Eine starke Frau, zwei Männer, eine Schwangerschaft und die große Oper - in ihrem neuen Roman erzählt Andrea Grill eindringlich von einer Sängerin zwischen Kind und Kunst.
Die 39-jährige Sängerin Iris Schiffer ist zielstrebig, selbstbewusst und auf gutem Karriereweg. Demnächst gibt sie als Cherubino in Mozarts Oper "Hochzeit des Figaro" ihr Debüt an der Met, und unverhofft wird ihr eine Hauptrolle bei den Salzburger Festspielen angeboten. Aber die schönste Nachricht ist ihre Schwangerschaft, von der Iris zunächst weder den beiden in Frage kommenden Vätern noch ihrer Agentin etwas verrät, zumal die Premiere in Salzburg und der Tag der Geburt nah beieinander liegen. Andrea Grill erzählt von einer souverän handelnden Frau, die erst allmählich bereit ist, ihre Schwangerschaft anzunehmen. Von den Männern nimmt sie, was sie braucht. Denn das, was zählt, sind sie und ihr Kind.
Die 39-jährige Sängerin Iris Schiffer ist zielstrebig, selbstbewusst und auf gutem Karriereweg. Demnächst gibt sie als Cherubino in Mozarts Oper "Hochzeit des Figaro" ihr Debüt an der Met, und unverhofft wird ihr eine Hauptrolle bei den Salzburger Festspielen angeboten. Aber die schönste Nachricht ist ihre Schwangerschaft, von der Iris zunächst weder den beiden in Frage kommenden Vätern noch ihrer Agentin etwas verrät, zumal die Premiere in Salzburg und der Tag der Geburt nah beieinander liegen. Andrea Grill erzählt von einer souverän handelnden Frau, die erst allmählich bereit ist, ihre Schwangerschaft anzunehmen. Von den Männern nimmt sie, was sie braucht. Denn das, was zählt, sind sie und ihr Kind.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 22.08.2019Kalamitäten allüberall
Andrea Grills "Cherubino"
Am Anfang steht ein Schwangerschaftstest. Es ist Gewissheit, Iris Schiffer, 39 Jahre alt, eine Opernsängerin, die sich auch für kleinere Bandprojekte nicht zu schade ist, bekommt ein Kind. Am Ende ein Bekenntnis zum Neugeborenen: "Du sollst es gut haben, und es soll dir an nichts fehlen. Dafür werde ich alles tun." Fünf Zeilen später noch einmal im Konjunktiv der definitive, merkwürdig reserviert gehaltene Abschluss: "Ich würde alles tun für dich." Zwischen der Vorfreude und dieser totalen und dann doch ins Defensive gewendeten Hingabe stehen wir gerührt einer gerührten Frau sehr nahe, die Woche für Woche körperliche Wandlungen an sich beobachtet.
Die Überreichung des Mutter-Kind-Passes, Organscreening, Nahrungsaufnahme - nichts lässt sie aus in einem hilflosen Abbildrealismus, der einen akuten Mangel an Erzählökonomie erkennen lässt. "Schon beim ersten Schluck schmeckte ihr der Kaffee nicht. Sie kostete noch einmal, brrr. Sie aß Müsli." Auf solch erschreckend niedrigem Niveau bewegt sich die Prosa des Romans "Cherubino" von Andrea Grill, der vorgestern auf die Longlist zum Deutschen Buchpreis gesetzt wurde. Ärzte, Hebamme, Suche nach dem Krankenhaus, alles wird in sorgloser Umständlichkeit als gleich wichtig, ach was: bedeutsam, ausgebreitet, nie kommt Grill auf den Punkt.
Und dann dieser feierliche Ton beim Blick auf den Monitor in der Ordination: "Zerplatzende Sterne, eine kreisende Milchstraße nach der anderen und irgendwo eine unscharfe Stelle. War das der Embryo?" Über Muttergefühle steht es dem Rezensenten gewiss nicht an, zu richten. Dass der literarische Zugriff darauf aber verunglückt ist, darf ihm schon auffallen.
Doch weiter im Buch, diese Autorin will doch mehr als einen reinen Embryoentwicklungsroman schreiben. Wo ein Embryo, da auch ein Vater. Iris hat gleich zwei Männer zur Auswahl. Einen liebt sie, der ist unerreichbar, weil verheiratet und nicht bereit, für sie seine Familie aufzugeben. Der andere liebt sie, übernimmt bereitwillig die Vaterrolle und ist noch dazu glücklich damit. Das klingt wie von Frau Pilcher erdacht, und leider gehen die Argumente gegen diese Vermutung aus. Ludwig ist als Politiker ein vielbeschäftigter Mann, der sich wenn irgend möglich etwas Zeit abzwickt, um sie mit Iris zu verbringen. Die geht ihm vollkommen auf den Leim, vergisst sich selbst und ihre Ansprüche ans Leben, wird zur genügsamen und dankbaren Spendenempfängerin von Liebesmomenten - ein Abhängigkeitsverhältnis, das die Erzählerin, blinde Parteigängerin von Iris, einfach so schluckt.
