Facing down demons from his time in Africa as a journalist, Tim Butcher heads deep into this combat zone, encountering the devastation wrought by lawless militia, child soldiers, brutal violence, blood diamonds and masked figures who guard the spiritual secrets of remote jungle communities.
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Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 31.12.2011Im schlimmsten Teil der Welt
Auf den Spuren von Graham Greene bereiste der britische Journalist Tim Butcher Liberia und Sierra Leone – und das alles zu Fuß
Es ist nicht lange her, da galt jeder als verrückt, der Liberia bereisen wollte. Selbst ein Ausflug in die Hauptstadt des westafrikanischen Staates galt als gefährlich, aber dort waren zumindest UN-Truppen stationiert. Was aber jenseits von Monrovia geschah, wusste niemand genau, weil sich kaum jemand aufs Land traute. Es gab nur diese vielen Geschichten von marodierenden Milizen, von Massenvergewaltigungen, Verstümmelungen und Morden. Der Bürgerkriegsstaat Liberia war so verrufen, dass der Economist ihn 2003 zum „schlimmsten Land der Welt“ kürte. Selbst in Somalia, im Kongo oder im Sudan sei das Leben für die Menschen besser als hier.
Der britische Journalist Tim Butcher hatte damals schon Liberia bereist, und seine Berichte im Daily Telegraph über das Regime von Charles Taylor erzürnten die Machthaber so sehr, dass Butcher Morddrohungen bekam. Dann aber wurde der Diktator gestürzt und später aus seinem nigerianischen Exil nach Den Haag ausgeliefert, wo er nun wegen Kriegsverbrechen vor Gericht steht. Und Butcher reiste wieder nach Liberia. Aber diesmal nicht als Journalist, sondern als Schriftsteller. Er wollte dieselbe Route einschlagen, die 75 Jahre zuvor, also 1935, Graham Greene mit seiner Cousine Barbara Greene genommen hatte. Von Sierra Leone nach Liberia, Guinea und wieder zurück nach Liberia. Und das alles zu Fuß. In einige der entlegensten Winkel Afrikas. „Journey without maps“ heißt Graham Greenes Reisereportage von 1936, und allein der Titel zeigt schon, dass damals diesen Landstrich vor ihm nur wenige Weiße betreten hatten.
Natürlich klingt Butchers Fußmarsch tollkühn, und das ist er auch. Aber der Mann hat mit seinem internationalen Bestseller „Blood River“ schon 2007 bewiesen, dass er nicht nur außerordentlich mutig ist, sondern auch brillante Reisereportagen schreiben kann. Damals durchquerte er die gesamte Demokratische Republik Kongo von Ost nach West, vom Tanganjikasee an der tansanischen Grenze bis hin zur Atlantikküste – so wie es einst der Abenteurer, Journalist und „Kongo-Entdecker“ Henry Morton Stanley von 1874 bis 1877 gemacht hat. 3000 Kilometer durch das heute wohl unzugänglichste Gebiet der Welt. Butcher gab damit Einblicke in den Irrsinn eines Landes, in dem die Großväter noch die Moderne erlebt haben und die Enkel sich heute, zumindest im Osten des Landes, in der Steinzeit wiederfinden. In den fünfziger und sechziger Jahren fuhren im Kongo nicht nur Autos und Motorräder über asphaltierte Straßen, es gab damals auch noch Schaufelraddampfer auf dem Kongo-Fluss. Heute findet man in manchen Dörfern nur noch eine verrostete Radkappe am Wegesrand – als einziges Zeichen einer längst vergangenen Zeit.
Diesmal also Sierra Leone und Liberia, zwei Länder, die mit die schlimmsten Bürgerkriege der jüngeren Geschichte erlebt haben. Und Butcher spielt in seinem Buch natürlich mit dieser Gefahr – auch wenn sich beim Lesen schnell herausstellt, dass diese Reise weit weniger lebensbedrohlich war als die durch den Kongo. Gelten Sierra Leone und Liberia doch heute als befriedet. Aber das macht die Reisereportage nicht weniger spannend. Denn Butcher nimmt sich nicht nur ausführlich Zeit, seinen extrem anstrengenden Fußmarsch zu schildern, der ihn in Regionen führte, die heute noch exakt so aussehen und so unzugänglich sind wie zu Graham Greenes Zeiten. Er erzählt auch von den Geheimbünden, die auf dem Land immer noch eine gewaltige Macht haben und für Ritualmorde verantwortlich gemacht werden. Außerdem lernt man viel über die Bedeutung des Teufels, der den dortigen Menschen weit weniger böse erscheint als Europäern. Und natürlich kommt auch Graham Greenes Reise ausführlich vor, bei der dieser damals ebenfalls viel von der Macht der Geheimbünde hörte, aber – ebenso wie Butcher – nur wenig belegen konnte, weil Weiße nun mal keinen Zugang in diese Kreise bekommen. Der Schriftsteller war jedenfalls angewidert von der Monotonie des Regenwalds und den Strapazen der Reise. Und seine Cousine war es, die dafür sorgte, dass der im Busch Erkrankte doch noch das Ziel der Reise, die liberianische Küstenstadt Buchanan, erreicht hat.
