Jedem Kind seine Chance
Schulkummer - Kinder, Eltern, Lehrer, alle kennen ihn. In einer gelungenen Verbindung von Kindheitserinnerungen und Lehrererfahrungen erzählt Daniel Pennac von seinem kreativen Umgang mit Schülern und ihren Problemen. Ein ungewöhnliches, ein unentbehrliches Buch über Schule heute.
Er war selbst ein schlechter Schüler, einer von denen, die wie versteinert und mit dumpfem Hirn vor einem leeren Blatt sitzen oder auf Fragen mit Clownerien reagieren. Dennoch schafft Daniel Pennac schließlich das Abitur und wird - Lehrer. Aber er wird ein Lehrer, der diese Verletzungen und Demütigungen nie vergessen hat und der weiß, was es bedeutet, eine Niete zu sein. Und was es für diese Niete bedeutet, liebevolle Lehrer zu finden, die Verständnis haben und die Blockaden im Kopf lösen. Er erzählt von seiner eigenen Schulzeit und von den Stunden, die er später als Lehrer gibt, von seinen zum Teil ungewöhnlichen Methoden, um bei seinen Schülern Begeisterung fürs Lernen zuwecken. In kurzen, spritzig geschriebenen Kapiteln, im Stil an sein Erfolgsbuch "Wie ein Roman" erinnernd, beschreibt Pennac das Verhältnis von Schülern und Lehrern, ihren Umgang miteinander. Er schildert den Alltag in der Schule aus den verschiedenen Perspektiven - da sind die Schüler aus allen sozialen Schichten; die Lehrer, die guten wie die schlechten; Eltern, verständnisvoll, verständnislos, fordernd, überfürsorglich. Und immer wieder appelliert Daniel Pennac an Eltern und Lehrer, "problematischen" Schülern mit Liebe zu begegnen, ihnen in jeder Weise zu helfen und ihre Talente zu wecken. Denn es gibt keinen hoffnungslosen Fall.
Hinweis: Dieser Artikel kann nur an eine deutsche Lieferadresse ausgeliefert werden.
Schulkummer - Kinder, Eltern, Lehrer, alle kennen ihn. In einer gelungenen Verbindung von Kindheitserinnerungen und Lehrererfahrungen erzählt Daniel Pennac von seinem kreativen Umgang mit Schülern und ihren Problemen. Ein ungewöhnliches, ein unentbehrliches Buch über Schule heute.
Er war selbst ein schlechter Schüler, einer von denen, die wie versteinert und mit dumpfem Hirn vor einem leeren Blatt sitzen oder auf Fragen mit Clownerien reagieren. Dennoch schafft Daniel Pennac schließlich das Abitur und wird - Lehrer. Aber er wird ein Lehrer, der diese Verletzungen und Demütigungen nie vergessen hat und der weiß, was es bedeutet, eine Niete zu sein. Und was es für diese Niete bedeutet, liebevolle Lehrer zu finden, die Verständnis haben und die Blockaden im Kopf lösen. Er erzählt von seiner eigenen Schulzeit und von den Stunden, die er später als Lehrer gibt, von seinen zum Teil ungewöhnlichen Methoden, um bei seinen Schülern Begeisterung fürs Lernen zuwecken. In kurzen, spritzig geschriebenen Kapiteln, im Stil an sein Erfolgsbuch "Wie ein Roman" erinnernd, beschreibt Pennac das Verhältnis von Schülern und Lehrern, ihren Umgang miteinander. Er schildert den Alltag in der Schule aus den verschiedenen Perspektiven - da sind die Schüler aus allen sozialen Schichten; die Lehrer, die guten wie die schlechten; Eltern, verständnisvoll, verständnislos, fordernd, überfürsorglich. Und immer wieder appelliert Daniel Pennac an Eltern und Lehrer, "problematischen" Schülern mit Liebe zu begegnen, ihnen in jeder Weise zu helfen und ihre Talente zu wecken. Denn es gibt keinen hoffnungslosen Fall.
