Marktplatzangebote
3 Angebote ab € 1,75 €
  • Broschiertes Buch

Der große amerikanische Roman als Thriller der Extraklasse Ein mysteriöser Tod. Ein brisantes Vermächtnis. Und das Rätsel des "Double Excelsior". Mit der Raffinesse eines Schachspiels, bei dem nur ein Zug auf den anderen folgen kann, führt Stephen Carter seine Leser durch einen Plot voller Intrigen, Fragen und Fallstricke bis zum überraschenden Ende. Ein atemberaubender Thriller mit den literarischen Qualitäten des großen amerikanischen Romans.
Als Oliver Garland, ein geachteter Richter, überraschend stirbt, ist sein Sohn Talcott überzeugt, dass sein schwaches Herz den Tod verursachte. Denn
…mehr

Produktbeschreibung
Der große amerikanische Roman als Thriller der Extraklasse
Ein mysteriöser Tod. Ein brisantes Vermächtnis. Und das Rätsel des "Double Excelsior". Mit der Raffinesse eines Schachspiels, bei dem nur ein Zug auf den anderen folgen kann, führt Stephen Carter seine Leser durch einen Plot voller Intrigen, Fragen und Fallstricke bis zum überraschenden Ende. Ein atemberaubender Thriller mit den literarischen Qualitäten des großen amerikanischen Romans.
Als Oliver Garland, ein geachteter Richter, überraschend stirbt, ist sein Sohn Talcott überzeugt, dass sein schwaches Herz den Tod verursachte. Denn Jahre zuvor, als dem Vater die höchstmögliche Ehre angetragen wurde, eine Ernennung zum Richter des Supreme Court, hatte er in einem entwürdigenden Fernseh-Streitgespräch vor den Augen der Familie, ja der ganzen Nation von dem ihm angetragenen Amt zurücktreten müssen. Ein Skandal, von dem sich der Richter nie mehr erholt hatte. Doch jetzt, nach seinem Tod, gehen Talcott merkwürdige Warnungen zu. Seine Schwester Maria behauptet, der Vater sei ermordet worden. Menschen, die er seit Jahren nicht gesehen hat, versuchen ihn zu erpressen. Und auch die engsten Freunde des Vaters scheinen ein Geheimnis hinter seinem Tod zu vermuten. Talcotts Leben wird auf den Kopf gestellt. Weshalb fragt man ihn ständig nach den "Vorkehrungen", die sein Vater für den Fall seines Todes getroffen haben soll? Was hat der tödliche Autounfall seiner ge liebten Schwester Abby vor 25 Jahren mit den jetzigen Vorfällen zu tun? Wieso sieht Talcott sich immer wieder der Verfolgung durch dubiose Gestalten ausgesetzt? Und warum fehlen zwei Schachfiguren auf dem so sorgsam gehüteten Schachbrett seines Vaters? Als ein zweiter Mann tot aufgefunden wird, bleibt Talcott nichts anderes übrig, als in die dunkle Vergangenheit seines Vaters einzutauchen. Und dabei setzt er alles aufs Spiel: Seine Ehe, seinen Ruf - und sein Leben.
Autorenporträt
Stephen L. Carter, geb. 1955, lehrt seit 1982 als Juraprofessor an der Universität Yale. Als Mitglied des American Law Institute und der American Academy of Arts and Sciences ist er maßgeblich an der Gestaltung der amerikanischen Rechtspraxis beteiligt; er verfasst Sachbücher zu politischen und rechtswissenschaftlichen Themen.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 28.09.2002

Die Arrangements
Vom Zorn eines Richters: Stephen L. Carters eleganter Thriller

Nie war er mit solcher Genugtuung Richter. Vor ihm und den beiden anderen Mitgliedern der Kammer stand ein Anwalt, der ein Minderheitsvotum zitierte, das er vor vielen Jahren verfaßt hatte. Er nahm den Schmeichler ins Kreuzverhör. Ob er denn wisse, wie oft sich das Gericht seitdem mit dieser Frage beschäftigt habe? Er wußte es nicht. Siebzehnmal. Und wisse er, wie oft das Gericht diesen Ansatz verworfen habe? Siebzehnmal. Und wisse er wohl, wie viele dieser Urteile er verfaßt habe? Der Schimmerlose ging in die Falle. Siebzehn? "Kein einziges. Ich halte an der Ansicht fest, die Sie zitiert haben." Gelächter füllte den Gerichtssaal, doch die Lektion für den Gedemütigten war noch nicht beendet. "Meine Ansichten sind unerheblich, Herr Rechtsanwalt. Vor einem Bundesberufungsgericht müssen Sie das Recht des Gerichtskreises zitieren, nicht die Ansichten einzelner Richter. Vielleicht ist Ihnen das aus dem Studium noch erinnerlich."

