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Christian Kracht. Zu Leben und Werk.
Von vielen gefeiert, von manchen missverstanden und angefeindet, steht Christian Kracht im Zentrum der neueren Debatten zur deutschen Gegenwartsliteratur. Die Faszinationskraft seiner Texte, die Herausforderung, die seine glänzend geschriebenen und doch auch rätselhaft bleibenden Romane und Reiseerzählungen darstellen, sind Grund genug, erstmals einen Sammelband zu Christian Kracht und zu seinem Werk vorzulegen.
Krachts Stil ist in seiner Eleganz, Ökonomie und Klarheit außergewöhnlich. Seine Themenwahl - von Phantasien der Selbst- und Weltauslöschung
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Produktbeschreibung
Christian Kracht. Zu Leben und Werk.

Von vielen gefeiert, von manchen missverstanden und angefeindet, steht Christian Kracht im Zentrum der neueren Debatten zur deutschen Gegenwartsliteratur. Die Faszinationskraft seiner Texte, die Herausforderung, die seine glänzend geschriebenen und doch auch rätselhaft bleibenden Romane und Reiseerzählungen darstellen, sind Grund genug, erstmals einen Sammelband zu Christian Kracht und zu seinem Werk vorzulegen.

Krachts Stil ist in seiner Eleganz, Ökonomie und Klarheit außergewöhnlich. Seine Themenwahl - von Phantasien der Selbst- und Weltauslöschung bis zu den Reisen an die ungewöhnlichsten und angenehmsten Orte dieser Welt - ist konkurrenzlos originell und mutig. Seine Geschichten mischen auf unerhörte, unterhaltsame Weise

E- und U-Literatur: die Avantgarden des 20. Jahrhunderts und den Comic, Thomas Mann und Thomas Pynchon mit Science Fiction, die road novel und den Abenteuerroman.

Das Buch will den Leser mitnehmen auf neue Wege, den Geheimnissen der Bücher Krachts näherzukommen. Dabei werden u.a. diskutiert: Kracht und der Ästhetizismus, Kracht und die Popliteratur, Kracht als Journalist, Theaterautor, Leser und Vorleser, als Reiseschriftsteller und Bergsteiger, als Verschwörungsarchitekt und Moralist, und: Kracht als Gesamtkunstwerk.

Mit Beiträgen von Johannes Birgfeld, Patrick Bühler, Claude D. Conter, Sebastian Domsch, Fabian Lettow, Lutz Hagestedt, Till Huber, Oliver Jahraus, Paul Michael Lützeler, Franka Marquardt, Ingo Niermann, Eckhart Nickel, Oliver Ruf, Christoph Rauen, Leander Scholz, Andreas Schumann und Eckhard Schumacher.
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Autorenporträt
Claude D. Conter, wissenschaftlicher Mitarbeiter im Literaturarchiv und -haus Centre national de littérature in Mersch (Luxemburg); Studium der Germanistik und Kommunikationswissenschaft in Bamberg und Berlin. Danach Lehre und Forschung an den Universitäten Bamberg, Trier und an der LMU München; Visiting Assistant Professor in Sewanee (TN, USA). Forschung zur Gegenwartsliteratur, Luxemburgistik, zum Verhältnis von Literatur und Politik, Literatur und Recht, zur deutschsprachigen Theatergeschichte sowie zum Vormärz. Johannes Birgfeld, wissenschaftlicher Mitarbeiter in Neuerer Deutscher Literaturwissenschaft an der Universität des Saarlandes. Studium der Germanistik und Philosophie in Hamburg, London und Bamberg. Danach unterrichtete er in Bamberg, Sewanee, Oxford und Saarbrücken. Kultur- und literaturwissenschaftliche Forschung und zahlreiche Publikationen zur Literatur des 17., 18. und 20./21. Jahrhunderts und zur deutschsprachigen Theatergeschichte.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 01.11.2009

Ohne Stil bleibt sie still
Bericht von einer Leerstelle: Warum die neuere Literaturwissenschaft nicht so recht weiß, was sie mit dem Werk des Schriftstellers Christian Kracht anfangen soll

Warum, kann man fragen, warum hat sich die neuere deutsche Literaturwissenschaft bislang nicht mit Christian Kracht beschäftigt? Sie hat es nicht getan, kann man antworten, weil ihr der Stil dafür fehlt. In zwei Sätzen wäre alles gesagt - nur nicht, was diese zwei Sätze bedeuten: Dass es einen Abgrund gibt in den akademischen Debatten zur Literatur unserer Zeit, über den kaum gesprochen wird, auch wenn er mit bloßem Auge zu erkennen ist. Er tut sich auf in dem, wie ein Schriftsteller untersucht, oder eher: wie er nicht untersucht wird.