Besonders spannend aber wird es immer dann, wenn Tim Butcher die Geschichte Liberias referiert und zeigt, was aus einem gut gemeinten Plan werden kann. Waren es doch Amerikaner, angetrieben vom Glauben an Menschenrechte und Nächstenliebe, die diesen Staat geschaffen haben. Sie kauften den hier lebenden Völkern 1821 für ein bisschen Tabak und Schnaps das Land ab und siedelten freigekaufte US-Sklaven an, damit diese in der Heimat ihrer Vorfahren eine neue, freie Existenz gründen konnten. Das taten diese auch – nur anders, als sich das ihre Förderer gedacht hatten. 1847 riefen die ehemaligen Sklaven die unabhängige Republik Liberia aus und kopierten das System ihrer früheren Unterdrücker. Sie stolzierten mit weißen Perücken und Südstaatentracht durch Monrovia, die sie nach dem amerikanischen Präsidenten James Monroe benannt hatten, versklavten die hier lebenden Völker und rissen bis 1980 alle Macht an sich.
Ein Putsch des 28-jährigen Analphabeten Samuel Doe beendete die Herrschaft der sogenannten Congos und ihres damaligen Präsidenten William Tolbert, den Doe im Schlaf überraschte und mit einer Machete erschlug. Does Regierung, die von Chaos und Korruption geprägt war, dauerte zehn Jahre. Anschließend versank Liberia im Bürgerkrieg. Als Sieger ging Charles Taylor hervor, Tankstellenwart, Ökonomie-Student in Boston und Gefängnisausbrecher in Massachusetts. Dort saß er wegen Betrugs. Taylor ging mit seiner Kindermiliz so brutal gegen Zivilisten vor, dass er 1997 die Wahl mit 75 Prozent der Stimmen gewann. Der im ganzen Land verbreitete Slogan war: „Du hast meinen Pa getötet, du hast meine Ma getötet. Ich stimme für dich“ – weil jeder wusste, dass das Gemetzel weitergeht, wenn der Rebellenführer nicht gewinnt.
Erst als Taylors Regierung 2003 gestürzt werden konnte und der Diktator nach Nigeria flüchtete, beruhigte sich das Land allmählich. Und mit Ellen Johnson-Sirleaf, der aktuellen Friedensnobelpreisträgerin, wurde in Liberia auch zum ersten Mal in Afrika eine Frau zum Staatsoberhaupt gewählt.
Es gibt also, anders als im Kongo, den Butcher damals sehr pessimistisch verlassen hat, durchaus Hoffnung für Liberia. Davon erzählt auch die Passage seiner Reise, als er an der alten Eisenbahnlinie von der Hafenstadt Buchanan nach Yekepa vorbeikommt, die der Stahlkonzern ArcelorMittal wieder herstellen lässt, weil es in Yekepa große Eisenerzlagerstätten gibt. Doch selbst mit einer guten Regierung ist der Aufbau eines zerstörten Landes nicht leicht. Kurz nachdem Butcher seine Reise beendet hat, mussten die Arbeiten eingestellt werden – die Finanzkrise und der Verfall der Metallpreise zwangen den Konzern dazu. Seitdem können Tausende Liberianer nur hoffen, dass sie irgendwann mal wieder einen Job beim Bahnaufbau bekommen.
MICHAEL BITALA
TIM BUTCHER: Auf der Fährte des Teufels. Zu Fuß durch Sierra Leone und Liberia. Piper Verlag/Malik, München 2011. 384 Seiten. 22,99 Euro.
„Du hast meinen Pa
getötet, du hast meine Ma getötet.
Ich stimme für dich“
Mr. Butcher, I presume? Unterwegs in Afrika. Foto: Piper Verlag
Graham Greene war regelrecht angewidert von der Monotonie des Regenwaldes, als er 1935 von Sierra Leona nach Liberia, Guinea und wieder zurück reiste. Noch heute führt die Route durch Regionen, die nicht weniger unzugänglich sind als damals.
