In „Chopins Herz“ vervollkommnet der polnische Dichter Jacek Dehnel die ihm nahestehende Form des Langgedichts. Ein poetisches Objektiv bewegt sich durch die Straßen der Hauptstadt, registriert das gnadenlose Wirken der Zeit und verflicht in einem Liederkreis das Erhabene mit dem Rührigen, dem Kitschigen, dem Zotigen, dem Philosophischen, dem Hinterfragenden, dem Unterhaltsamen und der Liebe. Dabei hält es fest, was es nicht in den Kanon geschafft hat. „Das ist ein Lied für den Winter, ein Lied auf die unglückliche Liebe, ein Lied, das durch die Warschauer Nacht im Dezember trägt. Eine Platte auf Gebeinen, aber über das Herz“, wie der Autor selbst schreibt.
Perlentaucher-Notiz zur Dlf Kultur-Rezension
Nicht nur für das angeblich in der Heilig-Kreuz-Kirche in Warschau versteckte Herz Chopins interessiert sich der Sprecher von Jacek Dehnels Langgedicht, sondern auch für allerlei andere, "unzugängliche Dinge", weiß Rezensent Nico Bleutge. So verbinden sich die disparatesten Gegenstände und Phänomene in Dehnels Lyrik, der, im Geist die Straßen Warschaus entlanggehend, über vergessene Bücher und alte Salzdosen genauso dichtet, wie über den Tod und die Erinnerung, hält Bleutge fest. Die sogenannte Technik des "Röntgenizdats"wendet Dehnel an, indem er schon vorhandenes Material mit Neuem anreichert und überschreibt, erklärt der Kritiker, so kommen zum Beispiel die Versmaße von polnischen Dichtern der Romantik zum Tragen, aber auch zahlreiche Musikzitate, klassische wie moderne, klingen bei ihm durch. Auch Kritik an Antisemitismus, Rassismus und Homophobie finde sich zwischen den Zeilen wieder, aber der "Fluchtpunkt" bleibe Chopins Herz als Symbol für die Liebe. Michael Pietrucha hat das Langgedicht "elegant" und mit Gespür für die sprachlichen Besonderheiten ins Deutsche übersetzt, lobt der Kritiker abschließend.
© Perlentaucher Medien GmbH
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