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100. Geburtstag Celestino Piattis am 5. Januar 2022
Eine solche Grafiker-Karriere gibt es nur einmal: Celestino Piattis (1922-2007) Bilder haben sich in das kollektive Bewusstsein eingeprägt. Besonders seine über 6000 Buchumschläge, die er von 1961 bis Mitte der 1990er-Jahre für den Deutschen Taschenbuch Verlag gestaltet hat, seine unverkennbaren Plakate und seine in viele Sprachen übersetzten Kinderbücher waren prägend für mehrere Generationen von Leserinnen und Lesern. Piatti hat aber auch Gemälde, Lithographien, Illustrationen und Skulpturen geschaffen, die Teil seines ideell wie auch…mehr

Produktbeschreibung
100. Geburtstag Celestino Piattis am 5. Januar 2022

Eine solche Grafiker-Karriere gibt es nur einmal: Celestino Piattis (1922-2007) Bilder haben sich in das kollektive Bewusstsein eingeprägt. Besonders seine über 6000 Buchumschläge, die er von 1961 bis Mitte der 1990er-Jahre für den Deutschen Taschenbuch Verlag gestaltet hat, seine unverkennbaren Plakate und seine in viele Sprachen übersetzten Kinderbücher waren prägend für mehrere Generationen von Leserinnen und Lesern. Piatti hat aber auch Gemälde, Lithographien, Illustrationen und Skulpturen geschaffen, die Teil seines ideell wie auch materiell reichhaltigen künstlerischen Erbes sind. 2022 wäre Celestino Piatti 100 Jahre alt geworden. Das Jubiläum bietet Anlass, sein einzigartiges Oeuvre in einem Bildband zu würdigen
Autorenporträt
Barbara Piatti (_1973), Dr. phil., Tochter von Celestino Piatti, Gründungsmitglied des Vereins Celestino Piatti - das visuelle Erbe. Freischaffende Literaturwissenschaftlerin und Sachbuchautorin in Basel. Schwerpunkte sind Schweizer Kulturgeschichte und Literaturgeografie. Zuvor Forschungsaufenthalte an der Stanford University (USA), der Karls-Universität in Prag, Fellow am Wissenschaftskolleg zu Berlin, Forschungsgruppenleiterin am Institut für Kartografie und Geoinformation der ETH Zürich.

Claudio Miozzari (_1977), lic. phil., Historiker und Unternehmer in Basel. Er ist Gründungsmitglied des Vereins Celestino Piatti - das visuelle Erbe. Mit der Miozzari + Co. GmbH engagiert er sich für kulturelle Projekte in Form von Publikationen, Ausstellungen und Veranstaltungsreihen sowie für die Kulturgütererhaltung. Seit 2017 ist er Mitglied des kantonalen Parlaments in Basel-Stadt.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 04.01.2022

Bei Eulen geht Liebe durch die Augen

Handschrift ist keine Selbstverständlichkeit: Der Schweizer Illustrator und Buchgestalter Celestino Piatti prägte das Erscheinungsbild des Deutschen Taschenbuch Verlags. Eine bilderreiche Monographie würdigt sein Werk.

Wie alles anfing, mit ihr und dem Eulenmaler, beschreibt Ursula Piatti, geborene Huber, aus dem Abstand von 58 Jahren so: Im Schaufenster einer Buchhandlung "sahen mir zwei Eulen hypnotisierend und mit sprechenden Augen entgegen. Ich blieb lange stehen. Seltsames passierte, es war magisch." Die junge Journalistin kauft sich das Buch "Eulenglück", für das im Schaufenster geworben wird, in zwei Exemplaren, trennt die Einbände auf und hängt sich die Seiten an die Wand ihres Zimmers. Später bittet sie Piatti um ein Interview zu "Eulenglück", das er erst ablehnt und dann zusagt, nachdem er sich vergewissert hat, dass sie identisch mit jener Autorin der "National-Zeitung" sei, deren Texte ihm aufgefallen waren. Man kennt sich also gewissermaßen, noch bevor man sich trifft. "Fünf Jahre später heirateten wir - unsere Hochzeitsanzeige schmückte das Eulenpaar aus dem 'Eulenglück', und unser Basler Atelier, Wohn- und Arbeitsort in einem, nannten wir die Eulenburg." Eulen schmückten dann auch 1973 und 1979 die Geburtsanzeigen für die beiden Töchter Barbara und Celestina, und das Familienleben unter dem Zeichen des nachtaktiven Vogels wurde schließlich sogar von den Behörden anerkannt: Auf Antrag der Piattis wurde aus deren Wohnadresse "Rainweg" dann der "Eulenweg".

