Eine packende Erzählung und eine brillante Meditation: die Geschichte eines Mannes, der bei allem dabei war und von nichts gewusst hat.
Das »Chilenische Nachtstück« ist ein radikaler Gegenentwurf zu Roberto Bolaños eigenem Leben. Während er unter Pinochet ins Exil geht und dort zu einem weltliterarischen Autor reift, kann sich Sebastián Urrutia Lacroix nicht von Chile lösen. Er ist Literaturkritiker, versteht sich als Künstler, ist aber auch Priester. Er liegt im Sterben und versucht in einer großen Suada, sein Leben zu rechtfertigen.
Und dieses Leben hat es in sich: es gibt homoerotische Neigungen, Romanzen und Literaturpäpste; um Pinochet und seine Generäle zu erleuchten, diskutiert er mit ihnen Marx. Während sich draußen die Demonstranten gegen Pinochet versammeln, liest er griechische Tragödien. Als der Militärputsch erfolgt und Allende tot ist, hält er kurz inne, »einen Finger zwischen den Seiten des Buchs, das ich las, und dachte: Welch ein Frieden.«
»'Chilenisches Nachtstück' gehört zu den ganz seltenen zeitgenössischen Büchern, die dazu bestimmt sind, einen festen Platz in der Weltliteratur einzunehmen.«
Susan Sontag
»Jedes Mal, wenn ich Bolaño lese, fühle ich mich inspiriert.«
Patti Smith
Das »Chilenische Nachtstück« ist ein radikaler Gegenentwurf zu Roberto Bolaños eigenem Leben. Während er unter Pinochet ins Exil geht und dort zu einem weltliterarischen Autor reift, kann sich Sebastián Urrutia Lacroix nicht von Chile lösen. Er ist Literaturkritiker, versteht sich als Künstler, ist aber auch Priester. Er liegt im Sterben und versucht in einer großen Suada, sein Leben zu rechtfertigen.
Und dieses Leben hat es in sich: es gibt homoerotische Neigungen, Romanzen und Literaturpäpste; um Pinochet und seine Generäle zu erleuchten, diskutiert er mit ihnen Marx. Während sich draußen die Demonstranten gegen Pinochet versammeln, liest er griechische Tragödien. Als der Militärputsch erfolgt und Allende tot ist, hält er kurz inne, »einen Finger zwischen den Seiten des Buchs, das ich las, und dachte: Welch ein Frieden.«
»'Chilenisches Nachtstück' gehört zu den ganz seltenen zeitgenössischen Büchern, die dazu bestimmt sind, einen festen Platz in der Weltliteratur einzunehmen.«
Susan Sontag
»Jedes Mal, wenn ich Bolaño lese, fühle ich mich inspiriert.«
Patti Smith
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 07.04.2020NEUE TASCHENBÜCHER
Künstler
des Mitlaufens
Mitmachen und sich zugleich in Unwissenheit suhlen: im 20. Jahrhundert ist die Kulturtechnik des Unpolitischen zur Perfektion gereift. Ihre Mechanismen legt Roberto Bolaño anhand der Lebensbeichte des fiktiven Chilenen Sebastián Urrutia Lacroix frei. Der erfolgreiche Literaturkritiker, Schmalspurdichter und Priester beteuert im Sterben liegend, wie sehr er mit sich im Reinen sei, um sodann in eine mäandernde Rechtfertigungssuada mit beeindruckender Sogwirkung zu verfallen. Lacroix erzählt unzuverlässig und flüchtet sich in ihn selbst entlarvende Anekdoten. Traum, Wunsch und Wirklichkeit fallen zersplittert ineinander. Die katholische Kirche schickt ihn im Kampf gegen Taubenexkremente quer durch Europa. Sonst ergötzt er sich am Leben inmitten der chilenischen Kulturschickeria, quittiert den Tod Allendes mit „Welch ein Frieden“ und gibt dem Diktator Pinochet Nachhilfe in Marxismus. Ein über Jahrzehnte von Ästhetizismus und Gewohnheit erschlagener Mensch, der natürlich nichts von Folterkellern mitbekommen hat und das Ende der Aufklärung in einem Satz zu formulieren vermag: „Ich bin stets mit der Geschichte gegangen.“
VOLKER BERNHARD
Roberto Bolaño: Chilenisches Nachtstück.
Fischer Taschenbuch, Frankfurt am Main 2020. 160 Seiten,
13 Euro.
DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de
Künstler
des Mitlaufens
Mitmachen und sich zugleich in Unwissenheit suhlen: im 20. Jahrhundert ist die Kulturtechnik des Unpolitischen zur Perfektion gereift. Ihre Mechanismen legt Roberto Bolaño anhand der Lebensbeichte des fiktiven Chilenen Sebastián Urrutia Lacroix frei. Der erfolgreiche Literaturkritiker, Schmalspurdichter und Priester beteuert im Sterben liegend, wie sehr er mit sich im Reinen sei, um sodann in eine mäandernde Rechtfertigungssuada mit beeindruckender Sogwirkung zu verfallen. Lacroix erzählt unzuverlässig und flüchtet sich in ihn selbst entlarvende Anekdoten. Traum, Wunsch und Wirklichkeit fallen zersplittert ineinander. Die katholische Kirche schickt ihn im Kampf gegen Taubenexkremente quer durch Europa. Sonst ergötzt er sich am Leben inmitten der chilenischen Kulturschickeria, quittiert den Tod Allendes mit „Welch ein Frieden“ und gibt dem Diktator Pinochet Nachhilfe in Marxismus. Ein über Jahrzehnte von Ästhetizismus und Gewohnheit erschlagener Mensch, der natürlich nichts von Folterkellern mitbekommen hat und das Ende der Aufklärung in einem Satz zu formulieren vermag: „Ich bin stets mit der Geschichte gegangen.“
VOLKER BERNHARD
Roberto Bolaño: Chilenisches Nachtstück.
Fischer Taschenbuch, Frankfurt am Main 2020. 160 Seiten,
13 Euro.
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