Yale, Anfang der Fünfziger Jahre. Assistenzprofessor Dr. William Friedrich ist ehrgeizig, kinderreich und unterbezahlt, als er einem exotischen Wirkstoff auf die Spur kommt, in dem er eine pharmazeutische Sensation wittert. Das ideale Versuchskaninchen scheint Casper zu sein, ein kontaktgestörter, lebensmüder Überflieger - Physikstudent und Freund von Friedrichs großer, glücklicher Familie. Das Mittel verwandelt Casper in einen spektakulär erfolgreichen Aufsteiger - bis er eines Tages zum Killer wird. Fortan prägt Casper als wiederkehrender Alptraum das Leben der Friedrichs - und insbesondere das Leben von Zach, dem Sohn, der erst nach der Katastrophe geboren wurde. Furios und mitreißend entfaltet sich der turbulente tragikomische Roman einer Familie in jener pharmagläubigen Zeit, als die Lifestyledrogen weltweit laufen lernten und Selbstfindung Pillenform anzunehmen schien
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 03.03.2008Krankenakten
1952 ist ganz offensichtlich kein gutes Jahr, um verrückt zu werden. Während die psychiatrischen Einrichtungen überquellen von traumatisierten Kriegsheimkehrern, von Schizophrenen, Depressiven und Psychotikern, hat die Forschung nur wenig zu bieten, um deren Leiden zu lindern. Doch die Entwicklung einer pharmazeutischen Wunderwaffe liegt in der Luft. Der bislang vor allem als Chronist der amerikanischen Party- und Peopleszene hervorgetretene Autor Dirk Wittenborn hat jetzt einen Roman über die Pioniere der Neuropharmakologie geschrieben. Es ist vor allem ein Buch über deren Opfer geworden. "Dr. William Friedrichs Ambitionen waren sehr bescheiden", heißt es zu Beginn dieser Geschichte, die sich um die Karriere eines aufstrebenden Yale-Professors für Psychologie windet. "Er suchte nach einer Möglichkeit, Glück zu verschreiben." Daran, dass er das Gegenteil erreicht hat, lässt Wittenborn auf knapp fünfhundert Seiten keinen Zweifel. Experimente mit einem exotischen Buschgewächs führen schon bald zu vielversprechenden Studienerfolgen an "echten Kranken". Als einer davon, der soziopathische Student Caspar Gedsic ("selbst wenn er nicht nervös war, hatte er feuchte Hände"), zum Killer wird, gerät das Leben der Friedrichs in eine dramatische Schieflage. Es ist am Ende die Unentschlossenheit, mit der Wittenborn sein Personal zwischen den gröbsten Klischees von Familienchronik, Thriller und Gesellschaftsstudie zerreibt oder im Ödland vernachlässigter Handlungsstränge einfach versickern lässt: leider kein ganz großer Wurf zu einem großen Thema. (Dirk Wittenborn: "Casper". Roman. Aus dem Englischen übersetzt von Angela Praesent. DuMont Verlag, Köln 2007. 477 S., geb., 22,90 [Euro].) teut
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
1952 ist ganz offensichtlich kein gutes Jahr, um verrückt zu werden. Während die psychiatrischen Einrichtungen überquellen von traumatisierten Kriegsheimkehrern, von Schizophrenen, Depressiven und Psychotikern, hat die Forschung nur wenig zu bieten, um deren Leiden zu lindern. Doch die Entwicklung einer pharmazeutischen Wunderwaffe liegt in der Luft. Der bislang vor allem als Chronist der amerikanischen Party- und Peopleszene hervorgetretene Autor Dirk Wittenborn hat jetzt einen Roman über die Pioniere der Neuropharmakologie geschrieben. Es ist vor allem ein Buch über deren Opfer geworden. "Dr. William Friedrichs Ambitionen waren sehr bescheiden", heißt es zu Beginn dieser Geschichte, die sich um die Karriere eines aufstrebenden Yale-Professors für Psychologie windet. "Er suchte nach einer Möglichkeit, Glück zu verschreiben." Daran, dass er das Gegenteil erreicht hat, lässt Wittenborn auf knapp fünfhundert Seiten keinen Zweifel. Experimente mit einem exotischen Buschgewächs führen schon bald zu vielversprechenden Studienerfolgen an "echten Kranken". Als einer davon, der soziopathische Student Caspar Gedsic ("selbst wenn er nicht nervös war, hatte er feuchte Hände"), zum Killer wird, gerät das Leben der Friedrichs in eine dramatische Schieflage. Es ist am Ende die Unentschlossenheit, mit der Wittenborn sein Personal zwischen den gröbsten Klischees von Familienchronik, Thriller und Gesellschaftsstudie zerreibt oder im Ödland vernachlässigter Handlungsstränge einfach versickern lässt: leider kein ganz großer Wurf zu einem großen Thema. (Dirk Wittenborn: "Casper". Roman. Aus dem Englischen übersetzt von Angela Praesent. DuMont Verlag, Köln 2007. 477 S., geb., 22,90 [Euro].) teut
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Perlentaucher-Notiz zur ZEIT-Rezension
"Ein Buch wie eine Psychoanalyse", schreibt Rezensentin Meike Hauck beeindruckt, weil es sich aus ihrer Sicht weiter als viele andere in die Abgründe "unseres Verhaltens und unserer Ängste" wagt. Nur auf den ersten Blick fügt sich der Roman und seine scheinbar recht einfache Geschichte für die Rezensentin in die Kategorie des amerikanischen Bildungs- und Familienromans. Tatsächlich aber ist "Casper" aus ihrer Sicht fast schon kein Buch mehr, sondern ein Wesen mit Eigenleben, das seine Leser (also auch sie) verfolgt. Es geht um einen Psychologen in den fünfziger Jahren, dessen Patient (und Sohn) nach einem Experiment mit einem Psychopharmakum den Verstand verlor. Das Buch erzählt nun, wenn man die Zusammenfassung der Rezensentin richtig versteht, wie die Familie mit dem Drama fertig wird, es verdrängt und sich schließlich mit der Wiederkehr des Verdrängten konfrontiert sieht. Und zwar augenscheinlich so eindringlich, dass sich die Rezensentin vor dem Buch zu fürchten beginnt.
© Perlentaucher Medien GmbH
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