Er komponierte den Freischütz, der vielen als deutsche Nationaloper gilt. Webers Oberon war wiederum für lange Jahre die erfolgreichste englische Oper. Sein Männerchor Lützows wilde Jagd machte ihn zum musikalischen Symbol eines antifranzösischen Nationalismus, dabei schrieb der Komponist, der zuvor napoleontreuen deutschen Höfen diente, erst viel später als andere "patriotische" Lieder. Sein brillantes Klavierstück Aufforderung zum Tanz wurde sehr bekannt, es ist aber nur eine von vielen großartigen Instrumentalkompositionen Carl Maria von Webers. Er war auch einer der wichtigsten Operndirigenten und Musiktheater-Manager seiner Zeit, ein virtuoser Pianist - und er schrieb über sein Metier auch heute noch lesenswerte Texte.Das späte 19. Jahrhundert schuf sich ein Bild von ihm, das viele Generationen beeinflusste. Es war aber vor allem eine Projektion des kulturellen Klimas im 1871 gegründeten Deutschen Reich. Dieses Buch stellt Carl Maria von Weber in seiner eigenen Zeit vor und berücksichtigt dabei Forschungsergebnisse, die bisher noch nicht in biografischem Kontext vorgestellt wurden. Mit einem Vorwort von Jürgen Flimm.Geboren wurde Carl Maria von Weber 1786 im Fürstbistum Lübeck, von wo er bald auf Reisen durch viele deutsche Staaten ging. Sein alter Vater, ein Onkel von Constanze Mozart, hatte zeitweise eine mäßig erfolgreiche Theatertruppe. Dann widmete er sich der Ausbildung seines Sohns aus zweiter Ehe mit einer viel jüngeren Frau. In Hildburghausen, Salzburg und Wien lernte der junge Weber sein musikalisches Handwerk, schon mit 17 Jahren bekam er einen Kapellmeisterposten im preußischen Breslau. Ab 1807 stand er für zweieinhalb Jahre als Sekretär im Dienst eines württembergischen Herzogs, ohne die Musik und das Komponieren aufzugeben. Er machte sich mit Silvana in Frankfurt und Abu Hassan in München einen Namen als Bühnenkomponist, unternahm Konzertreisen als Pianist und wurde 1813 Operndirektor in Prag. 1817 berief man ihn nach Dresden, und 1821 wurde er durch die Berliner Uraufführung des Freischütz zum populärsten Opernkomponisten seiner Zeit. Keine vierzig Jahre alt, erlag er kurz nach der Premiere seines Oberon in London ebendort einer chronischen Tuberkulose.
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Perlentaucher-Notiz zur FR-Rezension
Hans-Klaus Jungheinrich ist mit Christoph Schwandts Maßstäbe setzen wollender Biografie über Carl Maria von Weber weitgehend zufrieden. Auch wenn der Privatmann, der Unternehmer und Reisende plastischer wird als der Komponist, die Erfahrungen des Autors als Biograf schlagen sich laut Rezensent dennoch angenehm nieder. Etwa, indem Schwandt mit dem Mythos des Opernmusikerzvaters Weber aufräumt, oder wenn er punktgenaue Analysen zu Webers Werken liefert. Mitunter allerdings scheint der Rezensent sich beim Lesen etwas mehr und schärfere Arbeit am Charakter von Webers Musik zu wünschen. Weniger die Tagebücher (die der Autor akribisch abarbeitet) als die Musik selbst, namentlich die Noten, sollten, so Jungheinrich, im Vordergrund stehen.
© Perlentaucher Medien GmbH
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Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 05.06.2015Was aß der Kapellmeister vor der Soloprobe?
