jetzt reich macht. Aber die Mutter ist immer noch da, stört die Kreise Lolas, die als liebende Ziehmutter der kleinen Lucy einen Charakterzug offenbart, den man landläufig nicht mit einem Drogenboss assoziiert.
Denn im Berufsleben ist Lola ein Velociraptor, eine Überlebenskünstlerin, die vor keinem Blutbad zurückschreckt und im Kugelhagel noch perfekt funktioniert. Also doch Supergirl in Comic-Manier? Jein, Scrivner Love hat einfach Spaß daran, männliche Stereotype des Genres auf den Kopf zu stellen und Actionszenen mit "soft boiled"-Passagen zu kombinieren. So wie sie gern Lebenswelten aufeinanderkrachen lässt.
Ethnische Grenzlinien, Einkommensgrenzen, Statusfragen, Gang-Hierarchien: verhasste Latinos, überhebliche Weiße, und doch müssen sie zusammenarbeiten. Umgekehrt kennt Lola die Spielregeln der (noch) herrschenden Klasse nicht. Sie weiß nur, dass Bildung Teil der Aufsteigerbiographie sein wird, dass ihr Schützling Lucy auf eine bessere Schule wechseln muss, eine, bei der nicht immer wieder Schusswechsel den Schulweg lebensgefährlich werden lassen. Und doch schlummert in dem Mädchen schon das Biest kommender Jahre. Schnell lernt sie am Beispiel Lolas, was Geld und Schlimmeres alles regeln können.
Eine mögliche Kundenschicht ist brandgefährlich fürs Geschäft: "Wenn die Crenshaw Six an weiße Kids verkaufen, während die Stadt wieder mal das Drogenproblem bekämpft, wird es Lolas Gang hinter Gitter bringen, nicht die weißen Kids." Die Ordnungshüter, das sei erwähnt, spielen in dem tobenden Drogenkrieg eine Nebenrolle.
Zwei Frauen, eine Mission - "die Macht und Herrschaft der Männer zu brechen": Staatsanwältin Andrea, die als Partnerin Lolas am Drogengeschäft beteiligt ist, löst einen Krieg mit dem Rivera-Kartell aus. Ein Schritt, dessen Motive in einer schmerzhaften familiären Vergangenheit in Texas liegen und der sich für Lola erst entschlüsseln lässt, als es Spitz auf Knopf steht. Die Kapitel mit den Rückblicken auf diese traumatisierende Kindheit zählen zu den dichtesten Passagen des handwerklich routinierten Romans - Scrivner Love hatte nicht nur einen Polizisten zum Vater und eine Gerichtsstenografin zur Mutter, sie hat das gewiss vor allem als Drehbuchautorin für Fernsehserien - unter anderem für "CSI Miami" - gelernt.
Ohne Cliffhanger kein Kapitelende, dazu das tempoharte historische Präsens, aber das wiederum beherrschen viele. Was hier hinzukommt, ist tatsächlich das Vermögen der Autorin, einer kaltblütig mordenden Frau ein zweites Gesicht zu geben, ihre Zerrissenheit zwischen Tochter- und Muttergefühlen, ihren Versuch, sich aus ererbten Traumata zu befreien, plausibel zu machen. Geht nicht? Kitsch? Ist manchmal greifbar nah. Trotzdem. Immerhin ist auch eine Prise Gesellschaftskritik an Bord: "Ändert sich die Gesellschaft? Oder zeigt das Fernsehen das, was die Leute sehen wollen, damit es irgendwann Wirklichkeit wird?"
HANNES HINTERMEIER
Melissa Scrivner Love: "Capitana". Thriller.
Aus dem amerikanischen Englisch von Andrea Stumpf und Sven Koch.
Suhrkamp Verlag, Berlin 2020. 333 S., br., 15,95 [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Weibliche Perspektive II: Melissa Scrivner Love entfesselt einen Drogenkrieg in Los Angeles
Ist jetzt alles genau wie sonst - nur andersherum? Wo einst Finstermänner schmutzige Geschäfte machten, sind im Zuge der Gleichstellung, die auch den Drogenhandel nicht unberührt lässt, Frauen in Führungspositionen gelangt. Im fiktiven Drogenhandel ist es jedenfalls so weit, und dass die Wachablösung nicht nach Schema F verläuft, liegt am Formulierungsvermögen von Melissa Scrivner Love. Nach dem Auftakt "Lola" (deutsch 2019) serviert sie ihren Leserinnen nun die Fortsetzung. Aus dem Originaltitel "American Heroin" wurde deswegen ein zielgruppengerechtes "Capitana".
