Die Wiener Künstlerin Charlotte Weinmann, deren realistische Malerei aus den frühen Schaffensjahren auf akribische Detailaufnahmen der uns umgebenden Natur fokussierte, widmete sich in ihrem Spätwerk der Abstraktion. Dabei setzte sie die Strukturen der Pflanzen in ein vegetabiles Kürzelsystem um. Die dabei gewonnenen Muster verwendete sie wiederum als Elemente einer Zeichensprache. Mithilfe dieses künstlerischen Semantisierungsprozesses gelang es ihr, Ordnungen aufzuspüren, die sie nicht zu analytischen Mustern einfror, sondern in vielfältiger Weise abwandelte und zu faszinierenden Reihungen und Netzwerken verdichtete. Jedes Bild stellt eine Möglichkeit linearer Verzweigung dar, gerinnt zu einer „Chiffre“, die nicht von ungefähr an tanzende Figuren oder exotische Schriftzeichen gemahnt. Die alte Vorstellung vom Buch der Natur und dessen biomorphen Schriftzeichen dominierte die Bildfindungen der Künstlerin auch bei den „Signaturen“. Die in diesem Werkzyklus vereinten - ebenso schwungvollen wie zarten - Zeichnungen halten Spuren fest: Sie verfolgen die verzweigten Inskriptionen des Wassers im Sand, die enigmatischen Kriechspuren von Insekten, Verwitterungs- und Fressschäden in Blättern und Gehölz, wobei allemal Naturprozesse und künstlerische Transformierung unmerklich ineinander übergehen. Charlotte Weinmann starb am 31. Juli 2008 nach langem Leiden in ihrem Sommerdomizil in Rust. Vor ihrem Tod war es der Künstlerin nicht mehr vergönnt, ihr Spätwerk einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Ihre Krankheit brach zwar nicht ihre Schaffenskraft, schränkte aber ihre Kommunikationsmöglichkeiten enorm ein. Nun hat sich ihr langjähriger Wegbegleiter, der Architekt Artur Paul Duniecki, der Aufarbeitung ihres Nachlasses angenommen. Mit dem vorliegenden Band präsentiert er eine erste, minutiös recherchierte und kenntnisreich aufbereitete Dokumentation des vielseitigen und reichen Werkes der viel zu früh von uns gegangenen Künstlerin.