Diese Geschichte erzählt Wallace Warrenton Wainwright, Beisitzer am Obersten Gerichtshof der Vereinigten Staaten, über Oliver Garland, seinen früheren Kollegen am Bundesberufungsgericht für den Hauptstadtbezirk, den District of Columbia. Richter Garland ist verstorben und hat seinem Sohn Talcott einen kryptischen Auftrag hinterlassen. Er hat "Vorkehrungen" getroffen, die der Sohn erst in Erfahrung bringen muß, bevor er ihnen gemäß handeln kann. Talcott Garland, Rechtsprofessor an der Alma mater seines alten Herrn, will herausfinden, was für ein Mann sein Vater gewesen ist. Richter Wainwrights Anekdote enthält eigentlich nichts Neues. Mit einschüchternder Brillanz konnte Oliver Garland die Objektivität des Rechts zur Geltung bringen, die disziplinierende Kraft einer Ordnung, die Unterwerfung fordert, weil ihre überpersönliche Vernünftigkeit vorausgesetzt werden muß.

In diesem Geist, mit siebzehnmal und öfter eingehämmerten Sinnsprüchen, hat der Richter, wie sein Sohn ihn nennt, auch seine Kinder erzogen. Der Richter bleibt für den Professor der Richter auch nach seinem Tod. Es gehört zur objektiven Natur der Rechtsgeltung, daß sie gegen den Tod gleichgültig ist. Das klassische Beispiel für diese die Zeit stillstellende Gewalt der Rechtsinstitute ist der Letzte Wille, der erst postum Wirkung entfaltet, aber für alle Ewigkeit. Während aber ein Testament die Verfügungen offenlegt und deshalb von einem Notar beglaubigt wird, hat Richter Garland seine Vorkehrungen geheimgehalten. Sogar von der Existenz dieser Anordnungen erfährt ihr Adressat aus dem Munde von Dritten, Parteien, die alles zu tun drohen und dann auch wirklich alles tun, um in den Besitz der Befehle zu gelangen. Nicht das bürgerliche Recht mit seinen sachlichen Regelungen für die Weitergabe von Besitztiteln ist der Urtext, der die Vorkehrungen legitimiert, sondern ein ursprünglicheres Gesetz, die Familienehre.

Der Begriff "Vorkehrungen" trifft das ängstliche, obsessive Moment der juristischen Überlistung der Zeit, die Vorbereitung für einen Fall, dessen Eintreten der Vorausdenkende nicht erleben wird. Im amerikanischen Original wird nach "the arrangements" gefahndet, und diese Vokabel schillert noch sinistrer. Ein Arrangeur operiert im verborgenen, aber nicht notwendig in der Illegalität. Denn die Jurisprudenz, wie sie in Stephen L. Carters Roman praktiziert wird, ist selbst eine Kunst des Arrangierens, der eleganten Konstruktion von Vorwänden, Entschuldigungen, Rationalisierungen. Zwei Nennonkel wachen als Schutzpatrone über Talcott Garland: Uncle Jack, ehemaliger CIA-Agent und Drahtzieher des organisierten Verbrechens, und Uncle Mal, Seniorpartner einer großen Anwaltskanzlei und Strippenzieher auf dem Hauptstadtparkett. Beide sind Virtuosen der indirekten Steuerung, wahren mit dem Decorum ihre Freiheit.

In den "arrangements" klingen auch die Vorkehrungen an, die der Erzähler getroffen hat. Wie jeder gute Thriller verführt "Schachmatt" den Leser, indem er die Konstruktion durchschimmern läßt. Man kann sich darauf verlassen, daß alles am Ende aufgeht. Und wirklich zeigt sich am Ende, daß Talcott die Vorkehrungen früher hätte aufdecken können, wäre da nicht eine Erinnerungsschwäche gewesen, von der er am Anfang gesprochen hatte, so beiläufig, daß der Leser es längst vergessen hat. Indem der Sohn sich überhaupt darauf einläßt, die Anweisungen seines Vaters ausfindig zu machen, befolgt er sie schon. Auch das offizielle Testament ist nur ein Artikel des verborgenen Kodex: Talcott erbt das Strandhaus auf der Insel Martha's Vineyard, in dem die Indizien aufgehäuft sind, die schließlich Zorn und Wahn des Richters entschlüsseln.

