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Die Korrespondenz gewährt einen aufschlußreichen Blick hinter die Kulissen des Literatur-, Theater- und Filmbetriebs der zwanziger bis vierziger Jahre des 20. Jahrhunderts.Carl Zuckmayer (1896-1977) stand mit zahlreichen namhaften Schriftstellern, Schauspielern und Regisseuren in Verbindung. Einen seiner schönsten Briefwechsel führte er jedoch von 1922 bis 1958 mit einer Frau, die sich in den Anfangsjahren der Weimarer Republik als Schauspielerin einen Namen machte: mit Annemarie Seidel (1895-1959). Obwohl in dieser Korrespondenz eine tiefe gegenseitige Zuneigung zum Ausdruck kommt, handelt es…mehr

Produktbeschreibung
Die Korrespondenz gewährt einen aufschlußreichen Blick hinter die Kulissen des Literatur-, Theater- und Filmbetriebs der zwanziger bis vierziger Jahre des 20. Jahrhunderts.Carl Zuckmayer (1896-1977) stand mit zahlreichen namhaften Schriftstellern, Schauspielern und Regisseuren in Verbindung. Einen seiner schönsten Briefwechsel führte er jedoch von 1922 bis 1958 mit einer Frau, die sich in den Anfangsjahren der Weimarer Republik als Schauspielerin einen Namen machte: mit Annemarie Seidel (1895-1959). Obwohl in dieser Korrespondenz eine tiefe gegenseitige Zuneigung zum Ausdruck kommt, handelt es sich nicht um Liebesbriefe. Der Briefwechsel setzt erst nach der Trennung der beiden ein. Bis 1950 bleiben sie in regelmäßiger Verbindung. Von 1935 an war Annemarie Seidel die Ehefrau Peter Suhrkamps, der im S. Fischer Verlag auch die Werke Zuckmayers betreute.Die Korrespondenz zwischen Carl Zuckmayer und Annemarie Seidel gestattet manchen aufschlußreichen Blick hinter die Kulissen des Kulturlebens, vor allem in den zwanziger, dreißiger und vierziger Jahren. Ihren besonderen Stellenwert gewinnt sie aber durch die unprätentiöse und außerordentlich humorvolle Weise, in der beide Briefpartner ihre Berichte zu amüsanten Geschichten werden lassen.
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Autorenporträt
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Carl Zuckmayer (1896-1977) war einer der erfolgreichsten Autoren der Literatur-, Theater- und Filmgeschichte des 20. Jahrhunderts. Nach der nationalsozialistischen Machtergreifung zog er sich ins Exil in Henndorf am Wallersee zurück, wo sein Haus zu einem wichtigen Ort der Künstlerbegegnung wurde. 1939 emigrierte er in die USA. 1928 wurde er mit dem Georg-Büchner-Preis ausgezeichnet.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 26.11.2004

Verlagserfolg im Bergkristall
Carl Zuckmayer und Gottfried Bermann Fischer wechseln Briefe / Von Hannes Hintermeier

Sieht so eine Männerfreundschaft aus? In seiner Autobiographie "Als wär's ein Stück von mir" erwähnt Carl Zuckmayer seinen langjährigen Verleger Gottfried Bermann Fischer nur an drei Stellen - freundlich im Ton zwar, aber doch knapp in der Sache. Das ist um so erstaunlicher, als sich die Geschäftsbeziehung der beiden über zweiundvierzig wechselvolle Jahre hinzog. Die von Irene Nawrocka besorgte zweibändige Ausgabe des Briefwechsels ist trotz ihres erheblichen Umfangs keineswegs vollständig. Verbürgt ist der Verlust von mehr als 730 Briefen, auf die teilweise im Schriftverkehr Bezug genommen wird. Dennoch reicht das vorgelegte Material, um einen verbindlichen Eindruck dieser Autoren-Verleger-Beziehung zu bekommen. Sie ist besonders aufschlußreich, weil hier zwei vollkommen unterschiedliche Charaktere sich in einem Ziel treffen. Selten hat man das hartnäckige, aber immer sportlich faire Ringen so klar ausdifferenziert gesehen wie hier.