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Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 31.07.2009Eines Tages schafft er es
Daniel Pennac weiß, was gegen Schulkummer hilft
Wenn heute in Bayern die Schulzeugnisse verteilt werden, verwandelt sich für tausende Eltern und Schüler ein sommerlicher Freitag wieder einmal in einen Black Friday. Die Fünf in Mathe, die Sechs in Latein; kleinlaute Schwüre, dass es im kommenden Jahr besser werde; emotional erschöpfte Eltern, die sich abends, im fahlen Schein der Esstischlampe, einmal mehr fragen, was nur werden soll aus ihrem Kind, während das Kind selbst im Bett liegt und sich die eigene Zukunft nur als noch düsterere Version der Gegenwart vorstellen können. Die anschließenden sechs Wochen Sommerferien sind da oft nur eine Art Rekonvaleszenz, um das zerschlissene Nervenkostüm der ganzen Familie wieder notdürftig zu stopfen.
Daniel Pennac kennt all diese Gefühle von drei Perspektiven aus: als ehemaliger Schüler, als Vater und als ehemaliger Lehrer. Und er hat nun aus der vierten Perspektive, aus der des ironisch-freundlichen Schriftstellers ein schönes Buch über den „Schulkummer” geschrieben, das viele Pädagogikwälzer ersetzt.
Es fängt an mit einer Anekdote: Daniel Pennacs Bruder schaut zusammen mit der hundertjährigen Mutter der beiden eine Dokumentation an, in der Pennacs Werdegang erzählt wird, ein Porträt des ehemaligen Lehrers, aus dem einer der erfolgreichsten Gegenwartsautoren Frankreichs wurde. Große Männer wie Sempé und Eco schwärmen von Pennacs Esprit, man sieht ihn selbst, wie er durch Hochnebellandschaften wandert und dabei über Stil und Sprache parliert, wie er sich mit seinen Übersetzern trifft und Preise in Empfang nimmt, kurzum man sieht zwei Stunden lang zur besten Sendezeit das Porträt eines erfolgreichen Intellektuellen. Als aber die Sendung vorbei ist, wendet sich die Mutter mit gramerfülltem Gesicht zu Pennacs Bruder und sagt: „Glaubst Du, dass er es eines Tages schafft?”
So tief hat sich seinerzeit die Sorge dieser Mutter in ihr Gehirn eingebrannt, dass nichts seither diese Grundgestimmtheit vertreiben konnte. Pennac mag für seine Romane um Benjamin Malaussène Preise über Preise gewonnen haben, für die Mutter bleibt er auf ewig das Sorgenkind, der Schulversager, le cancre.
„Cancre” ist ein wunderbares französisches Wort, das die Übersetzerin Eveline Passet glücklicherweise im Original belassen hat. Würde man es mit „schlechter Schüler” übersetzen, wäre Pennacs Intention schon im Ansatz verfehlt. Cancre heißt zunächst mal Krebs. Das Tier. Und die Krankheit. Pennac verknüpft die beiden Krebse mit der dritten Bedeutung des Wortes: „Der Cancre ist ein Kind, das die Schule nicht geradlinig durchläuft, sondern – wie der Krebs - sich immer wieder seitwärts bewegt und äußerst langsam vorankommt. Dabei ist der Cancre nicht einfach ein ,schlechter Schüler’, sondern ein Kind, das vom Cancre-Sein befallen ist wie von einer Krankheit – wie vom Krebs im Sinne des bösartigen Geschwulstes.” So strahlt dieser Begriff fortwährend den Schmerz ab, um den es Pennac vornehmlich geht. Den Schmerz des Versagens. Den Kummer desjenigen, der früh merkt, dass er nicht mitkommt.