Alles hat Oliver Garland nach juristischer Logik eingerichtet. Denn auch die Verfassung der Vereinigten Staaten ist ein solches Arrangement. Welche Vorkehrungen die Gründerväter getroffen haben, versuchen die Mitglieder des Obersten Gerichtshofs zu ermitteln. Aber diesen Ermittlungen müssen sie die Normen schon zugrunde legen, die sie erst auf den Begriff bringen sollen. Eigentlich war es Oliver Garland bestimmt, auf die Bank der neun Oberarrangeure berufen zu werden. Dann hätten Anwälte vor ihm seine Sondervoten zitieren dürfen: Die Oberrichter sind so frei, sich jederzeit korrigieren zu können. Indem der Tote für den Sohn immer noch "the Judge" ist, wird nicht nur die Unterwerfung unter den Patriarchen fortgeschrieben, sondern zugleich der Augenblick der größten Demütigung des Vaters festgehalten. Denn aus Judge Garland wurde nie Justice Garland. Reagan hatte ihn nominiert, die Anhörung im Senat wurde zum Tribunal. In schlechter Gesellschaft war er gesehen worden, nachts im Gerichtsgebäude. Mit Uncle Jack. Alles nachzulesen - einer von Carters zeithistorischen Scherzen - im Bestseller von Bob Woodward.

Hätte Talcott rebelliert, wenn der Lebenstraum des Vaters sich erfüllt hätte? Ein Mann wie Wainwright wird als Mr. Justice angeredet, Herr Gerechtigkeit. Daß alles noch viel schlimmer war, als schon bei Woodward steht, ist das Geheimnis, das Talcott entdeckt. Jeder Spruch, den Richter Garland unter der Maske der Objektivität verkündete, war Moment eines diabolischen Plans. Der Richter behielt sich seine eigenen Arrangements vor. Er nahm sich das Recht zur Selbstjustiz. Aber enthüllt dieser Größenwahn nicht nur, daß der gefeierte Absolvent der ehrwürdigen Ostküstenuniversität seine Lektion gelernt hat? Denn alle Professoren, Talcott Garlands Kollegen, die Carter einen wunderbar komischen Reigen tanzen läßt, nutzen die venia legendi als Lizenz zur Subjektivität, geben in dreister oder charmanter Manier ihre Vorurteile als die Stimme des Gesetzes aus. Talcott Garland hat nicht das Zeug zum akademischen Star. Sein Spezialgebiet ist denkbar unglamourös, das Recht des Schadenersatzes. Ein Unglück, das sich nicht kompensieren ließ, hatte Talcotts Vater auf die schiefe Bahn gebracht: der Tod eines Kindes. In der Motivökonomie des Romans steht dieser Schicksalsschlag zugleich symbolisch für den nicht auszugleichenden Nachteil, mit dem Vater und Sohn in ihren Karrieren zu kämpfen hatten. Die Garlands sind Schwarze, Angehörige der "dunkleren Nation", wie Talcott ironisch sagt. Der Komparativ ist nur unter den Schwarzen in Gebrauch, die für ihre eigene Hierarchie den weißen Maßstab übernehmen und die hellere Hautfarbe prämieren. Für die Weißen dagegen ist ein Schwarzer ein Schwarzer. Oliver Garland ist ein Richter vom Schlage eines Clarence Thomas, ein Vorzeigekonservativer, der der Logik der Diskriminierung nicht entkommt: Er wird als Sonderfall betrachtet, gerade weil er sich für ein farbenblindes Recht ausspricht. Das Schachspiel wurde für Oliver Garland zur Schule der Selbstkontrolle. Alle Schritte muß berechnen, wer als Schwarzer in der Welt der Weißen als ebenbürtig gelten will; ihm wird nichts verziehen und nichts geschenkt. Und doch hat auch auf dem Schachbrett Weiß den ersten Zug.

Carter, Rechtsprofessor in Yale, hat für diesen seinen ersten Roman einen gewaltigen Vorschuß erhalten. Bekannt geworden ist er mit autobiographischen Betrachtungen über die Minderheitenförderung an den Universitäten. Er beschrieb die Erfahrungen der Entfremdung, die auch der am besten integrierte Schwarze macht, wenn er Tag für Tag mit der Herablassung weißer Liberaler konfrontiert ist. In weiteren vielgelesenen Traktaten zeigte er, daß gläubige Christen, die sich nicht zufällig in der dunkleren Nation in besonders großer Zahl finden, im heutigen Amerika in ähnlicher Weise Fremde sind. Talcott Garland spricht mit Carters Stimme. Auch auf der Flucht vor Killern holt er Atem für einen Kommentar zum Niedergang Amerikas.