Der andere Vaterkandidat, Sergio, ist als Tenor auf der ganzen Welt unterwegs. Er steht felsenfest zu Iris und ihren kapriziösen Launen, er ist der Liebesidiot, mit dessen Gefühlen grausam gespielt wird. Grausam? Ach, keine Rede davon in einem Roman, der von Nuancierungen und Differenzierungen befreit ist. Die Figuren flach, die Handlung zäh, die Sprache öd, die Dialoge banal - und nirgends Aussicht auf Änderung.
Bleibt noch die Ebene der Kunst. Der Roman spielt doch im Milieu der Oper, Iris tritt in der Met in New York als Cherubino in Mozarts "Hochzeit des Figaro" auf und paukt 2019 für eine Rolle in "Sophie's Choice" bei den Salzburger Festspielen. Die Kunst färbt doch auf das Leben eines Menschen ab, der die Kunst zu seiner Sache gemacht hat. Fehlanzeige. Iris ist betroffen, wenn sie sich als Sophie in die Nazi-Jahre einfühlt, damit hat es sich auch schon. Private Kalamitäten, wohin man schaut. Eine Auseinandersetzung mit den Operstoffen findet nirgends statt, was umso seltsamer ist, als bei Mozart die Wucht der Gefühle derart heftig durchschlägt. Wenn einmal von der Arbeit an einer Inszenierung gesprochen wird, dann derart oberflächlich, dass nie die Substanz des Stückes berührt wird, nur Details einer geplanten Aufführung. Kein Grund zu weiterer Aufregung, nur ein schlechter Roman.
ANTON THUSWALDNER.
Andrea Grill: "Cherubino". Roman.
Zsolnay Verlag, Wien 2019. 318 S., geb., 23,- [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Andrea Grills "Cherubino"
Am Anfang steht ein Schwangerschaftstest. Es ist Gewissheit, Iris Schiffer, 39 Jahre alt, eine Opernsängerin, die sich auch für kleinere Bandprojekte nicht zu schade ist, bekommt ein Kind. Am Ende ein Bekenntnis zum Neugeborenen: "Du sollst es gut haben, und es soll dir an nichts fehlen. Dafür werde ich alles tun." Fünf Zeilen später noch einmal im Konjunktiv der definitive, merkwürdig reserviert gehaltene Abschluss: "Ich würde alles tun für dich." Zwischen der Vorfreude und dieser totalen und dann doch ins Defensive gewendeten Hingabe stehen wir gerührt einer gerührten Frau sehr nahe, die Woche für Woche körperliche Wandlungen an sich beobachtet.
Die Überreichung des Mutter-Kind-Passes, Organscreening, Nahrungsaufnahme - nichts lässt sie aus in einem hilflosen Abbildrealismus, der einen akuten Mangel an Erzählökonomie erkennen lässt. "Schon beim ersten Schluck schmeckte ihr der Kaffee nicht. Sie kostete noch einmal, brrr. Sie aß Müsli." Auf solch erschreckend niedrigem Niveau bewegt sich die Prosa des Romans "Cherubino" von Andrea Grill, der vorgestern auf die Longlist zum Deutschen Buchpreis gesetzt wurde. Ärzte, Hebamme, Suche nach dem Krankenhaus, alles wird in sorgloser Umständlichkeit als gleich wichtig, ach was: bedeutsam, ausgebreitet, nie kommt Grill auf den Punkt.
Und dann dieser feierliche Ton beim Blick auf den Monitor in der Ordination: "Zerplatzende Sterne, eine kreisende Milchstraße nach der anderen und irgendwo eine unscharfe Stelle. War das der Embryo?" Über Muttergefühle steht es dem Rezensenten gewiss nicht an, zu richten. Dass der literarische Zugriff darauf aber verunglückt ist, darf ihm schon auffallen.