Pennac war ein Cancre, wie er im Buche steht. Er kommt aus bildungsbürgerlichem Hause, hatte liebevolle Eltern, „keine Scheidung, keine Verhaltensstörungen, keine erblichen Vorbelastungen”, und doch war er ein schulischer Totalversager. Sobald es um Zahlen, lesen, Faktenwissen ging, schalteten all seine Synapsen auf Durchzug. Laut Familienlegende brauchte er ein Jahr, um das A zu lernen, seine Aufsätze wimmelten von Fehlern, die Lehrer schrieben unter Matheproben „Was soll man sagen.” Als der junge Pennac nach einer dieser alltäglichen vernichtenden Erfahrungen einmal verzweifelt auf die steilen Gebirgswände blickte, die vor dem Elternhaus in den südfranzösischen Himmel wucherten, steckte sein Vater den Kopf zur Tür herein und sagte nur: „Ach Daniel, ich habe vollkommen vergessen, dir zu sagen: Selbstmord ist eine Unvorsichtigkeit!”
Pennac hatte in mehrfacher Hinsicht Glück im Unglück. Da war einmal der Vater, der ihm die Angst nahm, indem er auf sein jahrelanges Versagen mit liebevoller Ironie reagierte: Er braucht ein Jahr, um das A zu lernen? Na, dann beherrscht er doch mit 26 das ganze Alphabet! Mit 26, das ist nun das biographische Wunder, trat Pennac, der immer Klassenschlechtester war, sein erste Stelle als Lehrer an. Und er glaubt, dass es gerade die Erfahrung des eigenen Versagens als Schüler war, die aus ihm einen guten Lehrer machte.
Ein einzelner Lehrer kann genügen, einer, der solch ein Kind zu nehmen weiß. Pennac erzählt von dem Französischlehrer, der in all den Ausreden und Lügen, die der Pennäler Pennac Tag um Tag vorbrachte, den Geschichtenerzähler witterte und der ihm deshalb die Aufgabe stellte, statt der Aufsätze, die die anderen abzuliefern hatten, einen Roman zu schreiben, jede Woche ein Kapitel. Diesem namenlosen Lehrer sind wir zu Dank verpflichtet. Indem er ihm schlicht etwas zutraute, öffnete er in Pennac die Schleusen des Erzählens.
Das Buch ist autobiographische Skizze, pädagogisches Pamphlet und literarischer Versuch in einem. Die Sprache des „Schulkummers” ragt aus der dürren Prosa sonstiger Schulbücher hervor wie ein übervoller Paradiesbaum aus der dürren Steppe des Zweistromlandes. Hinzu kommt, dass Pennac ein Optimist ist, „wer hat gesagt, dass wir ein Leben lang vom Baum der Unkenntnis essen?”
Statt sich an pädagogischen Konstrukten entlangzuhangeln, umkreist Pennac immer neu zwei gegenläufige Grundkräfte: die destruktive Macht der Angst, die Angst, die beim Cancre das Gehirn von innen zu verriegeln scheint, sobald er über einem Buch sitzt; die Angst, die bei den Eltern dazu führt, „sich das, was werden wird, nur als Bild der Gegenwart vorzustellen, projiziert auf die panikmachende Leinwand der Zukunft.” Dem stellt er die konstruktive, ja heilende Kraft der Aufmerksamkeit gegenüber. Er beschreibt das geglückte Unterrichten als „Präsens der Verkörperung”, eine Atmosphäre unvoreingenommener Offenheit, in der der Cancre aus seiner Schale hervorkommt.
Die heimliche, und dennoch ungemein starke Unterströmung dieses Buches aber ist die Liebe zu all den Cancres aus der letzten Bank. Das könnte leicht peinlich sein, hat aber hier den geradezu kathartischen Effekt, dass man nach der Lektüre fast staunend aufblickt, und, wie es ein schul- und schuldgeplagter französischer Vater in einem Blog schrieb, „dann bin ich rübergegangen ans Bett meines schlafenden Sohnes und hatte den Eindruck, den Jungen zum ersten Mal seit langem wahrzunehmen.” ALEX RÜHLE
DANIEL PENNAC: Schulkummer. Aus dem Französischen von Eveline Passet. Kiepenheuer & Witsch, Köln 2009. 288 Seiten, 18,95 Euro.
