'Casanova - kaum ein Name der Kulturgeschichte ist so klischeebehaftet wie dieser: der galante Verführer und Frauenheld. Dass der illustre Venezianer nicht nur Damen im Sinn hatte, dass er mit den aufgeklärten Geistern seiner Zeit verkehrte und sich in wissenschaftliche Studien vertiefte, zeigt Ingo Hermann in dieser sorgfältig recherchierten, amüsant geschriebenen Biographie der ersten seit Jahrzehnten.
Giacomo Casanova (1725 - 1798) spielte viele Rollen, und am Ende erfand er sich in seinen Memoiren selbst. Aber wer war der Mann hinter der Maske, hinter der selbst gefertigten Überlieferung, die bis heute unser Bild von ihm prägt ? Hermann erzählt die Geschichte des Lebens- und Überlebenskünstlers Casanova, einer der schillerndsten Gestalten seines Jahrhunderts. Doktor der Rechte, Freimaurer, wegen Blasphemie in den Kerker geworfen, aus dem er spektakulär flieht, Gast an den europäischen Höfen, Mitbegründer der französischen Nationallotterie, Geheimagent der Inquisition. Nicht zuletzt Autor historischer und naturwissenschaftlicher Schriften, der in regem Austausch mit Voltaire, Rousseau und anderen Großen der Zeit stand. Mit viel Einfühlungsvermögen und einem Schuss ironischer Distanz stellt uns Hermann einen ganz neuen Casanova vor, ohne dabei den leidenschaftlichen Liebhaber der Frauen zu kurz kommen zu lassen. Zugleich zeichnet er das Porträt einer glanzvollen Epoche.
Giacomo Casanova (1725 - 1798) spielte viele Rollen, und am Ende erfand er sich in seinen Memoiren selbst. Aber wer war der Mann hinter der Maske, hinter der selbst gefertigten Überlieferung, die bis heute unser Bild von ihm prägt ? Hermann erzählt die Geschichte des Lebens- und Überlebenskünstlers Casanova, einer der schillerndsten Gestalten seines Jahrhunderts. Doktor der Rechte, Freimaurer, wegen Blasphemie in den Kerker geworfen, aus dem er spektakulär flieht, Gast an den europäischen Höfen, Mitbegründer der französischen Nationallotterie, Geheimagent der Inquisition. Nicht zuletzt Autor historischer und naturwissenschaftlicher Schriften, der in regem Austausch mit Voltaire, Rousseau und anderen Großen der Zeit stand. Mit viel Einfühlungsvermögen und einem Schuss ironischer Distanz stellt uns Hermann einen ganz neuen Casanova vor, ohne dabei den leidenschaftlichen Liebhaber der Frauen zu kurz kommen zu lassen. Zugleich zeichnet er das Porträt einer glanzvollen Epoche.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 21.03.2011Casanovas viele Gesichter
Seitdem Casanovas "Geschichte meines Lebens" erschien, gibt es Spekulationen über die Identität des Verfassers. In Frankreich wollte man noch Mitte des 19. Jahrhunderts dem Sohn eines Schauspielerehepaars eine derartige schriftstellerische Leistung nicht zutrauen. Zumal man mit Stendhal einen einheimischen Autor zur Hand hatte, der einschlägig ausgewiesen war. Nachdem dann die Casanova-Forscher mehr und mehr Fakten aus dem Leben des Venezianers zutage gefördert und überprüft hatten, konnte man jedenfalls noch versuchen, ihn der bewussten Täuschung und Irreführung seiner Leser zu überführen. "Giacomo Casanova und sein Lebensroman" (1922) nannte Gustav Gugitz denn auch programmatisch seine monumentale Biographie, durch die es immerhin möglich wurde, Korrekturen an der "größten Selbstdarstellung des achtzehnten Jahrhunderts" (Hans Blumenberg) anzubringen.
Jüngste Frucht in der Reihe der Bücher über den "wahren", den "wirklichen" und den "anderen" Casanova ist die Biographie von Ingo Hermann ("Casanova". Der Mann hinter der Maske. Die Biographie. Propyläen Verlag, Berlin 2010. 335 S., Abb., geb., 24,95 [Euro]). Nach Kapiteln über Herkunft, Kindheit und Jugend sowie über die misslungenen Versuche, als Mann der Kirche Karriere zu machen, widmet er sich dem "Verführer", dem "Mann von Welt", dem "Liebhaber der Wissenschaft", dem "Schriftsteller". Hermann möchte den wahren Casanova, den "Mann hinter der Maske", darstellen und landet doch bei der planen Nacherzählung, die über die uninspirierten Vorlagen der Biographien von Hermann Kesten und Roberto Gervaso nicht hinauskommt. Casanova liebte das Rollenspiel, eine Maske trägt er deshalb noch lange nicht. Selbst wenn es darum gehen sollte, Casanova in irgendeiner Weise zu entlarven, Ingo Hermann wäre nicht der geeignete Mann dazu, denn fast immer übernimmt er unkritisch dessen Darstellung.
