Wenn in einem Raum voller Psychopathen jeder ein Messer in der Hand hat, bist du entweder in Schwierigkeiten oder in einer Restaurantküche. Monocle ist beides. Sein Vater hält ihn für einen Versager, was Monocle zwar nicht so sieht, aber nicht beweisen kann. Er ist pleite, steckt in einer Sinnkrise und befindet sich gegenwärtig als Küchenhilfe ganz unten in der Nahrungskette des Londoner Restaurants "Swan". Die Küche wird regiert von Irren, von denen einige brillante Köche sind, andere einfach nur Sadisten. Wie Bob, der Chef. Aber auch die Gäste sind nicht ohne, zum Beispiel der Dicke, der am liebsten vom Aussterben Bedrohtes ordert. Als die Küchenmannschaft gegen Bob aufbegehrt, der Dicke ein exotisches Tier zu viel bestellt und Monocles Vater ehekrisenbedingt bei ihm einzieht, geraten die Dinge zunehmend außer Kontrolle. Und Monocle muss zum ersten Mal in seinem Leben für das kämpfen, was ihm wichtig ist.
Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
An Deutlichkeit mangelt es diesem Buch nicht, zumal in der alles verflachenden Übersetzung, lässt Alexandra Belopolsky uns wissen. Die Rezensentin bedauert das, schließlich ist die Handlung ohnehin flach wie ein Pfannekuchen. Was als vom gelernten Koch Simon Wroe verfasster launiger Erfahrungsbericht aus der Welt der Chefköche und Küchenjungen angekündigt ist, scheint Belopolsky eher wie die Folge einer Küchensoap der plakativsten Sorte. Rassismen, Sexismen und Missbrauch kommen hier vor, als seien es Appetizer, erklärt Belopolsky. Das Schöne laut Rezensentin: Der Leser benötigt kein Gehirn, denn Subtext, Stil oder existenzielle Fragen kommen im Text nicht vor, Figuren mit mehr als einer Eigenschaft auch nicht. Wenn das kulinarische Geschäft wirklich so ist, meint die Rezensentin, dann Guten Appetit!
© Perlentaucher Medien GmbH
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Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 20.08.2014Was hat er da nur ausgekocht?
Simon Wroes Debüt "Chop Chop" wählt das falsche Rezept für einen Restaurantroman
"Ein Himbeersoufflé, du hirnamputierter Sack!" Nein, das ist nicht der aus der Fernsehsendung "Chef ohne Gnade" bekannte britische Erfolgskoch Gordon Ramsey bei einem seiner notorischen Wutanfälle, sondern Bob, der Chefkoch aus Simon Wroes Debütroman "Chop Chop". Wroe ist selbst gelernter Koch und hat seine Küchenerfahrungen in einen vom Verlag als komisch angekündigten Roman verwandelt, der hinter die Kulissen eines Restaurants blickt.
Monocle, ein heruntergekommener Anglistikstudent, nimmt dort einen Job als Küchenhilfe an. Nun erfährt er, wie erbarmungslos das kulinarische Geschäft sein kann. Ein sadistischer Chef, eine machistische Atmosphäre und der ständige Druck, Gerichte nicht nur köstlich und schön, sondern auch schnell zuzubereiten, sorgen für Intrigen, Verbrechen und selbstverständlich auch etwas, das als Liebesgeschichte gelten mag. Im Hintergrund all dessen entfaltet sich zudem Monocles melodramatische Familiengeschichte.
Das wirkt wie eine überdrehte Version einer einzelnen "Hell's Kitchen"-Folge. Die Kandidaten dabei wären ein musicalliebender Skinhead, eine verrückte Vaterfigur, ein Ausländer, der kein Englisch spricht, ein Underdog, ein Schwuler, der keine Eigenschaften außer seiner sexuellen Orientierung aufweist, eine Frau, die keine Eigenschaften außer ihrer Weiblichkeit und ihres Stoizismus besitzt, und ein Sündenbock, der gleichzeitig den Ich-Erzähler spielt. In der Jury säßen ein dicker Mafiaboss, eine zickige Ehefrau und ein glücksspielsüchtiger, erfolgloser Sportler.