Materialreichtum allein reicht für eine gute Biographie nicht aus: Christoph Schwandt erzählt sich durch das Leben von Carl Maria von Weber
Carl Maria von Weber ist, trotz aller Anstrengungen, jener Ein-Werk-Komponist geblieben, zu dem er vor allem durch die Apodiktik Richard Wagners gemacht worden ist. Die anderen Opern, die Orchester- und Klavierwerke, die Lieder und Ensembles - alles verblasst noch immer neben dem "Freischütz" und führt auf den Bühnen und Konzertpodien trotz mancher bedeutender Anwälte allenfalls ein Schattendasein.
Die Wucht dieser Begrenzung wurde nicht gemildert, sondern eher verschärft durch die Gunst, die gerade diesem "Freischütz" in der dem Kanon verfallenen regietheaterlichen Zerstörungswut zuteilgeworden ist. Vielleicht ist es daher mehr denn je an der Zeit für einen neuen, einen anderen Blick auf den Komponisten - zumal die kleine, aber rührige Gruppe der Weber-Philologen um Joachim Veit dafür vorzügliche Grundlagen geschaffen hat. Christoph Schwandt, von Haus aus Theatermann und als Autor einiger Komponistenbiographien hervorgetreten, hat nun ein solches Buch vorgelegt, im Modus einer erzählenden Biographie.
Ganz unabhängig von der grundsätzlichen Frage, ob dieses Genre an sich wirklich noch angemessen sein kann, erhält es hier doch sein Recht durch den einfachen Umstand, dass eine maßstabsetzende Referenz-Biographie Webers bis heute nicht existiert. Das Buch füllt also eine Lücke, und zwar, erfreulicherweise, einmal ganz unabhängig von Jahrestagen und Gedenkritualen.
Und doch, der Lektüre-Eindruck ist eigenartig. Der Verfasser erzählt Webers Leben, er breitet es einschüchternd detail- und namenverliebt aus, auf bald sechshundert Druckseiten - und das in einer bemerkenswerten Ausschließlichkeit. Selbst die Verheißung des Titels, es gehe dabei um das Leben "in seiner Zeit", also in den dramatischen Verwerfungen der Jahre zwischen 1790 und 1820, erfüllt sich im Grunde nicht, sickern diese Zeitumstände doch höchstens in der Form ergänzender Exkurse in die Erzählung ein.
Der Text gliedert sich in acht riesenhafte Kapitel, die strikt der Weberschen Lebenschronologie folgen, und jedes dieser Kapitel wartet mit einer verwirrenden Fülle von Akteuren, Orten und Kleinigkeiten auf. Wer in der Zeit um 1800 nicht bewandert ist, wird einige Mühe haben, sich im Text überhaupt zurechtzufinden. Schlechterdings gar nichts bleibt unerwähnt, von den amourösen Abenteuern bis zu den Modalitäten von Reise- und Speiseplänen. Nicht, dass hier ein voyeuristischer Blick walten würde: Der Duktus Schwandts weiß sich ganz dem gewissenhaften Ton des Historiographen verpflichtet. Und dennoch, die bloße Fülle vermag eben noch keinen wirklichen Zusammenhang zu stiften, keine Perspektive zu eröffnen.
Dieser Mangel betrifft aber nicht allein die Zeitumstände, die wie eine Dreingabe zur Vita anmuten, sondern erstaunlicherweise gerade die Musik. Webers kompositorisches Schaffen wird, wenn überhaupt, nur mit wenigen Sätzen gewürdigt. Dabei kann es immer wieder zu Schieflagen kommen. So zielt die Behauptung, die erste Sinfonie komme ohne die "klassische Sonatenhauptsatzform" aus, punktgenau am Sachverhalt vorbei, wurde gerade diese Norm doch erst später aus den Werken Beethovens abgeleitet. Selbst die Bemerkungen zum "Freischütz" sind kurz, sie richten sich im Grunde nur auf einige Auffälligkeiten der Dramaturgie. Und gerade diese Oper ist den Zeitgenossen ja als Verheißung und Erfüllung gleichermaßen erschienen, ihr Habitus, ihr ,Ton' wurden als eine Art von Signatur empfunden - eine Signatur, mit der die Widersprüche der Zeit zugleich aufgedeckt und geheilt werden konnten. Der Verfasser meidet derartige Fragen ganz.