Carl Zuckmayer war der erklärte Feind der Nationalsozialisten. Als Theaterautor eine Berühmtheit - "Der fröhliche Weinberg", "Schinderhannes" und "Der Hauptmann von Köpenick" sind die erfolgreichsten Stücke jener Jahre -, hat Zuckmayer seine Abscheu vor der braunen Bande nie verhohlen. Goebbels wiederum notierte etwa in seinem Tagebuch nach dem Besuch einer Frankfurter Inszenierung des "Fröhlichen Weinbergs", das Stück sei "einfach saumäßig" gewesen. 1934 mußte Zuckmayer seinen angestammten Verlag, zu dessen Umsatzbringern er neun Jahre gehört hatte, verlassen: Ullstein war in Nazi-Hände gefallen. Es folgte das Aufführungsverbot und Zuckmayers Gang ins Exil. Als der Briefwechsel einsetzt, am 19. September 1935, wohnt er noch im österreichischen Henndorf. Zu diesem Zeitpunkt kennen sich Gottfried Bermann Fischer und der Autor bereits seit zehn Jahren. Kennengelernt haben sie sich 1925, für beide ein wichtiges Jahr: Für Zuckmayer brachte es den Durchbruch, für den aus Gleiwitz stammenden Arzt Gottfried Bermann den Entschluß, in den Verlag seines Schwiegervaters Samuel Fischer in Frankfurt einzutreten.

Im ersten Brief kündigt Zuckmayer seinen Roman "Salwàre oder Die Magdalena von Bozen" an. Das Buch konnte aber schon nicht mehr in Deutschland ausgeliefert werden, Bermann Fischer bringt es schließlich in Wien heraus. Auch ihn hält es nicht länger in Nazi-Deutschland. Er geht zunächst nach Schweden, führt den Verlag für Exilautoren dort weiter, unterstützt vom Verlagshaus Bonnier. Der Teil des Verlages, der vor den Augen des Regimes Bestand hatte, wird derweil von Peter Suhrkamp als Statthalter weitergeführt - was 1950 nach langem Streit zum Zerwürfnis der beiden Verleger und zur Gründung des Suhrkamp Verlages führen wird.

Es ist in dieser Korrespondenz wenig vom politischen Tagesgeschäft die Rede. Obwohl die beiden inmitten der größten Welttumulte leben, scheinen sie stets über die Maßen auf sich und ihre Arbeit konzentriert. Nebenbei: Die Damen schreiben sich auch, "Jobs" oder "Liccie" Herdan-Zuckmayer und "Tutti" Bermann Fischer sind nicht weniger lebenspraktisch veranlagt als ihre besseren Hälften. Daß die Analyse der Weltlage dabei auf der Strecke bleibt, das macht die Lektüre manchmal eintönig, manchmal unheimlich. Es entsteht der Eindruck, ein politisch denkender Autor wie Zuckmayer vermeide es, seine Gegenwart zu kommentieren. Dabei war der Entschluß vermutlich ein ganz pragmatischer: Mit dem Verleger die publizistischen Fragen zu klären, das scheint für ihn die vornehmste, weil naheliegendste Aufgabe gewesen zu sein.

Zuckmayer war ein Getriebener. Kaum im Exil, auf abenteuerlichen Wegen und mit viel Glück entkommen, denkt er nicht eine Minute daran, in Gejammer auszubrechen. Er rechnet, plant, konzentriert sich auf sein Werk, so gut es irgend geht. Ins Filmgeschäft abwandern, bloß um versorgt zu sein? Gar nach Hollywood, wo es doch dort, wie Bruno Frank ihm schreibt, "zum Kotzen" ist? Niemals. "Denn bei dieser Filmplackerei, selbst wenn sie Einen eben ernährt, geht man vor die Hunde, es ist die völlige Abtötung der freien Produktivität, mit der allein Großes zu erreichen ist."

