Im September 1946 besuchte Winston Churchill die Schweiz und hielt in Zürich seine berühmte Rede zur europäischen Versöhnung («Let Europe arise»). Was kaum einer weiss: Dabei verfolgte er heimlich auch persönliche Ziele, die seiner grossen Leidenschaft geschuldet waren: dem Malen. Er wollte unbedingt einen Mann treffen, dessen Namen kaum einer kannte: Willy Sax. Der Unternehmer aus Urdorf produzierte nämlich hochwertige Künstlerfarben und wurde zum Lieferanten und engen Freund Churchills. Willy Sax erhielt intime Einblicke in das Leben des grossen Staatsmanns wie sonst vielleicht kein anderer Schweizer. Sogar der Bundesrat zählte auf seinen Vermittlerdienst. Das Buch zeichnet die Geschichte dieser aussergewöhnlichen Freundschaft nach, anschaulich und anekdotenreich, ausgestattet mit Originalbriefen, Fotos und Bildern aus dem Nachlass.
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
Super Weihnachtsgeschenk, findet Rainer Blasius. Das Buch von Philipp Gut über die bemerkenswerte Freundschaft zwischen Churchill und dem Schweizer Farbenfabrikanten Sax scheint ihm gut unter den Baum zu passen. Weil es so einfühlsam raunend wie ein Märchen daherkommt, meint Blasius. Und weil die Leserin hier erfahren kann, wie sich der große Krieger und passionierte Hobbymaler bei seinem Schweizer Freund mit den richtigen Blautönen für sein angegriffenes Gemüt eindeckte. Alles gut recherchiert aus dem SaxschenFamilienarchiv, beteuert der Rezensent.
© Perlentaucher Medien GmbH
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Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 15.12.2015Königsblau für Sir Winston
Churchill und Willy Sax
Ein Buch, wie für die Weihnachtszeit geschaffen, weil Philipp Gut einfühlsam einige Geschichtchen erzählt, die wie Märchen klingen: Ein Fabrikant von Künstlerfarben aus Urdorf wurde zum Lieferanten und Freund des Hobbymalers Sir Winston Churchill. Der hielt sich vom 23. August bis zum 20. September 1946 in der Schweiz auf. Dass der Besuch zustande kam, ging auf eine Initiative von Charles Montag aus Winterthur zurück, der in Paris lebte und sich seit dem Ende des Ersten Weltkrieges vornehmlich dem Kunsthandel widmete. Montag, der 1915 an der Französischen Riviera dem zurückgetretenen Ersten Lord der Admiralität, Churchill, Malunterricht erteilt hatte, musste Schweizer Firmen zur Finanzierung der Reise des britischen Oppositionsführers gewinnen, der 1945 als Regierungschef abgewählt worden war.
Eigentlicher Anlass der Schweiz-Visite sollte die Verleihung eines Ehrendoktortitels der Universität Zürich sein. Doch nach Churchills antisowjetischer Brandrede vom "Eisernen Vorhang" in Fulton/Missouri vom März 1946 meinte der Rektor in einem Brief an Montag, eine Ehrenpromotion in Zürich würde "als eine gewollte und bewusste Demonstration" gegen Stalin ausgelegt. So erhielt Churchill am 19. September nach seinem Aufruf zur europäischen Einigung in der Universität "lediglich eine Dankadresse in lateinischer Sprache, was der Geehrte mehr als Affront denn als Auszeichnung verstand", schreibt Gut. Danach empfing Churchill (auf Montags Empfehlung) im "Hotel Dolder" Willy Sax, der ihm am nächsten Tag in einem Laden Malutensilien vorführte. Für 150 Franken kaufte der Kriegspremier ein und lud Sax ein, ihn in Charwell zu besuchen, dem Landsitz in der Grafschaft Kent.
Das war der Beginn einer wunderbaren Freundschaft, die Treffen, Korrespondenzen und Pakete (mit Knorr-Suppen, Schokolade, Käse oder Wein) umfasste. Als Churchill von 1951 bis 1955 wieder Premierminister war, schickte Sax sogar "Verwöhnpakete" an wichtigste Mitarbeiter in der Downing Street. Die "besondere Zuneigung" des Hobby-Landschaftsmalers zu dem Farbenproduzenten begründet der Autor damit, dass der Schweizer "nicht nur den Brennstoff für Churchills künstlerische Passion geliefert, sondern auch ein wenig mitgeholfen" habe, "sein Seelenleiden zu lindern": Lebensfreude durch Farben, Blautöne bevorzugt! Durch persönliche Kontakte wuchs Sax bald in die Rolle eines "Vermittlers für Schweizer Anliegen" hinein, wenn sich auch der legendäre Brite nicht in die "touristischen Fänge" einzelner Kantone locken ließ. Nach dem Rücktritt als Regierungschef schenkte Churchill dem Freund ein selbstgemaltes Bild der Römerbrücke bei Aix-en-Provence. Sax starb Mitte 1964, Churchill Anfang 1965. Autor Gut konnte jetzt das Familienarchiv von Sax gründlich auswerten und zudem dessen Tochter Maya befragen, die als Fünfzehnjährige im Herbst 1949 in Chartwell bei einem Essen ein Glas "Pol Roger" leeren durfte - und zwar auf ausdrücklichen Wunsch des Hausherrn.