Es ist jetzt fast fünfzehn Jahre her, dass Christian Kracht in der Literaturwelt auftauchte, mit Reportagen, Reiseberichten und Fotobänden und vor allem mit drei Romanen. 1995 erschien "Faserland", ein Roman, der Champagnertrinken auf Sylt, Burschenschaftspartys, Porschefahren und den Besuch am Grab von Thomas Mann zu einem Erlebnisbericht aus einem Land verband, das in seiner öden Betulichkeit einen Ekel von so apokalyptischem Ausmaß auslöste, dass er nur noch beiläufig und lakonisch wiederzugeben war. 2001 folgte "1979", ein Roman, der über den Weg aus dem von Panzern besetzten Teheran in ein Umerziehungslager in Tibet brutalklar eine innere Selbstauslöschung beschrieb. 2008 schließlich der letzte Roman, "Ich werde hier sein im Sonnenschein und im Schatten", der eine Welt entwarf, in der Lenin die Schweizer Sowjetrepublik gegründet hatte.

Krachts Romane handeln vom Auf-der-Suche-Sein, es geht um Gegenwart, Vergangenheit, Erinnerung und Utopien. Eigentlich sind das genau die Themen, mit denen sich die neuere deutsche Literaturwissenschaft in letzter Zeit beschäftigt. Doch in den vergangenen fünfzehn Jahren sind ungefähr genauso viele wissenschaftliche Aufsätze über die Werke von Christian Kracht erschienen: fünfzehn. Jetzt ist ein Sammelband dazugekommen, "Christian Kracht" heißt er knapp und enthält siebzehn Texte. Im Schnitt sind das etwa zwei Veröffentlichungen im Jahr.

Würde man einen Germanisten fragen, was das zu bedeuten hat und ob diese akademische Ausbeute nun groß oder klein sei, könnte er "beides" antworten: Es ist der Lauf der Dinge, die Wissenschaft folgt einer anderen Zeitrechnung als die Wirklichkeit. Die Zeit, könnte er sagen, nehmen wir uns und lassen sie sich auf die Bücher legen wie das Moos auf den Waldboden.

Und so, könnte er weiter sagen, wachsen langsam Bezugspunkte und Querverbindungen, ein Geflecht, das wir brauchen, um uns mit ihm den Büchern zu nähern. Sicher, es kommt Außenstehenden vielleicht absurd vor, übervorsichtig und weltabgewandt, oder schlicht zwanghaft, als könnte man erst dann zur Sache kommen, wenn man vorher lange genug darüber geredet hat. Außerdem, könnte er hinzufügen, gibt es doch längst Arbeiten zum Popliteraten Christian Kracht. Spätestens jetzt würde einem bewusst, in welcher Sackgasse der Wissenschaft man sich befindet: Pop-Literatur.

Es ist kein Geheimnis mehr, dass sich hinter dem modisch klingenden Namen oft nicht viel mehr verbirgt als der müde Versuch, Frische zu erzeugen; dass er oft nur eine Verschriftlichung jener Seminare bedeutet, in denen Professoren Leselisten verteilen, mit Büchern "junger Autoren", die eine "Direktheit" und "Unverstelltheit" versprechen, die sich über Schillerseiten unter Neonlicht nicht mehr ohne weiteres einstellt. Es ist eine Art, Literatur zu untersuchen, die in den wilderen Fällen zu Theorien wie denen von Diedrich Diederichsen führte und einen streetstylehaften Sexappeal mit sich brachte und in lahmeren in Lehrveranstaltungen mündete, in denen bei Zigarette und Bier Platten gehört wurden und der Professor den hübscheren Teilnehmerinnen erzählen konnte, wie es damals war, mit David Bowie und ihm.

Nein, spätestens wenn die Rede auf den "Popliteraten Christian Kracht" käme, würde es klar, einfach und gleichzeitig brutal: Christian Kracht ist ein Phänomen, dem sich die neuere deutsche Literaturwissenschaft nicht stellt, weil sie ihm nicht gewachsen ist. Zwei Szenen nur, eine aus dessen erstem und eine aus dessen letztem Roman, zeigen, dass der Lauf der Dinge nämlich auch ein ganz anderer sein könnte.