Doch weiter im Buch, diese Autorin will doch mehr als einen reinen Embryoentwicklungsroman schreiben. Wo ein Embryo, da auch ein Vater. Iris hat gleich zwei Männer zur Auswahl. Einen liebt sie, der ist unerreichbar, weil verheiratet und nicht bereit, für sie seine Familie aufzugeben. Der andere liebt sie, übernimmt bereitwillig die Vaterrolle und ist noch dazu glücklich damit. Das klingt wie von Frau Pilcher erdacht, und leider gehen die Argumente gegen diese Vermutung aus. Ludwig ist als Politiker ein vielbeschäftigter Mann, der sich wenn irgend möglich etwas Zeit abzwickt, um sie mit Iris zu verbringen. Die geht ihm vollkommen auf den Leim, vergisst sich selbst und ihre Ansprüche ans Leben, wird zur genügsamen und dankbaren Spendenempfängerin von Liebesmomenten - ein Abhängigkeitsverhältnis, das die Erzählerin, blinde Parteigängerin von Iris, einfach so schluckt.
Der andere Vaterkandidat, Sergio, ist als Tenor auf der ganzen Welt unterwegs. Er steht felsenfest zu Iris und ihren kapriziösen Launen, er ist der Liebesidiot, mit dessen Gefühlen grausam gespielt wird. Grausam? Ach, keine Rede davon in einem Roman, der von Nuancierungen und Differenzierungen befreit ist. Die Figuren flach, die Handlung zäh, die Sprache öd, die Dialoge banal - und nirgends Aussicht auf Änderung.
Bleibt noch die Ebene der Kunst. Der Roman spielt doch im Milieu der Oper, Iris tritt in der Met in New York als Cherubino in Mozarts "Hochzeit des Figaro" auf und paukt 2019 für eine Rolle in "Sophie's Choice" bei den Salzburger Festspielen. Die Kunst färbt doch auf das Leben eines Menschen ab, der die Kunst zu seiner Sache gemacht hat. Fehlanzeige. Iris ist betroffen, wenn sie sich als Sophie in die Nazi-Jahre einfühlt, damit hat es sich auch schon. Private Kalamitäten, wohin man schaut. Eine Auseinandersetzung mit den Operstoffen findet nirgends statt, was umso seltsamer ist, als bei Mozart die Wucht der Gefühle derart heftig durchschlägt. Wenn einmal von der Arbeit an einer Inszenierung gesprochen wird, dann derart oberflächlich, dass nie die Substanz des Stückes berührt wird, nur Details einer geplanten Aufführung. Kein Grund zu weiterer Aufregung, nur ein schlechter Roman.
ANTON THUSWALDNER.
Andrea Grill: "Cherubino". Roman.
Zsolnay Verlag, Wien 2019. 318 S., geb., 23,- [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
"Hoch spannend bis zum großen Finale." Angela Wittmann, Brigitte, 25.09.19
"Ein modernes Buch, ein hervorragend recherchiertes Buch obendrein, ein Buch für alle, die mutig den eigenen Weg gehen." Annika Täuschel, BR Klassik, 24.09.19
"Ein Glücksfall! Grill erzählt in ihrem für den Deutschen Buchpreis 2019 nominierten Roman kurzweilig, unsentimental und nicht moralisierend davon, dass Emanzipation für Frauen noch immer eine schwierige Übung ist." Irene Prugger, Wiener Zeitung, 14.09.19
"Andrea Grill hat ein vielschichtiges Buch geschrieben und eine komplexe Frauenfigur erfunden, die mit ihren eigenen Widersprüchen und denen, die ihr durch gesellschaftliche Konventionen aufgezwungen werden, provozierend und leichtfüßig umgeht." Eva Schobel. Ö1 ex libris, 08.09.18
"Inhaltlich überzeugend, formal und stilistisch elegant schildert Grill typische Lebenssituationen einer emanzipierten Frau. Sie stellt das Selbstbestimmungsrecht des Menschen in der westlichen Moderne nie in Frage, macht aber auf realistische Weise klar, dass Freiheit auch ihren Preis hat." Christian Schacherreiter, Oberösterreichische Nachrichten, 06.09.18
"'Cherubino' vermittelt eine Ahnung von den Herausforderungen eines Lebens für den Bühnenbetrieb: eine Szene, in der die Selbstoptimierungstendenzen unserer Zeit auf die Spitze getrieben werden." Johannes Bruggaier, Südkurier, 27.08.19
"Andrea Grill ist eine genaue Beobachterin und gleichzeitig anteilnehmende und distanzierte Erzählerin. Das macht dieses Buch so lesenswert." Christiane Irrgang, NDR Kultur, 05.08.19
