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Produktdetails
  • Verlag: Taschen Verlag
  • Seitenzahl: 440
  • Erscheinungstermin: Juni 2007
  • Deutsch, Englisch, Französisch
  • Abmessung: 470mm x 340mm x 65mm
  • Gewicht: 6082g
  • ISBN-13: 9783822864128
  • ISBN-10: 3822864129
  • Artikelnr.: 09979648
  • Herstellerkennzeichnung
  • Die Herstellerinformationen sind derzeit nicht verfügbar.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 19.03.2002

Vor der Tür des Hauses steht der Bauherr
Wie bei Taschens unterm Sofa: Zwei Bildbände lassen den Traum vom modernen Eigenheim nachträumen / Von Wolfgang Pehnt

Ein eigenes Haus zu bauen gehört zu den stabilsten Wünschen der Menschen. Daran hat das Jahrhundert der Moderne nichts geändert. Unabhängigkeit und Sicherheit, Lebensstil nach eigener Wahl, Prestige nach außen und das verborgene Glücksgefühl, ein kleines Stück irdischer Oberfläche sein eigen zu nennen, machen eine Mischung rationaler wie irrationaler Motive aus. Das selbstgeplante Wohnhaus ist die privilegierte Steigerungsform des normalen Eigenheims. Hier dürfen sich die Vorstellungen der Bewohner in Pfeilern und Wänden, in Räumen und Formen materialisieren.

Den Architekten bieten Land- und Stadthaus die selten gewordene Chance, auf einen Auftraggeber mit Namen und Gesicht zu treffen. Allenthalben hat sich der Klient in Konsortien, Anlegergemeinschaften und Projektentwickler aufgelöst. Doch vor der Tür des eigenen Hauses steht er, der Bauherr persönlich. Er macht gute oder böse Miene zum Spiel des Architekten, inspiriert oder behindert ihn und hat meist viel zuwenig Geld. Die Pioniere der Moderne waren vom sozialen Gewissen geplagt, wenn sie die Bauwünsche wohlhabender Kunstfreunde, Bankiers oder Industrieller erfüllten. Waren sie nicht aufgebrochen, den Massen zu besseren Wohnverhältnissen zu verhelfen?

Beschwichtigend wirkte die Hoffnung, das private Haus könne als Laboratorium praktischer Wohnforschung dienen, deren Ergebnisse allen zugute kommen würden. Es war leichter, einen wagemutigen Bauherrn für neue Ideale und Techniken zu erwärmen als eine Wohnungsbaugesellschaft, die auf die Rendite ihrer Kapitalgeber und die Akzeptanz durch unbekannte künftige Eigentümer oder Mieter bedacht sein mußte. Die ambitionierte Klientel ist auch heute nicht ausgestorben. Der Buchmarkt scheint sogar auf eine Konjunktur von Villa und Landhaus zu deuten. Richard Westons Buch über das Haus im zwanzigsten Jahrhundert folgt nach nur wenigen Jahren dem ähnlich angelegten Band eines anderen angelsächsischen Autors, John Welsh ("Das moderne Haus", bei Ernst & Sohn), der ebenfalls die gegenwärtige Produktion auf die historischen Vorgänger bezog.

Weston erzählt die Baugeschichten der einzelnen Häuser, um mit ihnen die Baugeschichte der vergangenen hundertfünfzig Jahre zu beschreiben, von William Morris' und Philip Webbs heimeligem Altklassiker, dem Red House in Bexley Heath, bis zu den skandinavisch vernünftigen, postmodern unvernünftigen, dekonstruktivistischen oder minimalisierten Gesamtkunstwerken unserer Tage. Da das Haus stets eine zentrale Aufgabe geblieben ist, an der sich Anhänger aller Richtungen versucht haben, geht die Strategie des Autors auf. Massenwohnungsbau wird nur einmal berührt, in der Epoche des Neuen Bauens. Warum nur hier, wenn überhaupt? So, wie Weston seine Darstellung angelegt hat, nimmt sie sich wie eine Geschichte uneingeschränkter Erfolge aus. Pluralistische Ausdrucksfreiheit nimmt zu, Widersprüche von globaler Erfahrung und lokaler Rücksichtnahme scheinen lösbar, Technologie und Ökologie werden in geglückte Synthesen eingebracht. Daß die Gewinne auch mit Verlusten erkauft sind, bleibt beiseite. Die großen Domizile vor dem Ersten Weltkrieg, von treuem Dienstpersonal bewirtschaftet, besaßen ein Raumvolumen, von dem heutige Bewohner nur träumen können. Der ständigen Novitätensucht waren sie weit weniger ausgesetzt. Voyseys oder Mackintoshs gelassene Landhäuser haben ihr Entstehungsdatum bewundernswert überdauert. Dagegen sehen die fetzigen Collagen eines Frank O. Gehry oder Eric Owen Moss, die erst zwei oder drei Jahrzehnte auf dem Dachrücken haben, schon ganz schön alt aus.