Als Leser betrachtet man diese plakativen Figuren auf dieselbe Weise wie die diversen würdelosen Realityshows: mit einer Mischung aus Mitleid, Horror und Faszination. Das Gehirn kann sich ausruhen, Emotionen sind gefragt, und am besten lässt man bei den höchstdramatischen Ereignissen, die alle paar Seiten vorkommen, jede Frage nach Glaubwürdigkeit beiseite. Dabei wäre hier, wenn es um ein Porträt der hehren Küchenwelt gegangen sein sollte (so will das Buch sich jedenfalls verstanden sehen), gerade Glaubwürdigkeit gefragt. Nach Wroes eigenen Angaben basieren seine Erzählungen über Bobs drastisches Verhalten gegenüber den Angestellten auf realen Missbrauchsfällen, die der Autor im Laufe seiner Arbeit miterlebt hat. So etwa Brandmarken der Hände mittels eines glühenden Löffels oder - in einer besonders grauenhaften Szene - mit siedendem Karamell. Stellen, die dagegen wohl als komisch gelten sollen, bedienen sich munter bei Rassismus, Sexismus und Schwulenfeindlichkeit - vom lässigen Umgang des Autors mit sexuellen Belästigungen ganz zu schweigen.
Mit der Flachheit dieser Handlung kann nur die Flachheit der Sprache konkurrieren. Wer Angst davor haben sollte, den Subtext eines Buches nicht mitzubekommen, braucht sich hier keine Sorge zu machen - es gibt keinen. Es gibt auch keine existentielle Frage, die nicht grob beantwortet würde, und keine Überraschung, die man nicht hätte kommen sehen.
Im englischen Original soll die Tendenz des Erzählers, sich bei jedem Stau im Textfluss mittels Klischees zu retten, wohl als Arroganz eines Anglistikabsolventen zu verstehen sein. Diese Ausrede, die schon im Original nicht überzeugt, gilt für die deutschsprachige Ausgabe gar nicht mehr. Denn bei der Übersetzung gingen wichtige stilistische Eigenschaften des Textes verloren, vor allem die bewusst anmaßende lyrische Beschreibungsweise des Erzählers. Ein weiteres Opfer der Übersetzung ist die einzige Stärke des Buchs: die spezielle, bisweilen auch rätselhafte Kochterminologie. "In my tall" wird da zu "hier bei mir", "ça marche" zu "los geht's", "backs" zu "achtung". Schön wäre es gewesen, auch in der Übersetzung einen Textbereich zu haben, in dem den Lesern nicht ohnehin alles überdeutlich gemacht wird.
ALEXANDRA BELOPOLSKY
Simon Wroe: "Chop Chop". Roman. Aus dem Englischen von Robin Detje. Ullstein Verlag, Berlin 2014. 343 S., br., 18,- [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Simon Wroes Debüt "Chop Chop" wählt das falsche Rezept für einen Restaurantroman
"Ein Himbeersoufflé, du hirnamputierter Sack!" Nein, das ist nicht der aus der Fernsehsendung "Chef ohne Gnade" bekannte britische Erfolgskoch Gordon Ramsey bei einem seiner notorischen Wutanfälle, sondern Bob, der Chefkoch aus Simon Wroes Debütroman "Chop Chop". Wroe ist selbst gelernter Koch und hat seine Küchenerfahrungen in einen vom Verlag als komisch angekündigten Roman verwandelt, der hinter die Kulissen eines Restaurants blickt.
