Es war nie ein Geheimnis, dass die CIA Leichen im Keller hat.
Doch was Tim Weiner in über zwanzig Jahren Recherche zusammengetragen hat, lässt zahlreiche weltpolitische Ereignisse - beginnend mit dem Korea-Krieg bis hin zum 11. September - und ihre Akteure in neuem Licht erscheinen.
Weiners Blick hinter die Fassade des angeblichen omnipotenten Geheimdienstes enthüllt viel bislang Unbekanntes. Einmalig ist, dass Weiner alle Fakten und seine brillanten Schlussfolgerungen vollständig mit Primärquellen belegen kann. Dafür sichtete er über 50000 Dokumente in den Archiven des Geheimdienstes, des Weißen Hauses und des State Department, die teilweise bis heute als geheim eingestuft waren, und führte Hunderte von Interviews mit hochrangigen Politikern, Ex-Agenten und Insidern, u.a. mit zehn ehemaligen CIA-Direktoren.
Doch was Tim Weiner in über zwanzig Jahren Recherche zusammengetragen hat, lässt zahlreiche weltpolitische Ereignisse - beginnend mit dem Korea-Krieg bis hin zum 11. September - und ihre Akteure in neuem Licht erscheinen.
Weiners Blick hinter die Fassade des angeblichen omnipotenten Geheimdienstes enthüllt viel bislang Unbekanntes. Einmalig ist, dass Weiner alle Fakten und seine brillanten Schlussfolgerungen vollständig mit Primärquellen belegen kann. Dafür sichtete er über 50000 Dokumente in den Archiven des Geheimdienstes, des Weißen Hauses und des State Department, die teilweise bis heute als geheim eingestuft waren, und führte Hunderte von Interviews mit hochrangigen Politikern, Ex-Agenten und Insidern, u.a. mit zehn ehemaligen CIA-Direktoren.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 12.03.2008Viele Hasardeure und Aufschneider
Tim Weiner zeigt die großen Schwächen der CIA auf / Von Harald Biermann
Die Geringschätzung demokratischer Staatsmänner gegenüber ihren Geheimdiensten ist vielfach dokumentiert. Über die häufigen Ausfälle von Helmut Kohl ärgern sich die Mitarbeiter des BND wohl noch heute. Der damalige Bundeskanzler erzählte jedem, der es hören wollte, dass die Geheimdienstberichte sowohl in Aktualität als auch in Qualität regelmäßig hinter der Berichterstattung der NZZ zurückgeblieben seien. Diese abschätzige Haltung legte in den vergangenen 60 Jahren auch die überwiegende Mehrzahl der amerikanischen Präsidenten an den Tag. Und wer mag es ihnen verdenken? Die Fehlschläge der "Central Intelligence Agency" - kurz CIA - sind Legion. Niemand innerhalb der Behörde sah den Kollaps der Sowjetunion und das Ende des Kalten Krieges voraus, niemand warnte ausdrücklich vor den Angriffen des 11. Septembers 2001, und niemand bezweifelte die Existenz von Massenvernichtungswaffen im Irak.
Allein die Fehler der jüngsten Vergangenheit könnten den unvoreingenommenen Betrachter zu dem Schluss kommen lassen, dass die amerikanische Demokratie nicht in der Lage ist, einen effizienten und leistungsfähigen Geheimdienst aufzubauen und mit Erfolg einzusetzen. Dieser Eindruck wird durch das Buch von Tim Weiner - Experte der New York Times für Nachrichtendienste - in seiner Bestandsaufnahme der Geschichte der CIA nachhaltig untermauert. "Dass und wie das mächtigste Land in der Geschichte der westlichen Zivilisation an der Aufgabe gescheitert ist, einen erstklassigen Spionagedienst aufzubauen", ist Thema dieses Buches. Auf breiter Materialbasis und mit großem Einfühlungsvermögen schildert er die Entstehung und die Arbeit der CIA seit ihren Anfängen im Jahr 1947. Im Gegensatz zu früheren Kritikern der CIA, welche die schiere Existenzberechtigung einer derartigen Institution massiv bezweifelten, plädiert der Autor nicht für eine wie auch immer geartete Auflösung oder Beschneidung des amerikanischen Geheimdiensts, sondern hebt vielmehr hervor, dass die Vereinigten Staaten von Amerika eine verlässliche und vertrauenswürdige Organisation für die Sammlung von "sensitiven" Informationen benötigen.