Foto: Christopher Herwig / Aurora / laif
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Auf den Spuren von Graham Greene bereiste der britische Journalist Tim Butcher Liberia und Sierra Leone – und das alles zu Fuß
Es ist nicht lange her, da galt jeder als verrückt, der Liberia bereisen wollte. Selbst ein Ausflug in die Hauptstadt des westafrikanischen Staates galt als gefährlich, aber dort waren zumindest UN-Truppen stationiert. Was aber jenseits von Monrovia geschah, wusste niemand genau, weil sich kaum jemand aufs Land traute. Es gab nur diese vielen Geschichten von marodierenden Milizen, von Massenvergewaltigungen, Verstümmelungen und Morden. Der Bürgerkriegsstaat Liberia war so verrufen, dass der Economist ihn 2003 zum „schlimmsten Land der Welt“ kürte. Selbst in Somalia, im Kongo oder im Sudan sei das Leben für die Menschen besser als hier.
Der britische Journalist Tim Butcher hatte damals schon Liberia bereist, und seine Berichte im Daily Telegraph über das Regime von Charles Taylor erzürnten die Machthaber so sehr, dass Butcher Morddrohungen bekam. Dann aber wurde der Diktator gestürzt und später aus seinem nigerianischen Exil nach Den Haag ausgeliefert, wo er nun wegen Kriegsverbrechen vor Gericht steht. Und Butcher reiste wieder nach Liberia. Aber diesmal nicht als Journalist, sondern als Schriftsteller. Er wollte dieselbe Route einschlagen, die 75 Jahre zuvor, also 1935, Graham Greene mit seiner Cousine Barbara Greene genommen hatte. Von Sierra Leone nach Liberia, Guinea und wieder zurück nach Liberia. Und das alles zu Fuß. In einige der entlegensten Winkel Afrikas. „Journey without maps“ heißt Graham Greenes Reisereportage von 1936, und allein der Titel zeigt schon, dass damals diesen Landstrich vor ihm nur wenige Weiße betreten hatten.
Natürlich klingt Butchers Fußmarsch tollkühn, und das ist er auch. Aber der Mann hat mit seinem internationalen Bestseller „Blood River“ schon 2007 bewiesen, dass er nicht nur außerordentlich mutig ist, sondern auch brillante Reisereportagen schreiben kann. Damals durchquerte er die gesamte Demokratische Republik Kongo von Ost nach West, vom Tanganjikasee an der tansanischen Grenze bis hin zur Atlantikküste – so wie es einst der Abenteurer, Journalist und „Kongo-Entdecker“ Henry Morton Stanley von 1874 bis 1877 gemacht hat. 3000 Kilometer durch das heute wohl unzugänglichste Gebiet der Welt. Butcher gab damit Einblicke in den Irrsinn eines Landes, in dem die Großväter noch die Moderne erlebt haben und die Enkel sich heute, zumindest im Osten des Landes, in der Steinzeit wiederfinden. In den fünfziger und sechziger Jahren fuhren im Kongo nicht nur Autos und Motorräder über asphaltierte Straßen, es gab damals auch noch Schaufelraddampfer auf dem Kongo-Fluss. Heute findet man in manchen Dörfern nur noch eine verrostete Radkappe am Wegesrand – als einziges Zeichen einer längst vergangenen Zeit.
Diesmal also Sierra Leone und Liberia, zwei Länder, die mit die schlimmsten Bürgerkriege der jüngeren Geschichte erlebt haben. Und Butcher spielt in seinem Buch natürlich mit dieser Gefahr – auch wenn sich beim Lesen schnell herausstellt, dass diese Reise weit weniger lebensbedrohlich war als die durch den Kongo. Gelten Sierra Leone und Liberia doch heute als befriedet. Aber das macht die Reisereportage nicht weniger spannend. Denn Butcher nimmt sich nicht nur ausführlich Zeit, seinen extrem anstrengenden Fußmarsch zu schildern, der ihn in Regionen führte, die heute noch exakt so aussehen und so unzugänglich sind wie zu Graham Greenes Zeiten. Er erzählt auch von den Geheimbünden, die auf dem Land immer noch eine gewaltige Macht haben und für Ritualmorde verantwortlich gemacht werden. Außerdem lernt man viel über die Bedeutung des Teufels, der den dortigen Menschen weit weniger böse erscheint als Europäern. Und natürlich kommt auch Graham Greenes Reise ausführlich vor, bei der dieser damals ebenfalls viel von der Macht der Geheimbünde hörte, aber – ebenso wie Butcher – nur wenig belegen konnte, weil Weiße nun mal keinen Zugang in diese Kreise bekommen. Der Schriftsteller war jedenfalls angewidert von der Monotonie des Regenwalds und den Strapazen der Reise. Und seine Cousine war es, die dafür sorgte, dass der im Busch Erkrankte doch noch das Ziel der Reise, die liberianische Küstenstadt Buchanan, erreicht hat.
