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Zu den großen Leistungen Charles de Gaulles zählen die Wiederaufrichtung des von Hitlers Wehrmacht geschlagenen Frankreichs, die Gründung der Fünften Republik, die Beendigung des Algerienkrieges und nicht zuletzt die Aussöhnung mit Deutschland. Der Mainzer Romanist Peter Schunck legt hier eine wissenschaftlich fundierte Biographie vor, in der er ein differenziertes, bei aller Sympathie nicht unkritisches Porträt des großen französischen Staatsmannes zeichnet.

Produktbeschreibung
Zu den großen Leistungen Charles de Gaulles zählen die Wiederaufrichtung des von Hitlers Wehrmacht geschlagenen Frankreichs, die Gründung der Fünften Republik, die Beendigung des Algerienkrieges und nicht zuletzt die Aussöhnung mit Deutschland. Der Mainzer Romanist Peter Schunck legt hier eine wissenschaftlich fundierte Biographie vor, in der er ein differenziertes, bei aller Sympathie nicht unkritisches Porträt des großen französischen Staatsmannes zeichnet.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 03.02.1999

Mut zur Macht
Eine Biographie des Soldaten und Staatsmannes Charles de Gaulle

Peter Schunck: "Charles de Gaulle". Ein Leben für Frankreichs Größe. Propyläen Verlag, Berlin 1998. 704 Seiten, Abbildungen, 68,- Mark.

Über Charles de Gaulle sind sich die Franzosen im Grunde einig. Seine politischen Vorstellungen, die sich in den Begriffen "nationale Unabhängigkeit" und "staatliche Souveränität" zusammenfassen lassen, finden in Frankreich, über die Parteigrenzen hinweg, allgemeine Zustimmung. Die eigene nukleare Abschreckungsmacht, vulgo: "Force de frappe", strategischer Ausdruck dieser Vorstellungen, wird von niemandem in Frage gestellt, die Kommunisten nicht ausgenommen. Nur Ausländer können sich darüber wundern, daß ein einstiger Weggefährte Che Guevaras wie Régis Debray einen Essay zum Lobe de Gaulles schreibt ("Demain de Gaulle", 1990) oder daß der Gründer der sozialistischen "Bewegung der Staatsbürger", der Innenminister Chevènement, sich in seiner Europa-Politik auf den General beruft. An de Gaulle scheiden sich in Frankreich die Geister nicht länger.

Die Deutschen haben dagegen bis heute Schwierigkeiten, de Gaulle richtig einzuschätzen. Vielleicht liegt das daran, daß der Politiker de Gaulle zwischen 1946 und 1958 eine lange "Durststrecke" zurücklegen, daß er fern von politischen Entscheidungen seine Stunde abwarten mußte. Vielleicht liegt es aber auch daran, daß es den Deutschen schwerfällt, einem historischen Gebilde namens "Nationalstaat" noch gute Seiten abzugewinnen. Der Führer des "Freien Frankreich" und der Gründer der Fünften Republik aber gilt zu Recht als Verkörperung des Nationalstaats. So erschien und erscheint er den Nachbarn als ein Mann des neunzehnten Jahrhunderts, als Chauvinist, als nicht ganz ernst zu nehmender Don Quichotte, als schlechter Europäer - als hätten sie ihm die kühle Selbstverständlichkeit, mit der er, zum Nutzen Frankreichs, am Tisch der Sieger Platz nahm, nie ganz verziehen.

Dieses tiefsitzende Unverständnis der Deutschen gegenüber einer der großen Gestalten dieses Jahrhunderts mag Peter Schunck bewogen haben, eine Lebensbeschreibung Charles de Gaulles vorzulegen. Denn die "definitive" Biographie aus der Feder Jean Lacoutures, vor anderthalb Jahrzehnten erschienen, sperrt sich durch ihren Umfang von drei Bänden und ihren auch französische Leser überfordernden Detailreichtum gegen die Übertragung, und die respektlos-kritische Darstellung Reinhard Kapferers: "Charles de Gaulle. Umrisse einer politischen Biographie" (Stuttgart 1985) sollte nicht das letzte Wort sein. Schunck, 1928 geboren, hatte an der Universität Mainz den Lehrstuhl für französische Sprache und Kultur inne und schrieb eine "Geschichte Frankreichs von Heinrich IV. bis zur Gegenwart".