Kenntnisreich beschreibt der Autor die grundsätzlichen Probleme, mit denen ein Geheimdienst in einer offenen Gesellschaft konfrontiert ist. Dabei thematisiert er die Frage nach der demokratischen Kontrolle ebenso wie grundlegende Aspekte der Moralität. Denn es war den Planern schon im Gründungsmonat der CIA klar, dass Washington sowjetisches "Feuer mit Feuer" - so George F. Kennan im September 1947 - würde bekämpfen müssen. Diese Ausrichtung stellte die Mitarbeiter des Geheimdienstes immer wieder vor schwierige Entscheidungen: so zum Beispiel bei Tötungsaktionen gegen ausländische Staatenlenker - stichhaltig belegt Weiner die Initiative der Kennedy-Brüder zur Liquidierung von Fidel Castro und lässt an der Verantwortung des Präsidenten nicht den geringsten Zweifel - oder bei dem flächendeckenden und gesetzeswidrigen Einsatz der CIA im Inland in den 1960er und 1970er Jahren. Dass sich die amerikanischen Geheimdienstler gegen keine dieser Aktionen zur Wehr gesetzt haben, sondern im Gegenteil stets vorangeprescht sind, beschreibt einen Regelfall in der Geschichte von Spionageorganisationen. Der ausgeprägte Korpsgeist innerhalb des Nachrichtendiensts, der politische Druck auf vorzeigbare Ergebnisse und die schleichende Verrohung angesichts eines skrupellosen Gegners sind wichtige Faktoren für diese gefährlichen Entwicklungen.
Hinzu treten Schwierigkeiten, mit denen jeder Geheimdienst der Welt zu kämpfen hat: Wie vermittelt man einem Politiker Erkenntnisse, die völlig außerhalb seines Erfahrungs- und Kenntnishorizonts liegen? Wie begegnet man dem Druck von Entscheidungsträgern, die lediglich ihre Auffassungen bestätigt sehen wollen und vor der realen Lage die Augen verschließen? Und wie behauptet man im Zeitalter der globalen Vernetzung und der Live-Übertragungen in den Nachrichtensendern die Deutungshoheit über Ereignisse und Entwicklungen? Befriedigende Antworten auf diese Fragen scheint die CIA noch nicht gefunden zu haben, und es steht zu vermuten, dass ihre Kollegen in Pullach ähnlich ratlos sind.
Durch die gesamte Studie zieht sich wie ein roter Faden das Problem der Rekrutierung von geeignetem Personal. Zu oft setzte die CIA auf Hasardeure und Aufschneider. Unter dem Druck zur Geheimhaltung und durch intensive Einblicke in die tiefen Abgründe der menschlichen Existenz griffen viele Mitarbeiter zur Flasche, um der drückenden Realität zumindest kurzfristig zu entfliehen. Die personellen Herausforderungen der Gegenwart fasst Weiner gekonnt zusammen: "Um erfolgreich zu sein, musste die CIA Männer und Frauen finden, die die Disziplin und Opferbereitschaft der besten amerikanischen Soldaten, die kulturelle Sensibilität und das geschichtliche Wissen der besten amerikanischen Diplomaten sowie die Neugier und die Abenteuerlust der besten amerikanischen Auslandskorrespondenten in ihrer Person vereinen. Von Vorteil war es zudem, wenn man diese neuen Mitarbeiter für Palästinenser, Pakistaner oder Paschtunen halten konnte. Solche Amerikaner waren schwer zu finden."