Der erdrückende Materialreichtum hatte offenbar seinen Preis. So besitzen die zahlreichen Abbildungen höchst unterschiedliche Qualität, auch darf man die Legenden getrost als mangelhaft bezeichnen. Dem Autor sind im Fluss des Erzählens immer wieder die Tempora durcheinandergeraten, manche Quellen hätten zudem genauer belegt werden können - und Goethe-Briefe sollte man nicht nach "zeno.org" zitieren. Für den Leser bleibt es besonders bedauerlich, dass eine Zeittafel fehlt, denn sie hätte eine leichtere Orientierung bieten können - wie auch ein kurzer biographischer Index mit wenigstens den wichtigsten Personen. Der Verzicht auf ein Werkverzeichnis ist schmerzlich, denn der als Referenz angegebene Katalog in "Die Musik in Geschichte und Gegenwart" dürfte nicht jedem schnell verfügbar sein.
Es ist keine Frage, Schwandts Buch ist eine Liebeserklärung an seinen Gegenstand. Man muss nun keineswegs jenen bösen Zungen folgen, nach denen solche Liebe weniger förderlich als hinderlich sei. Dieses Defizit macht sich eher in dem befremdlich mit Klischees gesättigten Vorwort von Jürgen Flimm bemerkbar. Aber die lange Erzählung bringt uns nicht näher an den Komponisten heran.
LAURENZ LÜTTEKEN
Christoph Schwandt: "Carl Maria von Weber in seiner Zeit". Eine Biografie.
Schott Verlag, Mainz 2014. 608 S., geb., 35,- [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Materialreichtum allein reicht für eine gute Biographie nicht aus: Christoph Schwandt erzählt sich durch das Leben von Carl Maria von Weber
Carl Maria von Weber ist, trotz aller Anstrengungen, jener Ein-Werk-Komponist geblieben, zu dem er vor allem durch die Apodiktik Richard Wagners gemacht worden ist. Die anderen Opern, die Orchester- und Klavierwerke, die Lieder und Ensembles - alles verblasst noch immer neben dem "Freischütz" und führt auf den Bühnen und Konzertpodien trotz mancher bedeutender Anwälte allenfalls ein Schattendasein.
Die Wucht dieser Begrenzung wurde nicht gemildert, sondern eher verschärft durch die Gunst, die gerade diesem "Freischütz" in der dem Kanon verfallenen regietheaterlichen Zerstörungswut zuteilgeworden ist. Vielleicht ist es daher mehr denn je an der Zeit für einen neuen, einen anderen Blick auf den Komponisten - zumal die kleine, aber rührige Gruppe der Weber-Philologen um Joachim Veit dafür vorzügliche Grundlagen geschaffen hat. Christoph Schwandt, von Haus aus Theatermann und als Autor einiger Komponistenbiographien hervorgetreten, hat nun ein solches Buch vorgelegt, im Modus einer erzählenden Biographie.
Ganz unabhängig von der grundsätzlichen Frage, ob dieses Genre an sich wirklich noch angemessen sein kann, erhält es hier doch sein Recht durch den einfachen Umstand, dass eine maßstabsetzende Referenz-Biographie Webers bis heute nicht existiert. Das Buch füllt also eine Lücke, und zwar, erfreulicherweise, einmal ganz unabhängig von Jahrestagen und Gedenkritualen.