Laut Familienlegende brauchte er ein Jahr, um das A zu lernen
Der Abschreiber vorne, ist das Daniel Pennac? Der ist 1944 geboren, unser Bild zeigt französische Schüler Anfang der fünfziger Jahre. Foto: AFP
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Daniel Pennac weiß, was gegen Schulkummer hilft
Wenn heute in Bayern die Schulzeugnisse verteilt werden, verwandelt sich für tausende Eltern und Schüler ein sommerlicher Freitag wieder einmal in einen Black Friday. Die Fünf in Mathe, die Sechs in Latein; kleinlaute Schwüre, dass es im kommenden Jahr besser werde; emotional erschöpfte Eltern, die sich abends, im fahlen Schein der Esstischlampe, einmal mehr fragen, was nur werden soll aus ihrem Kind, während das Kind selbst im Bett liegt und sich die eigene Zukunft nur als noch düsterere Version der Gegenwart vorstellen können. Die anschließenden sechs Wochen Sommerferien sind da oft nur eine Art Rekonvaleszenz, um das zerschlissene Nervenkostüm der ganzen Familie wieder notdürftig zu stopfen.
Daniel Pennac kennt all diese Gefühle von drei Perspektiven aus: als ehemaliger Schüler, als Vater und als ehemaliger Lehrer. Und er hat nun aus der vierten Perspektive, aus der des ironisch-freundlichen Schriftstellers ein schönes Buch über den „Schulkummer” geschrieben, das viele Pädagogikwälzer ersetzt.
Es fängt an mit einer Anekdote: Daniel Pennacs Bruder schaut zusammen mit der hundertjährigen Mutter der beiden eine Dokumentation an, in der Pennacs Werdegang erzählt wird, ein Porträt des ehemaligen Lehrers, aus dem einer der erfolgreichsten Gegenwartsautoren Frankreichs wurde. Große Männer wie Sempé und Eco schwärmen von Pennacs Esprit, man sieht ihn selbst, wie er durch Hochnebellandschaften wandert und dabei über Stil und Sprache parliert, wie er sich mit seinen Übersetzern trifft und Preise in Empfang nimmt, kurzum man sieht zwei Stunden lang zur besten Sendezeit das Porträt eines erfolgreichen Intellektuellen. Als aber die Sendung vorbei ist, wendet sich die Mutter mit gramerfülltem Gesicht zu Pennacs Bruder und sagt: „Glaubst Du, dass er es eines Tages schafft?”
So tief hat sich seinerzeit die Sorge dieser Mutter in ihr Gehirn eingebrannt, dass nichts seither diese Grundgestimmtheit vertreiben konnte. Pennac mag für seine Romane um Benjamin Malaussène Preise über Preise gewonnen haben, für die Mutter bleibt er auf ewig das Sorgenkind, der Schulversager, le cancre.
„Cancre” ist ein wunderbares französisches Wort, das die Übersetzerin Eveline Passet glücklicherweise im Original belassen hat. Würde man es mit „schlechter Schüler” übersetzen, wäre Pennacs Intention schon im Ansatz verfehlt. Cancre heißt zunächst mal Krebs. Das Tier. Und die Krankheit. Pennac verknüpft die beiden Krebse mit der dritten Bedeutung des Wortes: „Der Cancre ist ein Kind, das die Schule nicht geradlinig durchläuft, sondern – wie der Krebs - sich immer wieder seitwärts bewegt und äußerst langsam vorankommt. Dabei ist der Cancre nicht einfach ein ,schlechter Schüler’, sondern ein Kind, das vom Cancre-Sein befallen ist wie von einer Krankheit – wie vom Krebs im Sinne des bösartigen Geschwulstes.” So strahlt dieser Begriff fortwährend den Schmerz ab, um den es Pennac vornehmlich geht. Den Schmerz des Versagens. Den Kummer desjenigen, der früh merkt, dass er nicht mitkommt.