Doch damit nicht genug. Nach dem Ende des Kalten Krieges verschlechterte sich die ohnehin angespannte Situation nochmals. Zum einen wurde die Bedeutung der Geheimdienste unter Präsident Clinton (1993 bis 2001) generell beschnitten, und zum anderen entwickelte sich durch die Privatisierungseuphorie der 1990er Jahre eine geheimdienstliche Serviceindustrie, welche die besten Mitarbeiter der CIA mit dem Versprechen höherer Verdienstmöglichkeiten systematisch abwarb. "Im Jahre 2005 hatte die Hälfte der CIA-Belegschaft - sowohl der Agenten als auch der Analysten - allenfalls fünf Jahre Berufserfahrung."
Alles in allem zeichnet Weiner ein niederschmetterndes Bild der CIA in der Gegenwart. Und dies ausgerechnet in einer Phase der Weltgeschichte, in der die Vereinigten Staaten als global agierende Ordnungsmacht vor äußerst schwierigen Herausforderungen stehen. Ein einsatzfähiger und leistungsstarker Geheimdienst ist eine zwingende Voraussetzung, um in den kommenden Auseinandersetzungen zu bestehen. Dass die Vereinigten Staaten derzeit auf diesem Auge blind sind, ist ein schwerwiegendes Problem - nicht nur für die Amerikaner, sondern auch für uns Deutsche.
Tim Weiner: CIA. Die ganze Geschichte. S. Fischer Verlag, Frankfurt am Main 2008. 864 S., 22,90 [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Tim Weiner zeigt die großen Schwächen der CIA auf / Von Harald Biermann
Die Geringschätzung demokratischer Staatsmänner gegenüber ihren Geheimdiensten ist vielfach dokumentiert. Über die häufigen Ausfälle von Helmut Kohl ärgern sich die Mitarbeiter des BND wohl noch heute. Der damalige Bundeskanzler erzählte jedem, der es hören wollte, dass die Geheimdienstberichte sowohl in Aktualität als auch in Qualität regelmäßig hinter der Berichterstattung der NZZ zurückgeblieben seien. Diese abschätzige Haltung legte in den vergangenen 60 Jahren auch die überwiegende Mehrzahl der amerikanischen Präsidenten an den Tag. Und wer mag es ihnen verdenken? Die Fehlschläge der "Central Intelligence Agency" - kurz CIA - sind Legion. Niemand innerhalb der Behörde sah den Kollaps der Sowjetunion und das Ende des Kalten Krieges voraus, niemand warnte ausdrücklich vor den Angriffen des 11. Septembers 2001, und niemand bezweifelte die Existenz von Massenvernichtungswaffen im Irak.
Allein die Fehler der jüngsten Vergangenheit könnten den unvoreingenommenen Betrachter zu dem Schluss kommen lassen, dass die amerikanische Demokratie nicht in der Lage ist, einen effizienten und leistungsfähigen Geheimdienst aufzubauen und mit Erfolg einzusetzen. Dieser Eindruck wird durch das Buch von Tim Weiner - Experte der New York Times für Nachrichtendienste - in seiner Bestandsaufnahme der Geschichte der CIA nachhaltig untermauert. "Dass und wie das mächtigste Land in der Geschichte der westlichen Zivilisation an der Aufgabe gescheitert ist, einen erstklassigen Spionagedienst aufzubauen", ist Thema dieses Buches. Auf breiter Materialbasis und mit großem Einfühlungsvermögen schildert er die Entstehung und die Arbeit der CIA seit ihren Anfängen im Jahr 1947. Im Gegensatz zu früheren Kritikern der CIA, welche die schiere Existenzberechtigung einer derartigen Institution massiv bezweifelten, plädiert der Autor nicht für eine wie auch immer geartete Auflösung oder Beschneidung des amerikanischen Geheimdiensts, sondern hebt vielmehr hervor, dass die Vereinigten Staaten von Amerika eine verlässliche und vertrauenswürdige Organisation für die Sammlung von "sensitiven" Informationen benötigen.
