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Eine umfassende und detailreiche Darstellung des Lebens Che Guevaras und zugleich eine Schilderung der Zeitgeschichte Kubas und Lateinamerikas vom Beginn der Aufstände in Kuba bis zur Erschießung Che Guevaras in Bolivien. Der Politikwissenschaftler Jorge G. Castaneda hat bislang geheime Dokumente auswerten können und er hat zahlreiche Interviews mit noch lebenden Freunden und Mitkämpfern geführt. Ein Schwerpunkt des Buches liegt darüber hinaus auf der Untersuchung der internationalen, weltpolitischen Auswirkungen der kubanischen Revolution.

Produktbeschreibung
Eine umfassende und detailreiche Darstellung des Lebens Che Guevaras und zugleich eine Schilderung der Zeitgeschichte Kubas und Lateinamerikas vom Beginn der Aufstände in Kuba bis zur Erschießung Che Guevaras in Bolivien. Der Politikwissenschaftler Jorge G. Castaneda hat bislang geheime Dokumente auswerten können und er hat zahlreiche Interviews mit noch lebenden Freunden und Mitkämpfern geführt. Ein Schwerpunkt des Buches liegt darüber hinaus auf der Untersuchung der internationalen, weltpolitischen Auswirkungen der kubanischen Revolution.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 23.10.1997

Voll von blindem Optimismus
Eine Biographie des kubanischen Revolutionärs Guevara

Jorge G. Castañeda: Che Guevara. Biographie. Aus dem Englischen und Spanischen von Christiane Barckhausen, Sven Dörper, Ursula Gräfe und Udo Rennert. Insel Verlag, Frankfurt am Main und Leipzig 1997. 640 Seiten, 58,- Mark.

Ernesto Guevara de la Serna, genannt "Che", geboren 1928 in Rosario, Argentinien, hat es selten an Optimismus fehlen lassen. Trotz des Asthmas, das ihn zeitlebens quälte. Und trotz so mancher Niederlagen, die er bis zu seinem Tod am 9. Oktober 1967 im bolivianischen La Higuera erlitten hat. Sein Naturell half ihm, auch schwierigste Hürden zu überwinden. Nur machten der überschäumende Optimismus und Tatendrang mitunter blind für die soziale und politische Wirklichkeit. Zum Beispiel, wenn er das "Modell Kuba" schematisch auf andere Länder der "Dritten Welt" zu übertragen suchte. Und wenn er in der Gewißheit schwelgte, allerorten und jederzeit Revolutionen inszenieren zu können. Er setzte sich tagträumerisch über die sperrige Wirklichkeit hinweg. Er "entfloh nicht nur dem Widerspruch; er war auf der Suche nach seiner eigenen Tragödie". Dies ist nach dem Urteil des mexikanischen Biographen Jorge C. Castañeda, eines renommierten Politikwissenschaftlers, ein Charakterzug, der mit erklärt, warum Che Guevara am Ende sehenden Auges ins Verderben rannte.

1952 unternahm Che Guevara seine erste große Reise kreuz und quer durch Südamerika, die ihm die Augen für die desolaten sozialen Verhältnisse öffnete und ihn politisierte. In Guatemala erlebte er 1954 beim Sturz der Reformregierung Arbenz seine "politische Feuertaufe". Nachdem er im Sommer 1955 in Mexiko-Stadt Freundschaft mit Fidel Castro und seinen Mitstreitern geschlossen hatte, fühlte er sich zum Revolutionär berufen. Diese Rolle hat er dann im kubanischen Befreiungskrieg so beispielhaft ausgefüllt und vorgelebt, daß er am 4. Januar 1959 schon mit einem ungeheuren Nimbus als Sieger in Havanna einzog. Er wurde zum Idol, weil er den Diktator Fulgencio Batista im "letzten Gefecht" des Befreiungskriegs um die Provinzhauptstadt Santa Clara in die Knie gezwungen hatte.

Es folgte der zweite, weniger heroische Abschnitt im politischen Leben des Che Guevara, als es nach dem Guerrillakampf in den Bergen der Sierra Maestra hieß, die "Mühen der Ebene" auf sich zu nehmen. Als Präsident der Nationalbank und dann als Industrieminister war er mehr als vier Jahre für die Wirtschaft Kubas verantwortlich. Und das, obwohl er nur über "dürftige Kenntnisse in Ökonomie" verfügte. Diese Konstellation hebt Castañeda aus gutem Grund hervor, bleibt dieses weniger ruhmreiche Kapitel der Vita Che Guevaras doch sonst in der Literatur oftmals ausgeblendet. Als "der am stärksten kommunistisch orientierte Regierungsvertreter" polte er die kubanische Wirtschaft gründlich um. Er etablierte ein besonders rigides Plansystem, das als eine Art mathematischer Mechanismus den Markt ersetzen sollte. Außerdem machte er sich für eine forcierte Industrialisierung stark. Ein eminenter Fehler, wie Castañeda urteilt. Ein anderer, nicht minder gravierender: die übermäßige Zentralisierung. Es kam so, wie es nach Ansicht des Biographen kommen mußte: "Unter der Führung Che Guevaras ging es mit der kubanischen Wirtschaft rasch bergab." Unter den Flurschäden, die der damalige Industrieminister hinterlassen hat, leidet diese Wirtschaft heute noch. Selbst diese wirtschaftspolitische Episode im Leben Che Guevaras, ein von der Sache her eher spröderes Kapitel, schildert Castañeda verständlich, ja sogar lebendig.

