einerseits bestimmen hier die gängigen Interpretationen biblischer Aussagen von der Frau als "Gehilfin" des Mannes und ihrer Zurückhaltungspflicht die tradierte dogmatische und gesellschaftlich akzeptierte Vorrangigkeit des Mannes, andererseits verlangen die akademische Ausbildung der Theologinnen und ihr in der Frauenemanzipation gewachsenes Selbstbewusstsein eine dem Mann gleichberechtigte Stellung auch im Pfarramt. Zum anderen zeigt sich auch in der Bewertung der Homosexualität die Position zwischen den Zeiten: einerseits die tradierte Verurteilung als Sünde, andererseits verlangen Empathie und Respekt vor der unbestreitbaren menschlichen, moralischen und theologischen Qualität des Freundes uneingeschränkte Offenheit und Toleranz. Zum dritten zeigt sich auch in der Frage nach dem Umgang mit der seelischen Erkrankung der Freundin die Gespaltenheit der Bewertung zwischen den Zeiten: einerseits gilt das alte Urteil, dass die Krankheit der Seele nur geheilt werden kann durch den rechten Glauben an die Barmherzigkeit Gottes
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension
Man braucht eine "hohe Ambiguitätstoleranz", um diese Briefe deuten zu können, meint Rezensent Friedrich Wilhelm Graf. Er meint damit vor allem die Briefe von Elisabeth Freiling. Freiling war Vikarin der Bekennenden Kirche in Deutschland, die eigentlich den nationalsozialistischen "Deutschen Christen" etwas entgegensetzen wollten, aber in ihren eigenen inneren Konflikten verstrickt blieb. So erging es auch Freiling, die der patriarchale und autoritäre Ton ihrer Kollegen verstörte, so Graf. Und die sich doch nicht freimachen konnte von der Vorstellung, dass die Frau vor allem "Gehilfin des Mannes" zu sein habe. Auch bei einem homosexuellen Kollegen stand letztlich nicht seine Verfolgung, sondern seine "Sünde" im Vordergrund, erzählt Graf. Diese inneren Konflikte führten am Ende dazu, dass etwa die Entrechtung der Juden kaum zur Kenntnis genommen wurde. Wie das geschehen konnte, scheint der Rezensent nach der Lektüre dieser Briefe besser zu verstehen.
© Perlentaucher Medien GmbH
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