Casanova, dem nichts Menschliches fremd war mit Ausnahme einer selbstironischen Sichtweise, war von sich so überzeugt, das er es grundsätzlich nicht mitbekam, wenn er durchschaut wurde. Zum Beispiel im Gespräch mit Friedrich dem Großen, der natürlich Erfahrung hat mit "Projektemachern", die von Hof zu Hof ziehen, um überall ihre sensationellen Erfindungen anzupreisen: wie etwa die maroden Wasserspiele im Park von Sanssouci zu sanieren seien oder eine neue Einkommensquelle für die ewig klammen Herrscher erschlossen werden könne. Casanova kann kaum den Mund aufmachen, ohne dass der König ihn voller Anerkennung unterbräche ("Ah, Sie sind Hydraulik-Spezialist!" - "Wie ich sehe, sind Sie Finanzfachmann!"), wodurch er den Venezianer, der von alledem keine Ahnung hat, in die größte Bedrängnis bringt. Trotzdem bietet der König ihm schließlich eine Stelle an, und zwar als Erzieher in einer Kadettenanstalt für pommersche Landjunker.
Mit Entsetzen muss Casanova, der die glänzendsten Höfe Europas kennengelernt hat, zur Kenntnis nehmen, dass der König höchstselbst die Nachtgeschirre inspiziert und Nachlässigkeiten bei der Reinigung aufs schärfste rügt. Casanova reist beleidigt ab, denn mit so einem König will er nichts zu tun haben. Dass ihm soeben eine Lektion erteilt worden ist, kapiert Casanova nicht, ebenso wenig wie, leider, sein Biograph.
HARTMUT SCHEIBLE
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Seitdem Casanovas "Geschichte meines Lebens" erschien, gibt es Spekulationen über die Identität des Verfassers. In Frankreich wollte man noch Mitte des 19. Jahrhunderts dem Sohn eines Schauspielerehepaars eine derartige schriftstellerische Leistung nicht zutrauen. Zumal man mit Stendhal einen einheimischen Autor zur Hand hatte, der einschlägig ausgewiesen war. Nachdem dann die Casanova-Forscher mehr und mehr Fakten aus dem Leben des Venezianers zutage gefördert und überprüft hatten, konnte man jedenfalls noch versuchen, ihn der bewussten Täuschung und Irreführung seiner Leser zu überführen. "Giacomo Casanova und sein Lebensroman" (1922) nannte Gustav Gugitz denn auch programmatisch seine monumentale Biographie, durch die es immerhin möglich wurde, Korrekturen an der "größten Selbstdarstellung des achtzehnten Jahrhunderts" (Hans Blumenberg) anzubringen.
Jüngste Frucht in der Reihe der Bücher über den "wahren", den "wirklichen" und den "anderen" Casanova ist die Biographie von Ingo Hermann ("Casanova". Der Mann hinter der Maske. Die Biographie. Propyläen Verlag, Berlin 2010. 335 S., Abb., geb., 24,95 [Euro]). Nach Kapiteln über Herkunft, Kindheit und Jugend sowie über die misslungenen Versuche, als Mann der Kirche Karriere zu machen, widmet er sich dem "Verführer", dem "Mann von Welt", dem "Liebhaber der Wissenschaft", dem "Schriftsteller". Hermann möchte den wahren Casanova, den "Mann hinter der Maske", darstellen und landet doch bei der planen Nacherzählung, die über die uninspirierten Vorlagen der Biographien von Hermann Kesten und Roberto Gervaso nicht hinauskommt. Casanova liebte das Rollenspiel, eine Maske trägt er deshalb noch lange nicht. Selbst wenn es darum gehen sollte, Casanova in irgendeiner Weise zu entlarven, Ingo Hermann wäre nicht der geeignete Mann dazu, denn fast immer übernimmt er unkritisch dessen Darstellung.
Casanova, dem nichts Menschliches fremd war mit Ausnahme einer selbstironischen Sichtweise, war von sich so überzeugt, das er es grundsätzlich nicht mitbekam, wenn er durchschaut wurde. Zum Beispiel im Gespräch mit Friedrich dem Großen, der natürlich Erfahrung hat mit "Projektemachern", die von Hof zu Hof ziehen, um überall ihre sensationellen Erfindungen anzupreisen: wie etwa die maroden Wasserspiele im Park von Sanssouci zu sanieren seien oder eine neue Einkommensquelle für die ewig klammen Herrscher erschlossen werden könne. Casanova kann kaum den Mund aufmachen, ohne dass der König ihn voller Anerkennung unterbräche ("Ah, Sie sind Hydraulik-Spezialist!" - "Wie ich sehe, sind Sie Finanzfachmann!"), wodurch er den Venezianer, der von alledem keine Ahnung hat, in die größte Bedrängnis bringt. Trotzdem bietet der König ihm schließlich eine Stelle an, und zwar als Erzieher in einer Kadettenanstalt für pommersche Landjunker.
Mit Entsetzen muss Casanova, der die glänzendsten Höfe Europas kennengelernt hat, zur Kenntnis nehmen, dass der König höchstselbst die Nachtgeschirre inspiziert und Nachlässigkeiten bei der Reinigung aufs schärfste rügt. Casanova reist beleidigt ab, denn mit so einem König will er nichts zu tun haben. Dass ihm soeben eine Lektion erteilt worden ist, kapiert Casanova nicht, ebenso wenig wie, leider, sein Biograph.
HARTMUT SCHEIBLE
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