Und frei will er sein, um jeden Preis, auch wenn er sich dafür möglichst gut bezahlen lassen will. Schon von daher ist in diesem Briefwechsel sehr viel von Geld die Rede. Beide sind leidenschaftliche Verhandler, die nicht bereit sind, lockerzulassen - auch wenn sie es nie auf ein Zerwürfnis ankommen lassen. Der Verleger: kühl, distanziert, ein Herr. Sein Autor: fordernd, mitreißend, ein ganzer Kerl. Dazu die heute so oft von Autoren vermißte Verlagstreue. Sie hängt zu einem guten Teil, das kann man hier lernen, vom simplen Umstand ab, ob man es mit einem persönlich haftenden Verleger zu tun hat, dem es auch um Mensch und Werk und nicht ausschließlich um Verkaufsrang geht.

Es gibt viele Parallelen zwischen ihren Biographien. Beide müssen ins Exil, beide landen nach diversen europäischen Fluchten in den Vereinigten Staaten. Zuckmayer auf einer Farm in Vermont, Bermann Fischer in New York. Beide siedeln in ihrem späteren Leben noch einmal um, weg aus Deutschland. Zuckmayer läßt sich 1958 im schweizerischen Saas-Fee nieder, Bermann Fischer im oberitalienischen Camaiore. Auch Büchermenschenhäuser haben ihr Schicksal: "Haus Vogelweid" soll derzeit von zwei Nachbarhäusern mit Eigentumswohnungen umstellt werden, die "Casa Fischer" kann man als Ferienhaus mieten. Als der Krieg vorbei ist - keine Bemerkung dazu -, ist Zuckmayer nicht mehr zu bremsen. Bis zum Platzen gefüllt mit Tatendrang und Selbstbewußtsein, schreibt er am 12. April 1946: "Mach Dir keine Sorgen. Wie ich Dir neulich schon sagte, ich werde den Verlag reich machen, und zwar schon in einigen Jahren. Es kann gar nicht vermieden werden. Ich habe es außerdem in einem Stückchen Bergkristall gesehen, daß ich vor 1950 einer der erfolgreichsten Autoren der Erde sein werde."

Er hat sein Versprechen gehalten und für sich und den Verlag viel Geld verdient. Aber anders als man annehmen könnte, treten mit dem einsetzenden kommerziellen Erfolg die Debatten über Vergütung und Ausgaben, über Lizenzen und Ausstattung nicht in den Hintergrund, sondern werden zum bestimmenden Thema des Dialogs. Das schmälert die Spannung, nicht aber das Verdienst, das diese sorgfältig kommentierte Ausgabe sich erwirbt: Sie gibt Einblick in den Haushalt eines Dichters, der weiß, daß maximale Forderungen für Kunst und Ökonomie gelten.

Carl Zuckmayer / Gottfried Bermann Fischer: "Briefwechsel". Mit den Briefen von Alice Herdan-Zuckmayer und Brigitte Bermann Fischer. Band I: Briefe 1935-1977; Band II: Kommentar. Herausgegeben von Irene Nawrocka. Wallstein Verlag, Göttingen 2004. 800 und 564 S., geb., zus. 118,- [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 21.06.2004

