Eine Verhaftung wirbelte Ende 17. Jahrhundert viel Staub auf: Die Berner Adlige Catherine von Wattenwyl wurde als Spionin des Franzosenkönigs Louis XIV festgenommen. Der folgende Prozess rückte das Leben einer Frau ins Zentrum, die sich nie an die Vorgaben ihrer Zeit hielt. Früh schon verlor Catherine ihre Eltern. Das Mädchen interessierte sich mehr für Pistolen als für Puppen und Nähzeug und hätte liebend gern wie ihre Brüder eine Karriere im französischen Heer angetreten. Auch als junge Frau erregte Catherine Aufsehen: Sie duellierte sich, ritt besser als viele Männer, stand einem Schattenhof vor und mischte sich in die Politik ein. Mit diesem unweiblichen Verhalten fiel sie ihrer Familie zur Last. Catherine wurde ein erstes Mal verheiratet - unter ihrem Stand - mit einem jungen Pfarrer. Die erzwungene Ehe vermochte sie nicht zu brechen; wider Erwarten fand sie auf dem Land sogar etwas wie ein bescheidenes Glück.Aber der Mann starb an einer Seuche,und als junge Witwe kehrte sienach Bern zurück. Die zweite Ehe war passender: Samuel Perregaux - Gerichtsschreiber aus Neuenburg - teilte ihre Leidenschaft für den Sonnenkönig. Nur reichten seine Mittel für eine angemessene Erziehung des einzigen Sohnes nicht aus. Catherine nutzte deshalb ihre Beziehungen zu den besten Familien Berns und verdingte sich als Informantin des französischen Botschafters.
Perlentaucher-Notiz zur NZZ-Rezension
Etwas reißerisch findet Beatrice Eichmann-Leutenegger die Etikettierung der Catherine von Wattenwyl als "Amazone, Pfarrfrau und Spionin", obwohl es zumindest hinlänglich deutlich macht, wofür die Adelsfrau steht: den Ausbruch aus vorgegebenen Rollenmustern. Catherine von Wattenwyl, die von 1645 bis 1714 gelebt hat, stammte aus einem angesehenen Berner Adelsgeschlecht, gefiel sich schon früh in männlichen Posen, mischte in politischen Angelegenheiten mit und scheute auch nicht das Duell, erzählt die Rezensentin. Ihre Tätigkeit als Informantin des französischen Botschafters führte sie in den Kerker, aber sie überstand sogar die Folterung und wurde im anschließenden Prozess freigesprochen. Therese Bichsel habe ihrem historischen Roman die Memoiren dieser abenteuerlustigen Frau zugrunde gelegt, erklärt Eichmann-Leutenegger, der jedoch nicht chronologisch angelegt sei, sondern sich an den Schauplätzen orientiere. Dass die Autorin ihre Anmerkungen zu diesen Lebensorten aus heutiger Sicht hat einfließen lassen, stört nach Eichmann-Leutenegger die Geschlossenheit der historischen Darstellung. Spannend sei der Roman dennoch.
© Perlentaucher Medien GmbH
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