Monocle, ein heruntergekommener Anglistikstudent, nimmt dort einen Job als Küchenhilfe an. Nun erfährt er, wie erbarmungslos das kulinarische Geschäft sein kann. Ein sadistischer Chef, eine machistische Atmosphäre und der ständige Druck, Gerichte nicht nur köstlich und schön, sondern auch schnell zuzubereiten, sorgen für Intrigen, Verbrechen und selbstverständlich auch etwas, das als Liebesgeschichte gelten mag. Im Hintergrund all dessen entfaltet sich zudem Monocles melodramatische Familiengeschichte.
Das wirkt wie eine überdrehte Version einer einzelnen "Hell's Kitchen"-Folge. Die Kandidaten dabei wären ein musicalliebender Skinhead, eine verrückte Vaterfigur, ein Ausländer, der kein Englisch spricht, ein Underdog, ein Schwuler, der keine Eigenschaften außer seiner sexuellen Orientierung aufweist, eine Frau, die keine Eigenschaften außer ihrer Weiblichkeit und ihres Stoizismus besitzt, und ein Sündenbock, der gleichzeitig den Ich-Erzähler spielt. In der Jury säßen ein dicker Mafiaboss, eine zickige Ehefrau und ein glücksspielsüchtiger, erfolgloser Sportler.
Als Leser betrachtet man diese plakativen Figuren auf dieselbe Weise wie die diversen würdelosen Realityshows: mit einer Mischung aus Mitleid, Horror und Faszination. Das Gehirn kann sich ausruhen, Emotionen sind gefragt, und am besten lässt man bei den höchstdramatischen Ereignissen, die alle paar Seiten vorkommen, jede Frage nach Glaubwürdigkeit beiseite. Dabei wäre hier, wenn es um ein Porträt der hehren Küchenwelt gegangen sein sollte (so will das Buch sich jedenfalls verstanden sehen), gerade Glaubwürdigkeit gefragt. Nach Wroes eigenen Angaben basieren seine Erzählungen über Bobs drastisches Verhalten gegenüber den Angestellten auf realen Missbrauchsfällen, die der Autor im Laufe seiner Arbeit miterlebt hat. So etwa Brandmarken der Hände mittels eines glühenden Löffels oder - in einer besonders grauenhaften Szene - mit siedendem Karamell. Stellen, die dagegen wohl als komisch gelten sollen, bedienen sich munter bei Rassismus, Sexismus und Schwulenfeindlichkeit - vom lässigen Umgang des Autors mit sexuellen Belästigungen ganz zu schweigen.
Mit der Flachheit dieser Handlung kann nur die Flachheit der Sprache konkurrieren. Wer Angst davor haben sollte, den Subtext eines Buches nicht mitzubekommen, braucht sich hier keine Sorge zu machen - es gibt keinen. Es gibt auch keine existentielle Frage, die nicht grob beantwortet würde, und keine Überraschung, die man nicht hätte kommen sehen.
Im englischen Original soll die Tendenz des Erzählers, sich bei jedem Stau im Textfluss mittels Klischees zu retten, wohl als Arroganz eines Anglistikabsolventen zu verstehen sein. Diese Ausrede, die schon im Original nicht überzeugt, gilt für die deutschsprachige Ausgabe gar nicht mehr. Denn bei der Übersetzung gingen wichtige stilistische Eigenschaften des Textes verloren, vor allem die bewusst anmaßende lyrische Beschreibungsweise des Erzählers. Ein weiteres Opfer der Übersetzung ist die einzige Stärke des Buchs: die spezielle, bisweilen auch rätselhafte Kochterminologie. "In my tall" wird da zu "hier bei mir", "ça marche" zu "los geht's", "backs" zu "achtung". Schön wäre es gewesen, auch in der Übersetzung einen Textbereich zu haben, in dem den Lesern nicht ohnehin alles überdeutlich gemacht wird.
ALEXANDRA BELOPOLSKY
Simon Wroe: "Chop Chop". Roman. Aus dem Englischen von Robin Detje. Ullstein Verlag, Berlin 2014. 343 S., br., 18,- [Euro].
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