Das ist eine romantische Geschichte, die sich an ein Tier knüpft, dem normalerweise wenig Romantisches nachgesagt wird. Im Gegenteil: Der Vogel der klugen Athene symbolisiert eher den Kopf - schließlich kam die Göttin auf diesem Weg, dem Haupt des Zeus entsprungen, auch zur Welt - als das Herz. Warum sich das Paar, im Lebensalter um volle zwanzig Jahre auseinander, trotzdem darin gespiegelt fand, zeigt am besten der Blick ins 1963 erschienene Buch, dessen Text von Theo van Hoijtema stammt und das nun zusammen mit Piattis übrigen Kinderbüchern neu bei NordSüd erschienen ist. Es geht um ein friedlich miteinander lebendes Eulenpaar und eine Gruppe zänkischer Vögel auf einem nahe gelegenen Bauernhof. Das Federvieh, das "nichts weiter im Sinn hatte als Fressen und Trinken", will nun von den Eulen wissen, warum sie so gut miteinander auskommen. "Die Eulen", heißt es weiter, "machten große Augen" zu dieser Frage und erzählen dann vom Glück, gemeinsam einfach den Gang der Jahreszeiten zu beobachten. Dem Federvieh erschließt sich das nicht. Es will "lieber weiter prunken, fressen, trinken und streiten, kehrte den Eulen den Rücken und setzte sein altes Leben fort". Auch die Eulen stellen fest, dass es da keine Verständigung gibt. Sie "rückten noch ein bisschen näher zusammen, blinzelten mit ihren großen, runden Augen und versanken wieder in ihre friedlichen Gedanken".

Natürlich passt so eine Geschichte glänzend in die gesellschaftlich unruhige Entstehungszeit des Buches, und wer möchte schon "prunken, fressen, trinken und streiten", wenn der betont antimaterialistische Lebensentwurf mit den "friedlichen Gedanken" so verlockend danebengestellt wird? Nur war es ja nicht das, was der Journalistin jenen "magischen" Moment vor dem Schaufenster bescherte - es waren die Augen, die sie als hypnotisch empfand. Tatsächlich betonen Celestino Piattis Bilder genau das und setzen einen starken Akzent, den der Text zwar liefert, aber längst nicht so betont wie der Illustrator. Die "großen Augen" der Eulen sind das Mittel der Welterkenntnis, und wenn die Tiere diese auf der letzten Doppelseite des Buches ganz dem Betrachter zuwenden, dann ist dieser Blick ein gemeinsamer der beiden Vögel, deren Köpfe fast verschmelzen. Das Zusammensein der Eulen erwächst aus dem Bedürfnis, sich der Welt zu stellen und sie zu genießen, Jahreszeit für Jahreszeit. Es ist ein Entwurf von Partnerschaft als gemeinsames geistiges Abenteuer. Ein Vorschlag, der offenbar verstanden und angenommen wurde.

Dass es im umfangreichen Werk von Celestino Piatti auch sonst nicht an Eulen fehlt, lässt sich nun in einem großformatigen Band, der zum morgigen hundertsten Geburtstag des Künstlers erschienen ist, aufs Schönste nachlesen. Der Sohn eines Tessiner Maurers, der in Dietlikon im Kanton Zürich aufwuchs, absolvierte eine Grafikerlehre und arbeitete zwischen 1944 und 1947 im Atelier des Basler Grafikers Fritz Bühler, bevor er sich gemeinsam mit seiner ersten Frau Marianne selbständig machte. Die beiden Grafiker teilen sich ein Atelier, zwei Kinder werden geboren, und weil das Paar über viele Kontakte verfügt, dauert es nicht lange bis zu den ersten Aufträgen für Messestände und Plakate - insgesamt wird Celestino Piatti gemeinsam mit seiner Frau oder allein mehr als fünfhundert Plakate entwerfen und dabei von Anfang an einen eigenen Stil erkennen lassen, dessen Konturen aber im Lauf der Zeit immer stärker hervortreten.

Was er zeichnet, ist auf den ersten Blick erkennbar, die farbigen, flächigen Figuren sind oft von dicken schwarzen Rändern umgeben und erfüllen so ihre gewünschte Funktion. Zugleich aber haftet ihnen nie etwas Gewöhnliches an, nichts allzu oft Gesehenes, nichts Trockenes, nichts Witzloses. Bekanntes wird abgewandelt, keine Eule gleicht der anderen, und wie die Beiträger des Sammelbandes - darunter der Kunstkritiker Sven Behrisch, die Literaturwissenschaftlerin Christine Lötscher, der Designer Jens Müller oder Andreas Platthaus, Redakteur im Feuilleton der F.A.Z. - auf unterschiedlichen Wegen zeigen, sind die jeweiligen Ergebnisse nicht selten zahlreichen Entwürfen geschuldet, die nicht weniger reizvoll sind, oder haben es auch in mehrfachen Varianten an die Plakatwände geschafft.

Zum Beispiel ganze siebzehn Arbeiten für die Basler Rabattmarken. Da sind etwa drei Goldhamster, die es vor Glück nicht mehr auf dem Boden hält, die wie Flummis herumspringen. Oder Trompete blasen, oder sich eine Rabattmarke vor den Bauch halten - "er weiss warum!" steht oben auf dem Plakat, das übrigens wie viele andere auch von dem selbstbewussten Künstler signiert ist.