Der Autor versucht nicht, bislang unerschlossene Quellen aufzuspüren. Er benutzt die überreiche De-Gaulle-Literatur, die keinen Aspekt seines Wirkens und seiner Wirkung unberücksichtigt läßt. Vor allem aber zieht er eigene Äußerungen de Gaulles heran, aus den Erinnerungen, den Reden, aus Briefen und Tagebuchaufzeichnungen. Auch aus Unterredungen mit vertrauten Mitarbeitern wie Alain Peyrefitte, der seine allabendlichen Gesprächsprotokolle vor einigen Jahren veröffentlicht hat. De Gaulles Charakterisierung Mitterrands etwa, wie sie Peyrefitte zitiert, läßt an Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig. Man weiß: So sah de Gaulle ein bestimmtes Ereignis oder eine bestimmte Persönlichkeit, so wollte er sie der Nachwelt überliefert wissen. Das Porträt, das der Autor malt, ist also in den großen Zügen und manchmal in Nuancen vom Dargestellten selbst vorgezeichnet, erweckt aber nicht den Eindruck, geschönt zu sein.

Da sich der Autor an deutsche Leser wendet, schenkt er dem Verhältnis de Gaulles zu Deutschland besondere Aufmerksamkeit, ohne deshalb die historischen Gewichtungen zu verfälschen. Der Gymnasiast Charles de Gaulle lernte Deutsch, weil er Offizier werden wollte und weil vor dem Ersten Weltkrieg Deutschland nicht der potentielle, sondern der unvermeidliche Gegner von morgen war. Trotzdem hat de Gaulle die positiven Eigenschaften der Deutschen stets hochgeschätzt. Zu dem Buch "Deutschland und der nächste Krieg" des deutschen Imperialisten Friedrich von Bernhardi, das kurz vor dem Ersten Weltkrieg erschien, merkte der Leutnant de Gaulle nach gründlicher Lektüre an: "Ein Volk, das die Arbeit liebt, ist und bleibt ein großes Volk." Viele Jahre und zwei Kriege später sprach der Staatspräsident de Gaulle 1962 bei seinem Deutschland-Besuch, wie in einem Selbstzitat und zum Erstaunen der Zuhörer, vom "großen deutschen Volk".

De Gaulles erstes Buch "Die Zwietracht beim Feinde", 1924 erschienen, beschäftigte sich mit dem Verhalten der militärisch-politischen Führung Deutschlands während des Krieges. Sein Plädoyer für den Aufbau selbständig operierender Panzerverbände und gegen das rein defensive Maginot-Denken ("Vers l'Armée de métier", 1934) fand zum Leidwesen des Verfassers in Deutschland aufmerksamere Leser als in Frankreich. "Sehr gut" und "ganz richtig" notierte Hitler an den Rand der deutschen Übersetzung ("Frankreichs Stoßarmee. Das Berufsheer, die Lösung von morgen", 1935). Der spätere Schwiegersohn des Generals, Alain de Boissieu, fand das Buch in der Bibliothek des Berghofs und dazu eine deutsche Beurteilung des Chefs des "Freien Frankreichs" aus dem Jahr 1941, in der es heißt: "Tatkräftige Persönlichkeit, aber wegen seines cholerischen Temperaments keine überragende Führernatur."

Bei Kriegsende wünschte de Gaulle, ganz im Sinn des traditionellen Hegemonie- und Sicherheitsstrebens Frankreichs, die Zerstückelung Deutschlands in Einzelstaaten und die Abtrennung des linken Rheinufers. Von der Gründung der Bundesrepublik befürchtete er ein "Viertes Reich" und neue Gefahren. Als er sich mit solchen Vorstellungen gegenüber den westlichen Alliierten, aber auch gegenüber Stalin nicht durchsetzen konnte, besann sich de Gaulle darauf, daß Frankreich und Deutschland "vieles gemeinsam erreichen können". Der Vertrag über die Zusammenarbeit von 1963 schuf den festen Rahmen, der alle Regierungswechsel überdauert hat. Gegenüber Adenauer bekundete de Gaulle eine Achtung, wie er sie sonst wohl nur für Churchill empfunden hat: "Die Beziehungen zwischen Frankreich und Deutschland erhalten durch uns eine Grundlage und eine Atmosphäre, wie sie die Geschichte niemals gekannt hatte." Schunck läßt nicht unerwähnt, daß die französisch-deutsche Annäherung durch Europäer wie Jean Monnet und Robert Schuman vorbereitet worden war.

Auf siebenhundert Seiten läßt der Romanist und Historiker Schunck das Porträt eines konservativ und katholisch geprägten Patrioten erstehen, eifersüchtig gegenüber anderen Mächten, voller Verachtung gegenüber dem Parteiensystem, unwandelbar in seinen Überzeugungen, wenn nötig machiavellistisch im Handeln. Das Bild eines Soldaten, der mehr war als ein Militär: ein Staatsmann, dem es nur um eines ging: um Frankreichs Größe und seinen Platz in der Welt. "Nichts zeichnete de Gaulle mehr aus als der Mut zu verantwortungsvoller Machtausübung", faßt der Biograph sein Urteil zusammen. Und weiter: "Mit seinem Mut zur Macht ist er ein unerreichtes Vorbild in der Geschichte des Jahrhunderts."

THANKMAR VON MÜNCHHAUSEN

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