Besonders spannend aber wird es immer dann, wenn Tim Butcher die Geschichte Liberias referiert und zeigt, was aus einem gut gemeinten Plan werden kann. Waren es doch Amerikaner, angetrieben vom Glauben an Menschenrechte und Nächstenliebe, die diesen Staat geschaffen haben. Sie kauften den hier lebenden Völkern 1821 für ein bisschen Tabak und Schnaps das Land ab und siedelten freigekaufte US-Sklaven an, damit diese in der Heimat ihrer Vorfahren eine neue, freie Existenz gründen konnten. Das taten diese auch – nur anders, als sich das ihre Förderer gedacht hatten. 1847 riefen die ehemaligen Sklaven die unabhängige Republik Liberia aus und kopierten das System ihrer früheren Unterdrücker. Sie stolzierten mit weißen Perücken und Südstaatentracht durch Monrovia, die sie nach dem amerikanischen Präsidenten James Monroe benannt hatten, versklavten die hier lebenden Völker und rissen bis 1980 alle Macht an sich.
Ein Putsch des 28-jährigen Analphabeten Samuel Doe beendete die Herrschaft der sogenannten Congos und ihres damaligen Präsidenten William Tolbert, den Doe im Schlaf überraschte und mit einer Machete erschlug. Does Regierung, die von Chaos und Korruption geprägt war, dauerte zehn Jahre. Anschließend versank Liberia im Bürgerkrieg. Als Sieger ging Charles Taylor hervor, Tankstellenwart, Ökonomie-Student in Boston und Gefängnisausbrecher in Massachusetts. Dort saß er wegen Betrugs. Taylor ging mit seiner Kindermiliz so brutal gegen Zivilisten vor, dass er 1997 die Wahl mit 75 Prozent der Stimmen gewann. Der im ganzen Land verbreitete Slogan war: „Du hast meinen Pa getötet, du hast meine Ma getötet. Ich stimme für dich“ – weil jeder wusste, dass das Gemetzel weitergeht, wenn der Rebellenführer nicht gewinnt.
Erst als Taylors Regierung 2003 gestürzt werden konnte und der Diktator nach Nigeria flüchtete, beruhigte sich das Land allmählich. Und mit Ellen Johnson-Sirleaf, der aktuellen Friedensnobelpreisträgerin, wurde in Liberia auch zum ersten Mal in Afrika eine Frau zum Staatsoberhaupt gewählt.
Es gibt also, anders als im Kongo, den Butcher damals sehr pessimistisch verlassen hat, durchaus Hoffnung für Liberia. Davon erzählt auch die Passage seiner Reise, als er an der alten Eisenbahnlinie von der Hafenstadt Buchanan nach Yekepa vorbeikommt, die der Stahlkonzern ArcelorMittal wieder herstellen lässt, weil es in Yekepa große Eisenerzlagerstätten gibt. Doch selbst mit einer guten Regierung ist der Aufbau eines zerstörten Landes nicht leicht. Kurz nachdem Butcher seine Reise beendet hat, mussten die Arbeiten eingestellt werden – die Finanzkrise und der Verfall der Metallpreise zwangen den Konzern dazu. Seitdem können Tausende Liberianer nur hoffen, dass sie irgendwann mal wieder einen Job beim Bahnaufbau bekommen.
MICHAEL BITALA
TIM BUTCHER: Auf der Fährte des Teufels. Zu Fuß durch Sierra Leone und Liberia. Piper Verlag/Malik, München 2011. 384 Seiten. 22,99 Euro.
„Du hast meinen Pa
getötet, du hast meine Ma getötet.
Ich stimme für dich“
Mr. Butcher, I presume? Unterwegs in Afrika. Foto: Piper Verlag
Graham Greene war regelrecht angewidert von der Monotonie des Regenwaldes, als er 1935 von Sierra Leona nach Liberia, Guinea und wieder zurück reiste. Noch heute führt die Route durch Regionen, die nicht weniger unzugänglich sind als damals.
Foto: Christopher Herwig / Aurora / laif
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Engaging...descriptions of walking through the bush, of sweltering heat, sweat and swelling blisters are juxtaposed against moments of beauty...a test of endurance Aminatta Forna Sunday Telegraph