"Andrea Grill inszeniert ein Leben, in dem sich viele Frauen wiedererkennen dürften. Ein Frauenporträt, das von der Zerrissenheit zwischen Kind und Karriere erzählt. Und vom Märchen davon, beides mühelos und selbstbestimmt miteinander vereinbaren zu können." Nadine Kreuzahler, rbb quergelesen, 28.07.19
"Ein Buch, das mit Tabus bricht, und eine Inspiration für Frauen, die mehr wollen, als die Gesellschaft ihnen zugesteht." Alice Pfitzner, ORF Zeit im Bild, 22.07.19
"In einer ausdrucksstarken, mal lakonischen, dann wieder kunstvoll gedrechselten Prosa lotet Andrea Grill die Schwierigkeiten einer modernen Frau aus, die ein Ikea-Bett zusammenbauen kann und allein wohnen, aber nicht allein leben will." Irene Binal, Deutschlandfunk, 23.07.19
"Nebenbei ist Cherubino auch ein amüsanter, sanft satirischer Musiktheaterroman, in dem das so genannte Regietheater karikiert wird, das konzeptuelle Gehabe und abseitig-kapriziöse Einfälle sowie das Mit- und Durcheinander hinter den Kulissen." Alexander Kluy, literaturhaus.at, 23.07.19
"Ein sehr unterhaltsam, sehr kurzweilig geschriebener Roman, der das Porträt einer Frau ist, die selbst in schwierigsten Momenten auf ihr Recht auf Selbstbestimmung pocht." Katja Gasser, ORF
"Ein modernes Buch, ein hervorragend recherchiertes Buch obendrein, ein Buch für alle, die mutig den eigenen Weg gehen." Annika Täuschel, BR Klassik, 24.09.19
"Ein Glücksfall! Grill erzählt in ihrem für den Deutschen Buchpreis 2019 nominierten Roman kurzweilig, unsentimental und nicht moralisierend davon, dass Emanzipation für Frauen noch immer eine schwierige Übung ist." Irene Prugger, Wiener Zeitung, 14.09.19
"Andrea Grill hat ein vielschichtiges Buch geschrieben und eine komplexe Frauenfigur erfunden, die mit ihren eigenen Widersprüchen und denen, die ihr durch gesellschaftliche Konventionen aufgezwungen werden, provozierend und leichtfüßig umgeht." Eva Schobel. Ö1 ex libris, 08.09.18
"Inhaltlich überzeugend, formal und stilistisch elegant schildert Grill typische Lebenssituationen einer emanzipierten Frau. Sie stellt das Selbstbestimmungsrecht des Menschen in der westlichen Moderne nie in Frage, macht aber auf realistische Weise klar, dass Freiheit auch ihren Preis hat." Christian Schacherreiter, Oberösterreichische Nachrichten, 06.09.18
"'Cherubino' vermittelt eine Ahnung von den Herausforderungen eines Lebens für den Bühnenbetrieb: eine Szene, in der die Selbstoptimierungstendenzen unserer Zeit auf die Spitze getrieben werden." Johannes Bruggaier, Südkurier, 27.08.19
"Andrea Grill ist eine genaue Beobachterin und gleichzeitig anteilnehmende und distanzierte Erzählerin. Das macht dieses Buch so lesenswert." Christiane Irrgang, NDR Kultur, 05.08.19
"Andrea Grill inszeniert ein Leben, in dem sich viele Frauen wiedererkennen dürften. Ein Frauenporträt, das von der Zerrissenheit zwischen Kind und Karriere erzählt. Und vom Märchen davon, beides mühelos und selbstbestimmt miteinander vereinbaren zu können." Nadine Kreuzahler, rbb quergelesen, 28.07.19
"Ein Buch, das mit Tabus bricht, und eine Inspiration für Frauen, die mehr wollen, als die Gesellschaft ihnen zugesteht." Alice Pfitzner, ORF Zeit im Bild, 22.07.19
"In einer ausdrucksstarken, mal lakonischen, dann wieder kunstvoll gedrechselten Prosa lotet Andrea Grill die Schwierigkeiten einer modernen Frau aus, die ein Ikea-Bett zusammenbauen kann und allein wohnen, aber nicht allein leben will." Irene Binal, Deutschlandfunk, 23.07.19
"Nebenbei ist Cherubino auch ein amüsanter, sanft satirischer Musiktheaterroman, in dem das so genannte Regietheater karikiert wird, das konzeptuelle Gehabe und abseitig-kapriziöse Einfälle sowie das Mit- und Durcheinander hinter den Kulissen." Alexander Kluy, literaturhaus.at, 23.07.19
"Ein sehr unterhaltsam, sehr kurzweilig geschriebener Roman, der das Porträt einer Frau ist, die selbst in schwierigsten Momenten auf ihr Recht auf Selbstbestimmung pocht." Katja Gasser, ORF