Es sollte ein weiterer Gedichtband werden, schreibt Serhij Zhadan, über die östliche Landschaft im Winter, den nahenden Schnee, die Stimmen in der Luft, die Weinberge, die Stadt am Horizont, die sich mit Lärm und Licht füllt. Doch am 24. Februar 2022, mit Beginn des großen Krieges in der Ukraine, brach die Zeit, verstummte die Poesie. Erst Monate später kehrte die Sprache zurück: »Zeit neue Gedichte zu schreiben / Bei den alten weint niemand mehr.«
50 + 1 untertitelt Zhadan seinen neuen Lyrikband, der das Davor und Danach und den Riss in der Mitte dokumentiert - datierte Gedichte, zwischen Ende 2021 und Sommer 2023 geschrieben.
50 + 1 untertitelt Zhadan seinen neuen Lyrikband, der das Davor und Danach und den Riss in der Mitte dokumentiert - datierte Gedichte, zwischen Ende 2021 und Sommer 2023 geschrieben.
Perlentaucher-Notiz zur TAZ-Rezension
Atem ist das Leitmotiv dieses Bandes. Serhij Zhadan, Schriftsteller, Musiker und aktuell auch Soldat, erzählt davon, wie es den Menschen nach dem russischen Angriff erst einmal die Sprache verschlug. Es dauerte, bis sie sie langsam wiederfanden, Atempausen machten, erzählt beeindruckt Rezensent Jens Uthoff - bis sie mit voller poetischer Kraft wieder zurückkehrt. Das "Vokabular des Schweigens" muss in der Kriegssituation genauso ausgebreitet werden wie die Macht der Benennung und die Unmöglichkeit, den Krieg nicht zur Sprache kommen zu lassen, lernt der Kritiker. Dass das Überleben und Atemholen nicht nur der Soldaten, sondern auch der ukrainischen Kultur dafür unerlässlich ist, leuchtet ihm sofort ein.
© Perlentaucher Medien GmbH
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»Die Texte [in Chronik des eigenen Atems] sind zwischen Dezember 2021 und Juni 2023 entstanden; jene im ersten Teil des Buches vor Beginn des russischen Angriffskriegs, jene im zweiten Teil danach. ... Man kann ... abgleichen, wie sich die Sprache Zhadans verändert hat; man kann staunen, wie poetisch das Wiederfinden der Sprache klingen kann ...« Jens Uthoff wochentaz 20241122