Kenntnisreich beschreibt der Autor die grundsätzlichen Probleme, mit denen ein Geheimdienst in einer offenen Gesellschaft konfrontiert ist. Dabei thematisiert er die Frage nach der demokratischen Kontrolle ebenso wie grundlegende Aspekte der Moralität. Denn es war den Planern schon im Gründungsmonat der CIA klar, dass Washington sowjetisches "Feuer mit Feuer" - so George F. Kennan im September 1947 - würde bekämpfen müssen. Diese Ausrichtung stellte die Mitarbeiter des Geheimdienstes immer wieder vor schwierige Entscheidungen: so zum Beispiel bei Tötungsaktionen gegen ausländische Staatenlenker - stichhaltig belegt Weiner die Initiative der Kennedy-Brüder zur Liquidierung von Fidel Castro und lässt an der Verantwortung des Präsidenten nicht den geringsten Zweifel - oder bei dem flächendeckenden und gesetzeswidrigen Einsatz der CIA im Inland in den 1960er und 1970er Jahren. Dass sich die amerikanischen Geheimdienstler gegen keine dieser Aktionen zur Wehr gesetzt haben, sondern im Gegenteil stets vorangeprescht sind, beschreibt einen Regelfall in der Geschichte von Spionageorganisationen. Der ausgeprägte Korpsgeist innerhalb des Nachrichtendiensts, der politische Druck auf vorzeigbare Ergebnisse und die schleichende Verrohung angesichts eines skrupellosen Gegners sind wichtige Faktoren für diese gefährlichen Entwicklungen.
Hinzu treten Schwierigkeiten, mit denen jeder Geheimdienst der Welt zu kämpfen hat: Wie vermittelt man einem Politiker Erkenntnisse, die völlig außerhalb seines Erfahrungs- und Kenntnishorizonts liegen? Wie begegnet man dem Druck von Entscheidungsträgern, die lediglich ihre Auffassungen bestätigt sehen wollen und vor der realen Lage die Augen verschließen? Und wie behauptet man im Zeitalter der globalen Vernetzung und der Live-Übertragungen in den Nachrichtensendern die Deutungshoheit über Ereignisse und Entwicklungen? Befriedigende Antworten auf diese Fragen scheint die CIA noch nicht gefunden zu haben, und es steht zu vermuten, dass ihre Kollegen in Pullach ähnlich ratlos sind.
Durch die gesamte Studie zieht sich wie ein roter Faden das Problem der Rekrutierung von geeignetem Personal. Zu oft setzte die CIA auf Hasardeure und Aufschneider. Unter dem Druck zur Geheimhaltung und durch intensive Einblicke in die tiefen Abgründe der menschlichen Existenz griffen viele Mitarbeiter zur Flasche, um der drückenden Realität zumindest kurzfristig zu entfliehen. Die personellen Herausforderungen der Gegenwart fasst Weiner gekonnt zusammen: "Um erfolgreich zu sein, musste die CIA Männer und Frauen finden, die die Disziplin und Opferbereitschaft der besten amerikanischen Soldaten, die kulturelle Sensibilität und das geschichtliche Wissen der besten amerikanischen Diplomaten sowie die Neugier und die Abenteuerlust der besten amerikanischen Auslandskorrespondenten in ihrer Person vereinen. Von Vorteil war es zudem, wenn man diese neuen Mitarbeiter für Palästinenser, Pakistaner oder Paschtunen halten konnte. Solche Amerikaner waren schwer zu finden."