Über alle Krisen erhaben
Eine Liebe ganz nah am Verhängnis: Der Briefwechsel zwischen Annemarie Seidel und Carl Zuckmayer
Die Liebesbeziehung zwischen Annemarie Seidel und Carl Zuckmayer erscheint wie eine amour fou aus den Träumen des Fin de Siècle. Die beiden trafen sich erstmals am Beginn der Weimarer Republik. Seidel hatte an der Jahreswende 1919/20 ihre Anstellung bei den Münchner Kammerspielen aufgegeben, war ohne Engagement nach Berlin gezogen und dort gleich wieder auf der Bühne gelandet. Zuckmayer war ebenfalls gerade in Berlin angekommen, reiste der Uraufführung seines Dramas „Kreuzweg” hinterher, und traf dabei die „junge Schauspielerin, die im schwarzen Samtkostüm eines Prinzen berückend aussah, mit einer schimmernden blonden Haarsträhne über der klaren Stirn”. Sie war sein „Schicksal”, wie Zuckmayer in seiner Autobiographie schreibt, das die beiden „ganz nah am Verhängnis” vorbeiführen sollte.
Seidel gibt zunächst die junge, aufstrebende und gefeierte Schauspielerin, Zuckmayer den ebenso jungen, aber nur mäßig erfolgreichen Schriftsteller, der vor dem Staatstheater auf seine Geliebte wartet und dabei auf Bierdeckeln feucht-melancholische Gedichte reimt: Ich bin im Cognac-See ertrunken / Sechs Monde schwimmt mein Leichnam wie ein Fisch, / Mit weißem Bauch noch unverwest und frisch, / Ein Freund der bittren Angostura-Unken.
Seidel wird schwanger, verliert ihr Kind bei einer Aufführung von Shakespeares „Sturm”. 1922 erkrankt sie ernsthaft. Schon zuvor hatten sich erste Anzeichen eines Lungenleidens gezeigt. Der reich bemittelte Anthony van Hoboken, ein Verehrer Seidels, rettet sie in letzter Sekunde, übernimmt die Kosten für den Genesungsaufenthalt und begleitet sie auf ihrer Reise. Seine Bemühungen haben zweifachen Erfolg: Seidel wird gesund, und sie heiratet am 7. Dezember 1922 den Millionär - 1932 geht die Ehe in die Brüche. Seidel kommt mit Peter Suhrkamp zusammen, dem sie bis kurz vor ihrem Lebensende 1959 verbunden bleibt.
Sehr lange dauerte sie also nicht, die Liebesbeziehung zwischen Annemarie Seidel und Carl Zuckmayer, aber sie war so intensiv, dass sich daran ein lebenslanger Briefwechsel anschloss, den Gunther Nickel nun mit aufschlussreichem Vorwort und Kommentar herausgegeben hat. Dass diese Beziehung über alle Krisen erhaben sein würde, beschließt Zuckmayer bereits im ersten Brief nach der Trennung: „Ich glaube an Dich, absolut, und dass Du Dein Bestes nie aufgeben oder verbiegen wirst, was Du auch tust im Leben. Und dass wir uns nie ganz verlieren werden, denn wir sind und bleiben vom gleichen Geblüt, so ist es, howgh.”
Anfang im Ende
Bei der Bewältigung seiner Einsamkeit hilft dem Verlassenen der Glaube daran, dass Niederlagen nichts anderes sind als künftige Siege. Der Bruch mit der Geliebten wird zum Neuanfang, zum Beginn seiner eigentlichen Karriere. Für Mirl, wie er Annemarie Seidel liebevoll nennt, bleibt dabei nur Dankbarkeit: „Liebster Mirl, was Du mir gegeben hast und was Du für mein ganzes Leben bedeutest, so viel bekommt selten ein junger Mensch von seiner Frau geschenkt. . . . Auch für den Schluss, und dafür vielleicht am meisten (!!) auch für alles, was mir damals Schmerz machte, bin ich Dir unendlich dankbar. Ich bin durch dich erst zu mir selbst gekommen.”
Damit endet im August 1924 der Briefwechsel zwischen den vormals Liebenden, und der Briefwechsel zwischen den Freunden beginnt. Es geht darin um die Nöte und Sorgen der Künstlerexistenz, um Reisen und Liebschaften, um Bücher, die man gerade gelesen hat, kritisiert oder empfiehlt, um die jüngsten Alkoholexzesse und nur selten direkt um Politisches. Hinter all den Petitessen aber, hinter den Alltäglichkeiten und den poetischen Exkursionen, die vor allem Zuckmayers Beschreibungen unternehmen, taucht immer wieder diese eine Gedankenfigur vom „Anfang im Ende” auf.