Lola Vasquez, achtundzwanzig Jahre jung, Latina aus dem Stadtteil Huntington Park im Großraum Los Angeles, steht an der Spitze des Drogenkartells "The Crenshaw Six", nachdem sie ihren Freund im ersten Band zum Tode befördert und die Macht übernommen hat. In ihr steckt beides, "Heldin und Schurkin", rechtsstaatlich betrachtet mehr Schurkin, muss man sagen. Lag es am Vater? Nein, die Mutter war drogensüchtig - Heroin, das Zeug, dessen Verkauf die Tochter jetzt reich macht. Aber die Mutter ist immer noch da, stört die Kreise Lolas, die als liebende Ziehmutter der kleinen Lucy einen Charakterzug offenbart, den man landläufig nicht mit einem Drogenboss assoziiert.
Denn im Berufsleben ist Lola ein Velociraptor, eine Überlebenskünstlerin, die vor keinem Blutbad zurückschreckt und im Kugelhagel noch perfekt funktioniert. Also doch Supergirl in Comic-Manier? Jein, Scrivner Love hat einfach Spaß daran, männliche Stereotype des Genres auf den Kopf zu stellen und Actionszenen mit "soft boiled"-Passagen zu kombinieren. So wie sie gern Lebenswelten aufeinanderkrachen lässt.
Ethnische Grenzlinien, Einkommensgrenzen, Statusfragen, Gang-Hierarchien: verhasste Latinos, überhebliche Weiße, und doch müssen sie zusammenarbeiten. Umgekehrt kennt Lola die Spielregeln der (noch) herrschenden Klasse nicht. Sie weiß nur, dass Bildung Teil der Aufsteigerbiographie sein wird, dass ihr Schützling Lucy auf eine bessere Schule wechseln muss, eine, bei der nicht immer wieder Schusswechsel den Schulweg lebensgefährlich werden lassen. Und doch schlummert in dem Mädchen schon das Biest kommender Jahre. Schnell lernt sie am Beispiel Lolas, was Geld und Schlimmeres alles regeln können.
Eine mögliche Kundenschicht ist brandgefährlich fürs Geschäft: "Wenn die Crenshaw Six an weiße Kids verkaufen, während die Stadt wieder mal das Drogenproblem bekämpft, wird es Lolas Gang hinter Gitter bringen, nicht die weißen Kids." Die Ordnungshüter, das sei erwähnt, spielen in dem tobenden Drogenkrieg eine Nebenrolle.
Zwei Frauen, eine Mission - "die Macht und Herrschaft der Männer zu brechen": Staatsanwältin Andrea, die als Partnerin Lolas am Drogengeschäft beteiligt ist, löst einen Krieg mit dem Rivera-Kartell aus. Ein Schritt, dessen Motive in einer schmerzhaften familiären Vergangenheit in Texas liegen und der sich für Lola erst entschlüsseln lässt, als es Spitz auf Knopf steht. Die Kapitel mit den Rückblicken auf diese traumatisierende Kindheit zählen zu den dichtesten Passagen des handwerklich routinierten Romans - Scrivner Love hatte nicht nur einen Polizisten zum Vater und eine Gerichtsstenografin zur Mutter, sie hat das gewiss vor allem als Drehbuchautorin für Fernsehserien - unter anderem für "CSI Miami" - gelernt.
Ohne Cliffhanger kein Kapitelende, dazu das tempoharte historische Präsens, aber das wiederum beherrschen viele. Was hier hinzukommt, ist tatsächlich das Vermögen der Autorin, einer kaltblütig mordenden Frau ein zweites Gesicht zu geben, ihre Zerrissenheit zwischen Tochter- und Muttergefühlen, ihren Versuch, sich aus ererbten Traumata zu befreien, plausibel zu machen. Geht nicht? Kitsch? Ist manchmal greifbar nah. Trotzdem. Immerhin ist auch eine Prise Gesellschaftskritik an Bord: "Ändert sich die Gesellschaft? Oder zeigt das Fernsehen das, was die Leute sehen wollen, damit es irgendwann Wirklichkeit wird?"
HANNES HINTERMEIER
Melissa Scrivner Love: "Capitana". Thriller.
Aus dem amerikanischen Englisch von Andrea Stumpf und Sven Koch.
Suhrkamp Verlag, Berlin 2020. 333 S., br., 15,95 [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
»Was hier hinzukommt, ist tatsächlich das Vermögen der Autorin, einer kaltblütig mordenden Frau ein zweites Gesicht zu geben, ihre Zerissenheit zwischen Tochter- und Muttergefühlen, ihren Versuch, sich aus ererbten Traumata zu befreien, plausibel zu machen.« Hannes Hintermeier Frankfurter Allgemeine Zeitung 20201102