Dieser essayistische Zug der Ich-Erzählung, der dem Buch die epische Länge gibt, ist der narrative Clou. Gewöhnlich fehlt dem gewöhnlichen Sterblichen, den das Arrangement eines Thriller-Autors zum Helden stempelt, die psychologische Plausibilität. Warum sieht er Gespenster? Daß Talcott Garland an jedem Kapitelschluß einen Verfolger im Dunkel ausmacht, das kann man glauben. Der schwarze Mann hat die kürzeste Lebenserwartung aller Amerikaner. Die Überdetermination der Krimihandlung ist Nachvollzug des historischen Verhängnisses. Hinter jeder Ecke lauern die Dämonen Amerikas. Aus dieser Einheit von Form und Motivik gewinnt der Roman seine überwältigende Kraft.

Stephen L. Carter: "Schachmatt". Roman. Aus dem Amerikanischen übersetzt von Jobst-Christian Rojahn und Hans-Ulrich Möhring. List Verlag, München 2002. 859 S., geb., 24,- [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
…mehr

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 23.07.2002

Schwarze Falken
Amerika entdeckt das Epos: Stephen L. Carters Debütroman „The Emperor of Ocean Park”
In diesem Sommer ist die Zahl der originellen Romananfänge um ein eindrucksvolles Beispiel gewachsen: „Als mein Vater schließlich starb, vererbte er die Dauerkarten für die Redskins meinem Bruder, das Haus an der Shepard Street meiner Schwester und mir das Haus auf Martha’s Vineyard”. So beginnt Stephen L. Carters Campus-Thriller „The Emperor of Ocean Park”, für den der Verlag Alfred A. Knopf nach einem Bietgefecht mit einem Dutzend Konkurrenten 4,2 Millionen Dollar an Vorschuss überwies – die höchste Summe, die je für einen Erstlingsroman gezahlt wurde.
4,2 Millionen Dollar sind eine Menge Geld – dafür muss Ollie Kahn ein ganzes Jahr lang arbeiten! Nun hat freilich Stephen Carter die Millionen nicht für seinen ersten Roman alleine erhalten. Er musste sich vielmehr verpflichten, sofort einen zweiten zu schreiben. Als ein vor Begeisterung taumelnder Rezensent von dieser Zusatzklausel erfuhr, beschimpfte er den Verlag ob seiner Knickerigkeit gegenüber dem Autor: „Der Mann ist unter die Räuber gefallen.”
Bei dem also Beraubten handelt es sich um einen Professor an der „Law School” der Yale University. Stephen L. Carter ist durch Bücher über die Rassenbeziehungen in den USA, die schwindende Integrität des amerikanischen Justizapparates und das Verhältnis von Kirche und Staat einem größeren Publikum seit langem bekannt. Der bekennende Christ und fanatische Schachspieler gehört zur schwarzen Oberschicht Amerikas, die ein Ghetto hinter sich gelassen hat, das einst durch Zeitschriften wie „Ebony” und Bildungsstätten wie die Howard University charakterisiert wurde. Schon als Kind wollte Carter Romane schreiben. Jetzt hat er sich seinen Wunsch erfüllt und damit sein Taschengeld erheblich aufgebessert.
Viele Leser von „The Emperor of Ocean Park” fühlten sich an Raymond Carvers Definition eines guten Romans erinnert: „Er transportiert Neuigkeiten von einer Welt zur anderen.” Carter hat dem amerikanischen Roman eine neue Welt erschlossen: die Welt der reichen schwarzen Oberschicht, die Villen an Washingtons „Gold Coast” besitzt, den Sommer im Ferienhaus auf Martha's Vineyard verbringt und den BMW nur wechselt, um auf einen Mercedes 500 umzusteigen. Der Ich-Roman eines begeistert Schach spielenden, bewusst christlich lebenden schwarzen Jura-Professors an einer Ivy League-Universität, dessen Vater bereits ein berühmter, mit den Regierungen Kennedys und Johnsons eng verbundener Jurist war, handelt von einem Schach spielenden, sein Christentum offen bekennenden, schwarzen Jura-Professor an einer Ivy League- Universität, dessen Vater von Richard Nixon als Richter für den Supreme Court nominiert wurde. Allerdings scheiterte er in der Anhörung vor dem Senat, weil er sich zur Freundschaft mit einem ehemaligen CIA-Agenten bekannte, der inzwischen zum Verbrecher in Nadelstreifen geworden war.