Pennac war ein Cancre, wie er im Buche steht. Er kommt aus bildungsbürgerlichem Hause, hatte liebevolle Eltern, „keine Scheidung, keine Verhaltensstörungen, keine erblichen Vorbelastungen”, und doch war er ein schulischer Totalversager. Sobald es um Zahlen, lesen, Faktenwissen ging, schalteten all seine Synapsen auf Durchzug. Laut Familienlegende brauchte er ein Jahr, um das A zu lernen, seine Aufsätze wimmelten von Fehlern, die Lehrer schrieben unter Matheproben „Was soll man sagen.” Als der junge Pennac nach einer dieser alltäglichen vernichtenden Erfahrungen einmal verzweifelt auf die steilen Gebirgswände blickte, die vor dem Elternhaus in den südfranzösischen Himmel wucherten, steckte sein Vater den Kopf zur Tür herein und sagte nur: „Ach Daniel, ich habe vollkommen vergessen, dir zu sagen: Selbstmord ist eine Unvorsichtigkeit!”
Pennac hatte in mehrfacher Hinsicht Glück im Unglück. Da war einmal der Vater, der ihm die Angst nahm, indem er auf sein jahrelanges Versagen mit liebevoller Ironie reagierte: Er braucht ein Jahr, um das A zu lernen? Na, dann beherrscht er doch mit 26 das ganze Alphabet! Mit 26, das ist nun das biographische Wunder, trat Pennac, der immer Klassenschlechtester war, sein erste Stelle als Lehrer an. Und er glaubt, dass es gerade die Erfahrung des eigenen Versagens als Schüler war, die aus ihm einen guten Lehrer machte.
Ein einzelner Lehrer kann genügen, einer, der solch ein Kind zu nehmen weiß. Pennac erzählt von dem Französischlehrer, der in all den Ausreden und Lügen, die der Pennäler Pennac Tag um Tag vorbrachte, den Geschichtenerzähler witterte und der ihm deshalb die Aufgabe stellte, statt der Aufsätze, die die anderen abzuliefern hatten, einen Roman zu schreiben, jede Woche ein Kapitel. Diesem namenlosen Lehrer sind wir zu Dank verpflichtet. Indem er ihm schlicht etwas zutraute, öffnete er in Pennac die Schleusen des Erzählens.
Das Buch ist autobiographische Skizze, pädagogisches Pamphlet und literarischer Versuch in einem. Die Sprache des „Schulkummers” ragt aus der dürren Prosa sonstiger Schulbücher hervor wie ein übervoller Paradiesbaum aus der dürren Steppe des Zweistromlandes. Hinzu kommt, dass Pennac ein Optimist ist, „wer hat gesagt, dass wir ein Leben lang vom Baum der Unkenntnis essen?”
Statt sich an pädagogischen Konstrukten entlangzuhangeln, umkreist Pennac immer neu zwei gegenläufige Grundkräfte: die destruktive Macht der Angst, die Angst, die beim Cancre das Gehirn von innen zu verriegeln scheint, sobald er über einem Buch sitzt; die Angst, die bei den Eltern dazu führt, „sich das, was werden wird, nur als Bild der Gegenwart vorzustellen, projiziert auf die panikmachende Leinwand der Zukunft.” Dem stellt er die konstruktive, ja heilende Kraft der Aufmerksamkeit gegenüber. Er beschreibt das geglückte Unterrichten als „Präsens der Verkörperung”, eine Atmosphäre unvoreingenommener Offenheit, in der der Cancre aus seiner Schale hervorkommt.
Die heimliche, und dennoch ungemein starke Unterströmung dieses Buches aber ist die Liebe zu all den Cancres aus der letzten Bank. Das könnte leicht peinlich sein, hat aber hier den geradezu kathartischen Effekt, dass man nach der Lektüre fast staunend aufblickt, und, wie es ein schul- und schuldgeplagter französischer Vater in einem Blog schrieb, „dann bin ich rübergegangen ans Bett meines schlafenden Sohnes und hatte den Eindruck, den Jungen zum ersten Mal seit langem wahrzunehmen.” ALEX RÜHLE
DANIEL PENNAC: Schulkummer. Aus dem Französischen von Eveline Passet. Kiepenheuer & Witsch, Köln 2009. 288 Seiten, 18,95 Euro.
Laut Familienlegende brauchte er ein Jahr, um das A zu lernen
Der Abschreiber vorne, ist das Daniel Pennac? Der ist 1944 geboren, unser Bild zeigt französische Schüler Anfang der fünfziger Jahre. Foto: AFP
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