Ein Kapitel, das in Westons Jahrhundertperspektive nur ein paar Seiten einnehmen kann, füllt ein riesiges Album des Taschen-Verlages. 1944 hatte der Herausgeber der kalifornischen Architekturzeitschrift "Arts & Architecture", John Entanza, einen Wettbewerb für Fallstudien ausgeschrieben, für "Case Studies". Überwiegend trat die Zeitschrift zunächst selbst als Bauherr auf. Solange sie existierte, bis 1966, entstanden sechsunddreißig Entwürfe, von denen zwei Drittel realisiert wurden. Wenn das Ziel war, preisgünstige, vielfach anwendbare Typen zu schaffen, so wurde es verfehlt. Aber die prominentesten Case Study Houses haben inzwischen Kultstatus erreicht.

Der Erfolg hatte unterschiedliche Gründe. Die Avantgarde, die Mies van der Rohes Farnsworth House und Philip Johnsons Glashaus bewunderte, sah in den Holz- und Stahlgerüstbauten eine Moderne für jedermann. Sie sind leicht, transparent, flexibel zu unterteilen, machen nach außen wie innen deutlich, was und wie wenig sie trägt. Entworfen wurden sie von regional und manchmal auch von international bekannten Architekten, darunter Craig Ellwood, Charles und Ray Eames, Richard Neutra und Eero Saarinen. Viele liegen spektakulär am Meeresufer oder über einem Canyon, oberhalb von Ozeanrauschen und Freeway-Lärm. Ihre Bewohner müssen sich ausgesetzt und geschützt zugleich vorkommen.

Niemand hat dem Lifestyle dieser kalifornischen Experimente so beredten Ausdruck gegeben wie der Fotograf Julius Shulman, der hier auch mit einem Essay vertreten ist. Seine Kollegen nannten ihn "one-shot Shulman", weil er für jedes seiner hochartifiziellen Bilder angeblich nur eine Aufnahme benötigte. Diese zelluloidsparende Technik gelang, weil sie am Schluß einer aufwendigen Inszenierung von Raum und Personal stand. Daß Pierre Koenigs Case Study House Nr. 22 zum berühmtesten Beispiel der Reihe geworden ist, verdankt der Architekt Shulmans Regie. Mit einstudierter Lässigkeit posieren zwei junge Damen auf einer verglasten Lichtinsel, die fragil über dem nächtlichen Los Angeles schwebt.

In die Kategorie der "coffee-table books" gehört dieser zehnpfündige Band nur deshalb nicht, weil unter seinem Gewicht jedes Couchtischchen zusammenbrechen würde - zumindest jene, die zu den Möbeln Herman Millers oder Knoll Internationals passen. Verleger Taschen besitzt selbst eine bei Weston abgebildete Haus-Ikone im San Fernando Valley. Den Panorama-Blick aus solchen Aussichtskanzeln dürfen wir weniger Begünstigte nun im Panorama-Format des Buches nachvollziehen und uns blätternderweise mit den smarten Herrschaften identifizieren, die auf Shulmans Fotos in schwarzem Anzug oder lindgrünem Cocktailkleid das Glück des perfekten Wohnens vorexerzieren.

Richard Weston: "Das Haus im 20. Jahrhundert". Aus dem Englischen von Bernadette Ott. Knesebeck Verlag, München 2002. 272 S., 400 Farb- u. S/W-Abb., geb., 49,90 .

Elizabeth A. T. Smith: "Case Study Houses". The Complete CSH Program. Edited by Peter Gössel. English/German/ French. Benedikt Taschen Verlag, Köln 2002. 464 S., Großformat, 1000 Farb- u. S/W-Abb., geb., 150,- .

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Perlentaucher-Notiz zur FR-Rezension

Kritisch aber zugleich überaus beeindruckt bespricht Daniel Kothenschulte diesen Band zu den Case Study Houses. Der Band, der einen guten Einblick in Julius Schulmans Fotografien der "Prototypen moderner Klassiker in Los Angeles" gebe, sei nicht nur sehr informativ sondern angesichts seines großen Formates und seiner Stärke mit 150 Euro auch durchaus preisgünstig. Das Lob des Rezensenten beschränkt sich allerdings auf den bildlichen Teil des Bandes, denn an der Autorin hat er zu bemängeln, dass sie "jede Architekturkritik vermeidet". Und diese wäre seiner Ansicht nach durchaus angemessen. Schließlich hätten die diversen Architekten der Case Study Houses ihr eigenes Ziel nicht erreicht: modernes Wohnen erschwinglich zu machen.

© Perlentaucher Medien GmbH