Mehr Schuld, mehr Sühne
In einem drei Seiten langen Nachwort beteuert Carter, keinen Schlüsselroman geschrieben zu haben. Das gilt gewiss für die kriminellen Verwicklungen, in die er seinen Helden Talcott Garland und dessen Familie führt und für die Untreue seiner Romanfrau, einer karrierebewussten Anwältin, die Garland mit einem Basketballstar betrügt. Es gilt aber gewiss nicht für das Milieu der afro-amerikanischen Bourgeoisie und für die von Intrige und Akademikerneid geprägte Atmosphäre an einer Elite-Universität, die Carter aus eigener Erfahrung beschreibt.
Carter nutzt auf eine obsessive Weise die Schachmetaphorik, um in verknäuelte Handlungsstränge Ordnung zu bringen und die Übersicht über ein vielköpfiges Romanpersonal nicht zu verlieren. Er beklagt, dass Schwarz im Leben wie beim Schach dadurch benachteiligt sei, dass es Weiß immer nachziehen müsse. Auch Carter hat nachgezogen: „The Emperor of Ocean Park” liest sich wie eine schwarze Parallelaktion zum Miserere der weißen Mittelschicht Amerikas, Jonathan Franzens Roman „The Corrections”, „Die Korrekturen”. Carters Plot kreist um die geheimnisvollen Vorkehrungen, die „arrangements”, die der Vater des Erzählers nach seinem Tode hinterlassen hat. „The Emperor of Ocean Park” hätte auch „The Arrangements” heißen können und damit die Parallelen zu Franzens Roman noch deutlicher aufgezeigt.
Die Romane von Franzen und Carter gehören zu einer Gattung von Büchern, die in den USA ständig anwächst: Bücher dicker als Türschwellen. Romane wie Biographien fallen darunter: Franzens Roman ist fast 600, Carters Roman beinahe 700 Seiten lang, 800 Seiten umfasst „Shakey”, die Biografie des Rock & Roll-Sängers Neil Young, und Robert A. Caro benötigt in seiner mehrbändigen Biografie Lyndon B. Johnsons 1167 Seiten, um einen Zeitraum von zwölf Jahren zu beschreiben. Was auf den ersten Blick wie ein Symptom literarischer Inkontinenz erscheint, verweist auf eine unbändige Lust am Erzählen. Und diese Lust am Erzählen wiederum ist ein Zeichen für die Rückkehr des Epos – einer Gattung, die sich die amerikanische Gesellschaft leisten kann, weil sie pathosfähig geblieben ist.
Die Kritiker sind sich in der Einschät-zung von Carters Buch uneins. Die Noten reichen von „Summa cum laude” bis „Durchgefallen”. Die Enthusiasten vergleichen „The Emperor of Ocean Park” mit Theodore Dreisers „Amerikanischer Tragödie” und sehen in ihm das Buch, das Henry James geschrieben hätte, wären Aufstieg und Fall der schwarzen amerikanischen Oberschicht sein Thema gewesen. Die Kritiker werten Carters „legal thriller” bestenfalls als einen Pseudo- Grisham und empfehlen statt dessen die Lektüre eines fremden Klassikers: Dostojewskis „Schuld und Sühne”.
„The Emperor of Ocean Park” ist ein überlanges, überladenes, überbevölkertes und überzahltes Buch. Der Verlag Knopf hat dafür nicht nur einen horrenden Vorschuss gezahlt, die Warner Brothers haben auch sofort die Filmrechte erworben. Der Oscar-Preisträger Denzel Washington und Will Smith („Men in Black II”) sind Kandidaten für die Hauptrolle.
Was immer man auch von seinem Roman halten mag: An der Cleverness von Carter lässt sich nicht zweifeln. Er hat beim Schreiben seines Buches dessen Verfilmung bereits mitbedacht. Vielleicht ist der größte Nachteil von Carters Buch, dass es zu clever ist. Denn auch seine Übersetzungen hat er bereits antizipiert. Dies zeigt der zweite Satz seines Romans: „Natürlich waren die Football-Dauerkarten das wertvollste Stück der Erbschaft.” Das braucht man einem amerikanischen Leser nicht zu sagen – selbst wenn er kein Fan der Washington Redskins ist.
WOLF LEPENIES
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung exklusiv über www.diz-muenchen.de
…mehr