Mit ihrer Hilfe hatte der Verlassene den Sinn des Liebesschmerzes gefunden, durch sie nimmt er die Welt wahr, denn die vitalistische Übersetzung der Zerstörung in Erneuerung bildet das Zentrum der Lebensphilosophie nach dem Ersten Weltkrieg. Dieses Deutungsmodell macht die Briefe zu einem Dokument nicht nur einer großen Freundschaft und des Kulturlebens der zwanziger, dreißiger und vierziger Jahre, sondern darüber hinaus der Mentalitäts- und Geistesgeschichte. In der Krise der gleichsam apokalyptischen Verschiebung der Katastrophe in ein Heilszeichen werden die Brüche des 20. Jahrhunderts kenntlich.
Das Modell eines in der Niederlage verborgenen Siegs war nach dem Ersten Weltkrieg en vogue. Es grundiert nicht allein die großartigen Landschaftsdarstellungen Zuckmayers, sondern auch sein Politikverständnis und seine Poetik. So wie die politischen „Ratten getrost aus ihren Löchern kommen sollen”, weil aus ihrem verdauten Fraß „schöner fetter Dung” wird, so hält Zuckmayer es auch beim Schreiben: „Zeit und Prügel” sind sein Rezept zur poetischen Selbsterziehung, und deren Trauben hängen hoch: „Ich will mich austoben”, schreibt er im Mai 1930, „vielleicht schreibe ich noch einmal ein Buch wie die Bibel, in dem alles drinsteht, was es in der Welt und über und unter ihr gibt. Das wäre doch was!”
Auch Seidels Weltsicht ruht auf diesen Pfeilern. Noch im Frühjahr 1938 schreibt sie an den gerade in die Schweiz geflohenen Zuckmayer: „Es muß einen tiefen, jetzt noch verborgenen aber fruchtbaren Sinn haben! Und es ist vielleicht eine Gnade, daß der Zwang in eine bestimmte Richtung so grausam unausweichlich und eindeutig ist. Ich bin überzeugt, daß . . . Unerträglichkeiten des Schmerzes neue ungeahnte Quellen in einem aufschließen können.” Nur vor diesem Hintergrund versteht man, was das Jahr 1945 für Seidel bedeutet hat. Peter Suhrkamp ist dem Nazi-Terror nur knapp entronnen. Berlin sieht aus wie ein „starrendes Skelett, eine einzige Wunde mit verkohlten Wundrändern, und in den Bahnen trampeln sich die Leute tot . . .”
Nun aber fehlt, anders als in der ersten Nachkriegszeit, die apokalyptische Vision vom Durchgang durch den Schrecken als Weg zur Besserung. Im Gegenteil: Im Dezember 1945 vermisst Seidel den „Schwung, den wir nach dem vorigen Krieg aufbrachten”, und nur wenige Wochen später fragt sie sich: „Was soll eine Menschheit, die in einem Zustand ist, der es Hitler ermöglichte, sie zu regieren.” Sie verzweifelt an der Unbelehrbarkeit der Deutschen - „wenn sich etwas in den Ruinen regt, so scheint es wiederum das Alte zu sein . . .” - und fühlt sich von nun fehl an ihrem Platz in der Geschichte.
Dass Annemarie Seidel in der Nachkriegszeit mit starken Depressionen und ihrer Alkoholsucht zu kämpfen hatte, erscheint von ihren Briefen an Zuckmayer aus gesehen als Leiden an den Zeitläuften des 20. Jahrhunderts. Ihre Korrespondenz ist bei allem Humor, mit dem die Briefpartner dem Leben begegnen, auch das Zeugnis einer historischen Enttäuschung.
STEFFEN MARTUS
CARL ZUCKMAYER, ANNEMARIE SEIDEL: Briefwechsel. Hrsg. von Gunther Nickel. Wallstein Verlag, Göttingen 2003. 328 Seiten, 29 Euro.
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Eine Dienstleistung der DIZ München GmbH
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Steffen Martus hat den Briefwechsel zwischen Carl Zuckmayer und Annemarie Seidel, die zwischen 1920 und 1922 ein Paar waren und sich dann in lebenslanger Freundschaft verbunden blieben, als spezifisches Dokument einer Nachkriegsgeneration gelesen. Während die Briefe zunächst eine "amour fou" abbilden, kristallisiert sich in den folgenden Jahren ein Gedankenmodell des "in der Niederlage verborgenen Sieges" heraus, das sich direkt aus den Erfahrung des Ersten Weltkriegs entwickelt hat, erklärt der Rezensent angetan. Für ihn bildet sich damit in diesem Korrespondenzband nicht allein eine "große Freundschaft" ab, sondern dokumentiert neben dem "Kulturleben der zwanziger, dreißiger Jahre" zugleich auch ein Stück "Mentalitäts- und Geistesgeschichte". Der Rezensent lobt auch das "aufschlussreiche Vorwort" und den Kommentar von Herausgeber Gunther Nickel, ohne jedoch weiter darauf einzugehen.

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