Und doch, der Lektüre-Eindruck ist eigenartig. Der Verfasser erzählt Webers Leben, er breitet es einschüchternd detail- und namenverliebt aus, auf bald sechshundert Druckseiten - und das in einer bemerkenswerten Ausschließlichkeit. Selbst die Verheißung des Titels, es gehe dabei um das Leben "in seiner Zeit", also in den dramatischen Verwerfungen der Jahre zwischen 1790 und 1820, erfüllt sich im Grunde nicht, sickern diese Zeitumstände doch höchstens in der Form ergänzender Exkurse in die Erzählung ein.
Der Text gliedert sich in acht riesenhafte Kapitel, die strikt der Weberschen Lebenschronologie folgen, und jedes dieser Kapitel wartet mit einer verwirrenden Fülle von Akteuren, Orten und Kleinigkeiten auf. Wer in der Zeit um 1800 nicht bewandert ist, wird einige Mühe haben, sich im Text überhaupt zurechtzufinden. Schlechterdings gar nichts bleibt unerwähnt, von den amourösen Abenteuern bis zu den Modalitäten von Reise- und Speiseplänen. Nicht, dass hier ein voyeuristischer Blick walten würde: Der Duktus Schwandts weiß sich ganz dem gewissenhaften Ton des Historiographen verpflichtet. Und dennoch, die bloße Fülle vermag eben noch keinen wirklichen Zusammenhang zu stiften, keine Perspektive zu eröffnen.
Dieser Mangel betrifft aber nicht allein die Zeitumstände, die wie eine Dreingabe zur Vita anmuten, sondern erstaunlicherweise gerade die Musik. Webers kompositorisches Schaffen wird, wenn überhaupt, nur mit wenigen Sätzen gewürdigt. Dabei kann es immer wieder zu Schieflagen kommen. So zielt die Behauptung, die erste Sinfonie komme ohne die "klassische Sonatenhauptsatzform" aus, punktgenau am Sachverhalt vorbei, wurde gerade diese Norm doch erst später aus den Werken Beethovens abgeleitet. Selbst die Bemerkungen zum "Freischütz" sind kurz, sie richten sich im Grunde nur auf einige Auffälligkeiten der Dramaturgie. Und gerade diese Oper ist den Zeitgenossen ja als Verheißung und Erfüllung gleichermaßen erschienen, ihr Habitus, ihr ,Ton' wurden als eine Art von Signatur empfunden - eine Signatur, mit der die Widersprüche der Zeit zugleich aufgedeckt und geheilt werden konnten. Der Verfasser meidet derartige Fragen ganz.
Der erdrückende Materialreichtum hatte offenbar seinen Preis. So besitzen die zahlreichen Abbildungen höchst unterschiedliche Qualität, auch darf man die Legenden getrost als mangelhaft bezeichnen. Dem Autor sind im Fluss des Erzählens immer wieder die Tempora durcheinandergeraten, manche Quellen hätten zudem genauer belegt werden können - und Goethe-Briefe sollte man nicht nach "zeno.org" zitieren. Für den Leser bleibt es besonders bedauerlich, dass eine Zeittafel fehlt, denn sie hätte eine leichtere Orientierung bieten können - wie auch ein kurzer biographischer Index mit wenigstens den wichtigsten Personen. Der Verzicht auf ein Werkverzeichnis ist schmerzlich, denn der als Referenz angegebene Katalog in "Die Musik in Geschichte und Gegenwart" dürfte nicht jedem schnell verfügbar sein.
Es ist keine Frage, Schwandts Buch ist eine Liebeserklärung an seinen Gegenstand. Man muss nun keineswegs jenen bösen Zungen folgen, nach denen solche Liebe weniger förderlich als hinderlich sei. Dieses Defizit macht sich eher in dem befremdlich mit Klischees gesättigten Vorwort von Jürgen Flimm bemerkbar. Aber die lange Erzählung bringt uns nicht näher an den Komponisten heran.
LAURENZ LÜTTEKEN
Christoph Schwandt: "Carl Maria von Weber in seiner Zeit". Eine Biografie.
Schott Verlag, Mainz 2014. 608 S., geb., 35,- [Euro].
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