Christian Boltanski liebt es, Geschichten zu erzählen und mit Anekdoten seine Vergangenheit lebendig werden zu lassen. Catherine Grenier ist in dieser fesselnden Erzählung die Zuhörerin und gibt mit ihren Fragen die Stichworte, um den Redefluss des Künstlers zu lenken. Da muss ich die Geschichte mit der Katze erzählen , und schon wird ein Stück Vergangenheit so lebendig, wie es keine Geschichtsschreibung vermag: Paris unter der deutschen Besatzung, die Gesetze der Vichy-Regierung, das Verbot für Juden, ein Haustier zu halten. Mit seinen Erzählungen von seinen vielen Begegnungen mit anderen Künstlern, mit Museumsleuten, Kunstkritikern, Galeristen wandert er durch die Kunstszene der vergangenen Jahrzehnte.
Der Titel bezieht sich wortspielerisch auf Boltanskis ersten Kurzfilm von 1968: La vie impossible de Christian Boltanski". Aus diesem unmöglichen Leben" wurde im Rückblick das mögliche Leben des Christian Boltanski."
Der Titel bezieht sich wortspielerisch auf Boltanskis ersten Kurzfilm von 1968: La vie impossible de Christian Boltanski". Aus diesem unmöglichen Leben" wurde im Rückblick das mögliche Leben des Christian Boltanski."
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 18.12.2009Späte Spiele
Dieses Buch ist etwas für ausdauernde Leser. Es enthält erzählte Memoiren. Catherine Grenier, Kustodin am Pariser Centre Pompidou, hat aus Gesprächen mit Christian Boltanski, berühmt für seine künstlerische Auseinandersetzung mit den Verbrechen der Nationalsozialisten, eine Autobiographie geformt: Herausgekommen ist "Das mögliche Leben des Christian Boltanski". Greniers Fragen sind so angenehm kurz gehalten, dass sie beim Lesen (fast) verschwinden. Das Mündliche wird, auch auf dem Hintergrund von Boltanskis explizit autobiographischen Installationen, zur adäquaten Form: Er wurde am 6. September 1944 nach der Befreiung von Paris im Quartier Latin geboren. "Ich wollte Franzose sein", sagt er, "am besten ein Prinz - stattdessen die Scham, Jude zu sein". Seine Eltern, ein Jude und eine Katholikin, ließen sich während des Krieges demonstrativ scheiden: "Eines Abends schrien sie sich zum Schein laut an, und danach versteckte meine Mutter meinen Vater unter den Dielen." Auf die Beschreibung seiner Entscheidung, Künstler zu werden, folgt eine ausführliche Analyse seines künstlerischen Werks. Und auch wenn der Ton hin und wieder ein wenig ins Anekdotenhafte abgleitet: Grenier schafft es geschickt, die Aufmerksamkeit immer wieder zurück auf dieses Werk zu lenken. So ist ein bedeutendes Dokument entstanden, in dem kritische Anmerkungen freilich kaum Platz finden. "Im Alter", heißt es an einer Stelle, "kann man leichter spielen. Eine Sache, die Du nie erzählen könntest, erscheint Dir zwanzig Jahre später nicht mehr so schrecklich". Dieser späte Mut zum Blick nach vorn spricht aus jeder Zeile. (Catherine Grenier: "Das mögliche Leben des Christian Boltanski". Herausgegeben von Barbara Catoir. Verlag Walther König, Köln 2009. 272 S., Abb., br., 19,80 [Euro].)
swka
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Dieses Buch ist etwas für ausdauernde Leser. Es enthält erzählte Memoiren. Catherine Grenier, Kustodin am Pariser Centre Pompidou, hat aus Gesprächen mit Christian Boltanski, berühmt für seine künstlerische Auseinandersetzung mit den Verbrechen der Nationalsozialisten, eine Autobiographie geformt: Herausgekommen ist "Das mögliche Leben des Christian Boltanski". Greniers Fragen sind so angenehm kurz gehalten, dass sie beim Lesen (fast) verschwinden. Das Mündliche wird, auch auf dem Hintergrund von Boltanskis explizit autobiographischen Installationen, zur adäquaten Form: Er wurde am 6. September 1944 nach der Befreiung von Paris im Quartier Latin geboren. "Ich wollte Franzose sein", sagt er, "am besten ein Prinz - stattdessen die Scham, Jude zu sein". Seine Eltern, ein Jude und eine Katholikin, ließen sich während des Krieges demonstrativ scheiden: "Eines Abends schrien sie sich zum Schein laut an, und danach versteckte meine Mutter meinen Vater unter den Dielen." Auf die Beschreibung seiner Entscheidung, Künstler zu werden, folgt eine ausführliche Analyse seines künstlerischen Werks. Und auch wenn der Ton hin und wieder ein wenig ins Anekdotenhafte abgleitet: Grenier schafft es geschickt, die Aufmerksamkeit immer wieder zurück auf dieses Werk zu lenken. So ist ein bedeutendes Dokument entstanden, in dem kritische Anmerkungen freilich kaum Platz finden. "Im Alter", heißt es an einer Stelle, "kann man leichter spielen. Eine Sache, die Du nie erzählen könntest, erscheint Dir zwanzig Jahre später nicht mehr so schrecklich". Dieser späte Mut zum Blick nach vorn spricht aus jeder Zeile. (Catherine Grenier: "Das mögliche Leben des Christian Boltanski". Herausgegeben von Barbara Catoir. Verlag Walther König, Köln 2009. 272 S., Abb., br., 19,80 [Euro].)
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