Die "kubanische Saga" Che Guevaras endete 1964. Er hatte nicht mehr viel zu sagen. Und er mußte mit ansehen, wie die von ihm gar nicht so sehr geliebte Sowjetunion immer größeren Einfluß, auch auf das ökonomische Geschehen, eingeräumt bekam. Da zog er sich aus der Wirtschaftspolitik zurück. "Anstatt noch länger für ein unmögliches Ziel zu kämpfen, zog er die Flucht vor - nach Afrika, nach Bolivien und in die Geschichte", schreibt Castañeda, ein exzellenter Kenner der Zeitgeschichte Lateinamerikas, kurz und knapp, aber nicht unzutreffend. Aus seiner "Afrikaodyssee", der Teilnahme an einer Revolution im Kongo, die beendet war, bevor sie richtig begonnen hatte, ging Che Guevara schwer angeschlagen hervor, moralisch und gesundheitlich. Aber trotzdem machte er sich bald mit missionarischem Eifer zu neuen Ufern auf, um die kubanische Revolution zu "exportieren": nach Bolivien (Oktober 1966). Dabei hat ihm vorgeschwebt, von diesem "Fokus" aus die Revolution nach Argentinien hineinzutragen. Eine Vision, die von Realitätsverlust, gar von Größenwahn zeugte. Dabei ging schon in Bolivien alles schief, was nur scheitern konnte. Che Guevaras Expedition "taumelte von einer Krise in die nächste", im unwirtlichen, für eine Revolution denkbar ungeeigneten Hinterland Boliviens. Bis dann, nach unsäglichen Strapazen eines bizarren Kleinkriegs, den Castañeda ausführlich und sehr anschaulich beschreibt, das "Befreiungsheer" mit seinen 38 Guerrilleros aufgerieben war und Che Guevara den Militärs als leichte Beute in die Hände fiel. Es hatte sich gerächt, daß der notorische Weltverbesserer als ungebetener Gast auf der bolivianischen Szenerie erschienen war. Die Bauern, die den "Volkskrieg" entfachen sollten, zeigten den Rebellen die kalte Schulter. Kein einziger ließ sich von ihnen als Guerrillero rekrutieren. Die Kommunistische Partei Boliviens hielt sich aus diesem Abenteuer, soweit es ging, heraus. Und am Ende versiegten auch die Hilfs- und Informationsquellen in Havanna. Che Guevara war zum Scheitern und zu einem erbärmlichen Tod verurteilt.

Castañeda hat ein ernüchterndes Buch geschrieben. Er stutzt die überlebensgroße Figur auf menschliches Maß zurück. Indem er das Versagen Che Guevaras als Wirtschaftspolitiker in Kuba und als Revolutionär in Bolivien detailgenau beschreibt, auf breiter Quellenbasis, nimmt er der Lichtgestalt einiges von ihrer Aura. Er tut es aber ohne Häme, als Lateinamerikaner, der die Donquichotterien seines Helden und vielmehr noch seines Anti-Helden gut verstehen kann. Es geht ihm offenkundig auch nicht partout um die Entmystifizierung eines Mythos, um die Demontage des linken "Säulenheiligen". Er macht vielmehr verständlich, womit die Faszination zusammenhängt, die trotz seines Scheiterns von Che Guevara ausging. Bewundert wurde und wird er quasi als Inkarnation des "neuen Menschen", den er propagiert hat. Seine Unerbittlichkeit gegen sich selbst, seine Askese, seine soziale Phantasie, seine Todesverachtung, seine Willenskraft: all das hat Che Guevara zum Idol gemacht. Und natürlich seine äußere Erscheinung, das Bild eines prototypischen Revolutionärs, die Ikone, mit Barett und rotem Stern. Und vor allem, was der Biograph hervorhebt: seine Fähigkeit, "soziale Utopien mit Leben" zu erfüllen. FRANK NIESS

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»Indem er das Versagen Che Guevaras als Wirtschaftspolitiker in Kuba und als Revolutionär in Bolivien detailgenau beschreibt, nimmt er der Lichtgestalt einiges von ihrer Aura.« Frankfurter Allgemeine Zeitung