Piatti wirbt für Bier und zugleich für Abstinenz, für Zigaretten und gegen das Rauchen. "Mehr Verantwortung weniger Alkohol", so steht es 1956 auf dem Plakat für die "Aktion Gesundes Volk", zu sehen ist ein Foto seines kleinen Sohns Michael, dessen Physiognomie durchaus an den Vater erinnert, vor einer gemalten Flasche, aus der Flammen schlagen. Auf einer nur zwei Jahre älteren Arbeit hält eine schlanke Hand ein strahlend gelbes Bier mit weißer Krone auf einem Plakat, neben der Aufschrift "Bier ist etwas Gutes", was die Vorgabe des Schweizerischen Bierbrauvereins vollständig umsetzt, der erklärtermaßen "mit unserer Propaganda bewirken" will, "dass sich die Frau vermehrt dem Bier zuwendet". Piatti entwirft ein Plakat für das Pelztragen und zwanzig Jahre später ein Illustriertencover dagegen. Und einem 1981 entworfenen "Anti-Raucher-Plakat" mit einem qualmenden Totenkopf, gekrönt mit einem Heiligenschein ("Auch Raucher werden Engel - nur früher") stehen zahlreiche Werbeplakate für längst vergessene oder gerade noch bekannte Marken entgegen, übrigens von durchaus verführerischer Schönheit.

Für und Wider also in der Welt des Konsums - und zugleich ist Piattis moralischer Kompass unübersehbar, wenn es um Bedürftige geht. Er arbeitet für Spendenorganisationen und engagiert sich gegen eine Politik, die ihm zuwider ist, etwa die gewaltsame Niederschlagung des Prager Frühlings - die Invasoren erscheinen auf einem Cover des Magazins "Nebelspalter" als Chimären aus Panzern und Raubtieren.

Seine große Stunde - und die des Lesepublikums gleich mit - schlägt, als er 1960 ausgewählt wird, die Bücher des neugegründeten Deutschen Taschenbuch Verlags (dtv) zu gestalten. Seit 1961 entstehen so mehr als sechstausend Cover mit der charakteristischen rechtsbündigen Schrift und Piattis meist kolorierten Bildern. Manchen sieht man die intensive Beschäftigung des Künstlers mit dem Inhalt an, bei anderen setzt das Ergebnis keine spezielle Lektüre voraus - etwa die wunderbare Dschunke mit dem zweifarbigen Segel für "Lyrik des Ostens: China" oder das Tintenfass mit Schreibgerät für Frenzels "Daten deutscher Dichtung", wobei sich gerade hier Piattis Sorgfalt beweist: Den ersten Band ("Von den Anfängen bis zur Romantik") ziert ein Federkiel auf einem altertümlich runden Fässchen, den zweiten eine Stahlfeder auf einem kubischen. "Wahrscheinlich", schreibt der Verlagsleiter Heinz Friedrich an den Gestalter am 15. Dezember 1988, "wird dem 'Normalkäufer' gar nicht mehr bewusst, was ihn an den dtv-Büchern anzieht und wodurch sich diese von anderen Taschenbüchern unterschieden. Erst wenn es Ihre Handschrift einmal nicht mehr geben wird, dürfte sich herausstellen, dass die Selbstverständlichkeit unseres Erscheinungsbildes durchaus keine Selbstverständlichkeit war." Tatsächlich wird man sich einige dieser Cover leicht ins Gedächtnis rufen oder bei der Wiederbegegnung das Raffinement vieler von ihnen schätzen, selbst ohne den Namen des Künstlers zu kennen, der da hinter seiner Handschrift verschwindet.

"Die Arbeit an diesem Buch bot Gelegenheit, die Archive schrittweise tiefer zu erkunden", schreiben die Herausgeber Claudio Miozzari und Barbara Piatti, eine Tochter des Künstlers. Das Buch sei allerdings nur der Anfang, heißt es weiter, zu heben sei in den Archiven noch sehr viel mehr. Bis zum nächsten Jubiläum wollen wir nicht darauf warten. TILMAN SPRECKELSEN.

Celestino Piatti: "Alles, was ich male, hat Augen".

Hrsg. von Claudio Miozzari und Barbara Piatti. Christoph Merian Verlag/Dtv, Basel/München 2021. 408 S., Abb., geb., 59,- Euro.

"Piatti für Kinder".

Mit Texten von Theo van Hoijtema, Ursula Piatti, Aurel von Jüchen, Max Bolliger, Hans Schumacher. NordSüd Verlag, Zürich 2021. 220 S., geb., 30,- Euro.

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In sehr vielen seiner Arbeiten sind Augen wesentliche Elemente - Hingucker im Wortsinne. Antje Weber Süddeutsche Zeitung 20220118