In "Faserland" beschreibt der Ich-Erzähler, wie er vom Grab von Thomas Mann zum See läuft, es ist kühl, er knöpft das Tweedjackett zu, im Wasser dümpelt ein Boot, jemand rudert ihn hinaus: "bald sind wir in der Mitte des Sees, schon bald". In "Ich werde hier sein im Sonnenschein und im Schatten" beschreibt der Ich-Erzähler, wie am Ende einer Schlacht der Schnee aussieht: "Es roch nach Eisen. Morphiumampullen lagen umher. Die Sonne ging auf. Es wurde nicht wärmer."

Der Schnee, Schlacht, Morphium - Ernst Jünger? Der See, Unbestimmtheit, Einsamkeit - Thomas Mann? Das sind doch Reizworte, auf die ein Germanist anspringen müsste wie der Hund auf den Glockenton. Warum hört er ihn nicht?

Der Sammelband "Christian Kracht" gibt auf diese Frage eine Antwort - allerdings nur indirekt. Krachts Werke, heißt es dort, blicken an Orte, die wir ignorieren, sie entwerfen Visionen unserer Welt, die wir nicht kennen wollen, sie sind rätselhaft und irritierend, weil sie eine radikale Ästhetik darstellen: eine Ästhetik, die frei ist von Moral, Realismus und überhaupt allen Bindungen an unsere Welt, wie wir sie kennen. Kurz: Kracht entwirft einen ästhetischen Fundamentalismus in der Tradition von Dekadenz und Dandyismus, ohne sich in diese Ahnenreihe zu stellen und damit wieder an die Welt anzuschließen. Seine Literatur zeigt in ihrer Radikalität die Fähigkeit zur Selbstdarstellung. Die absolute Weise, die Dinge zu sehen - ist das nicht genau das, was Stil ausmacht?

Der Schriftsteller Gustave Flaubert hat das noch so gesehen, inzwischen aber hat sich in Fragen des Stils eine Unbeholfenheit eingeschlichen; sie zu stellen bedeutet oft nicht mehr als ein sehnsüchtiges Hinterherjagen eines "Je ne sais quoi", ohne dass das "Was" je erreicht werden könnte, ein Effekt, der sich in den Wissenschaften nicht nur, aber vor allem in der von der Literatur breitgemacht hat.

In deren kulturtheoretischen Überlegungen verlor die Vorstellung des Stils im Laufe des letzten Jahrhunderts an Bedeutung, bis sie, unter den Verdacht der Antiquiertheit geraten, nahezu ausstarb. Im Zuge des unerbittlichen Vorwärtsschwungs der Avantgarden der zwanziger Jahre, die aus stickiger Innerlichkeit hinein ins Leben wollten, rückte der Stil ins Abseits, bis er, in den achtziger Jahren, zum Rückzugsort für diejenigen geworden war, die sich vom politisierenden Ton der Wissenschaft erholen wollten. Stil war zum alten Eisen der geisteswissenschaftlichen Tradition geworden. Die Leerstelle, die sich von da an in akademischen Debatten zeigte, war keine moralische oder ethische, noch nicht mal eine intellektuelle, sondern: eine ästhetische.

Das Bild, das so vom Stil in der Wissenschaft entstanden ist, entspricht nun langsam dem, das man bei dem ungleichen Paar Wissenschaft und Stil vor Augen haben könnte: ein schratiger alter Mann, über ein Hochglanzmagazin gebeugt, blickt aus dicker Brille auf bunte Fotos von Merinowollschals und Kochsets aus gebürstetem Stahl, starrt auf das, was da den Weg in seinen Elfenbeinturm gefunden hat, und findet es oberflächlich.

Doch genauso wenig wie Literaturwissenschaftler nur solche Gestalten sind, muss die Debatte um den Stil erschöpft sein. Für den Moment ist es allerdings so, dass im Angesicht einer radikalen Literatur, die, mit dem Label "Popliteratur" versehen, unter Verschluss gehalten wird, die Wissenschaft sich selbst die Augen zuhält vor dem Abgrund, vor dem sie steht.

Kracht ist nicht der einzige Schriftsteller, dessen Werke diese Wirkung haben. Er ist Teil eines ästhetischen Phänomens, zu dem die neuere deutsche Literaturwissenschaft offenbar wenig zu sagen weiß. Ihr Schweigen ist nicht anders zu verstehen: Ihr fehlt, immer noch, der Stil.

MARA DELIUS

"Christian Kracht. Zu Leben und Werk." Hg. von Johannes Birgfeld und Claude D. Conter. Kiepenheuer & Witsch, 288 Seiten, 19,95 Euro

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