„Das menschlichste Herz der französischen Literatur“ hat Marcel Proust die Autorin Colette einmal genannt und damit die große Kunst dieser französischen Jahrhundertautorin durchaus treffend beschrieben. Denn die Windungen und Wendungen des Zwischenmenschlichen beschreibt sie so eingängig wie
messerscharf.
In Colettes Roman Chéri hat eine mittelalte Lebedame - die wohlhabende Léa - eine…mehr„Das menschlichste Herz der französischen Literatur“ hat Marcel Proust die Autorin Colette einmal genannt und damit die große Kunst dieser französischen Jahrhundertautorin durchaus treffend beschrieben. Denn die Windungen und Wendungen des Zwischenmenschlichen beschreibt sie so eingängig wie messerscharf.
In Colettes Roman Chéri hat eine mittelalte Lebedame - die wohlhabende Léa - eine Beziehung mit einem jungen Mann, den sie mütterlich nur Chéri nennt. Eine alles andere als gesellschaftlich angemessene Verbindung für das Erscheinungsjahr 1920, noch dazu, weil sie außerehelich und explizit erotisch daherkommt.
Als Chéri mit einer Debütantin verheiratet wird, stürzt das sowohl ihn als auch Léa in existenzielle Krisen und führt schließlich zur Auseinandersetzung mit der Natur ihrer Beziehung.
Colettes empathisch-analysierender Stil und ihre ironische Erzählweise machten den Kurzroman für mich zu einem Lesevergnügen. Ich wurde dabei des Öfteren an die von mir sehr geschätzten Non-Maigrets von Georges Simenon erinnert, wobei Colette die Zeichnung einer weiblichen Protagonistin besser gelingt (insoweit weist das Werk Simenons regelmäßig ein Manko auf). Da überrascht es wenig, dass es eben jene Colette war, die Simenon am Anfang seiner Karriere den Rat gab, so einfach zu schreiben wie möglich und alles Überflüssige wegzulassen. Ein stilprägender Ratschlag.
Wer eine wichtige Stimme der französischen Literatur entdecken möchte, ist mit dieser gelungenen und wie immer stilsicher gestalteten Ausgabe aus dem Input-Verlag bestens bedient.