RAINER BLASIUS
Philipp Gut: Champagner mit Churchill. Der Zürcher Farbenfabrikant Willy Sax und der malende Premierminister. Stämpfli Verlag, Bern 2015. 176 S., 39,- [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Churchill und Willy Sax
Ein Buch, wie für die Weihnachtszeit geschaffen, weil Philipp Gut einfühlsam einige Geschichtchen erzählt, die wie Märchen klingen: Ein Fabrikant von Künstlerfarben aus Urdorf wurde zum Lieferanten und Freund des Hobbymalers Sir Winston Churchill. Der hielt sich vom 23. August bis zum 20. September 1946 in der Schweiz auf. Dass der Besuch zustande kam, ging auf eine Initiative von Charles Montag aus Winterthur zurück, der in Paris lebte und sich seit dem Ende des Ersten Weltkrieges vornehmlich dem Kunsthandel widmete. Montag, der 1915 an der Französischen Riviera dem zurückgetretenen Ersten Lord der Admiralität, Churchill, Malunterricht erteilt hatte, musste Schweizer Firmen zur Finanzierung der Reise des britischen Oppositionsführers gewinnen, der 1945 als Regierungschef abgewählt worden war.
Eigentlicher Anlass der Schweiz-Visite sollte die Verleihung eines Ehrendoktortitels der Universität Zürich sein. Doch nach Churchills antisowjetischer Brandrede vom "Eisernen Vorhang" in Fulton/Missouri vom März 1946 meinte der Rektor in einem Brief an Montag, eine Ehrenpromotion in Zürich würde "als eine gewollte und bewusste Demonstration" gegen Stalin ausgelegt. So erhielt Churchill am 19. September nach seinem Aufruf zur europäischen Einigung in der Universität "lediglich eine Dankadresse in lateinischer Sprache, was der Geehrte mehr als Affront denn als Auszeichnung verstand", schreibt Gut. Danach empfing Churchill (auf Montags Empfehlung) im "Hotel Dolder" Willy Sax, der ihm am nächsten Tag in einem Laden Malutensilien vorführte. Für 150 Franken kaufte der Kriegspremier ein und lud Sax ein, ihn in Charwell zu besuchen, dem Landsitz in der Grafschaft Kent.
Das war der Beginn einer wunderbaren Freundschaft, die Treffen, Korrespondenzen und Pakete (mit Knorr-Suppen, Schokolade, Käse oder Wein) umfasste. Als Churchill von 1951 bis 1955 wieder Premierminister war, schickte Sax sogar "Verwöhnpakete" an wichtigste Mitarbeiter in der Downing Street. Die "besondere Zuneigung" des Hobby-Landschaftsmalers zu dem Farbenproduzenten begründet der Autor damit, dass der Schweizer "nicht nur den Brennstoff für Churchills künstlerische Passion geliefert, sondern auch ein wenig mitgeholfen" habe, "sein Seelenleiden zu lindern": Lebensfreude durch Farben, Blautöne bevorzugt! Durch persönliche Kontakte wuchs Sax bald in die Rolle eines "Vermittlers für Schweizer Anliegen" hinein, wenn sich auch der legendäre Brite nicht in die "touristischen Fänge" einzelner Kantone locken ließ. Nach dem Rücktritt als Regierungschef schenkte Churchill dem Freund ein selbstgemaltes Bild der Römerbrücke bei Aix-en-Provence. Sax starb Mitte 1964, Churchill Anfang 1965. Autor Gut konnte jetzt das Familienarchiv von Sax gründlich auswerten und zudem dessen Tochter Maya befragen, die als Fünfzehnjährige im Herbst 1949 in Chartwell bei einem Essen ein Glas "Pol Roger" leeren durfte - und zwar auf ausdrücklichen Wunsch des Hausherrn.
RAINER BLASIUS
Philipp Gut: Champagner mit Churchill. Der Zürcher Farbenfabrikant Willy Sax und der malende Premierminister. Stämpfli Verlag, Bern 2015. 176 S., 39,- [Euro].
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