Doch damit nicht genug. Nach dem Ende des Kalten Krieges verschlechterte sich die ohnehin angespannte Situation nochmals. Zum einen wurde die Bedeutung der Geheimdienste unter Präsident Clinton (1993 bis 2001) generell beschnitten, und zum anderen entwickelte sich durch die Privatisierungseuphorie der 1990er Jahre eine geheimdienstliche Serviceindustrie, welche die besten Mitarbeiter der CIA mit dem Versprechen höherer Verdienstmöglichkeiten systematisch abwarb. "Im Jahre 2005 hatte die Hälfte der CIA-Belegschaft - sowohl der Agenten als auch der Analysten - allenfalls fünf Jahre Berufserfahrung."
Alles in allem zeichnet Weiner ein niederschmetterndes Bild der CIA in der Gegenwart. Und dies ausgerechnet in einer Phase der Weltgeschichte, in der die Vereinigten Staaten als global agierende Ordnungsmacht vor äußerst schwierigen Herausforderungen stehen. Ein einsatzfähiger und leistungsstarker Geheimdienst ist eine zwingende Voraussetzung, um in den kommenden Auseinandersetzungen zu bestehen. Dass die Vereinigten Staaten derzeit auf diesem Auge blind sind, ist ein schwerwiegendes Problem - nicht nur für die Amerikaner, sondern auch für uns Deutsche.
Tim Weiner: CIA. Die ganze Geschichte. S. Fischer Verlag, Frankfurt am Main 2008. 864 S., 22,90 [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 01.04.2008Vertuschungsgeschichten
Die verheerende Bilanz des amerikanischen Geheimdienstes CIA
Bücher über Geheimdienste handeln häufig davon, wie es ungefähr gewesen sein könnte. Für das Buch des Reporters Tim Weiner von der New York Times über die „Central Intelligence Agency” trifft das über weite Strecken nicht zu. Es stützt sich vor allem auf Akten, die in den vergangenen Jahren zugänglich geworden sind.
Die CIA ist aus dem während des Zweiten Weltkriegs aufgebauten „Office of Strategic Services” (OSS) hervorgegangen, das nach 1945 „Central Intelligence Group” (CIG) hieß. Daraus wurde im Herbst 1947 die CIA. Weimer schreibt: Seine Hauptmission „bestand darin, den Präsidenten vor einem Überraschungsangriff, einem zweiten Pearl Harbor, rechtzeitig zu warnen”. Das gelang nur in Ausnahmefällen. Meist bemerkten die Agenten nicht, was sich zusammenbraute und wurden überrascht – von der ersten Atombombe der Sowjetunion 1949 ebenso wie vom 11. September 2001.
Fatale Logik
Von Anfang an widmete sich der Geheimdienst sowohl der Nachrichtenbeschaffung wie subversiven Aktionen – ein hochriskantes Gewerbe. Schon die erste verdeckte CIA-Operation misslang völlig. Im Sommer 1946 kursierte das Gerücht, Stalin wolle in die Türkei einmarschieren. Die CIA schickte Mitarbeiter nach Rumänien, mit dem Auftrag, die kleine Bauernpartei zu einer Sabotage- und Widerstandsgruppe umzufunktionieren. Die dilettantisch ausgeführte Operation entging dem sowjetischen Geheimdienst nicht. Innerhalb von zwei Wochen wurden alle rumänischen Aktivisten verhaftet und zum Teil hingerichtet.
Mit der von Präsident Truman am 12. März 1947 verkündeten Doktrin, wonach jeder Angriff, den Feinde Amerikas in einem beliebigen Staat unternähmen, auch als Angriff auf die USA betrachtet würde, wurde das Operationsgebiet global ausgedehnt. Der Geheimdienst war damit überfordert. Oft war die CIA damit beschäftigt, misslungene verdeckte Operationen zu vertuschen und Kollateralschäden kleinzureden.
Das CIA-Gesetz vom 27. Mai 1949 verbot dem Geheimdienst zwar Aktivitäten im Inland, war aber sonst eine Art Freibrief. Weimer: „Das Gesetz gab dem Nachrichtendienst das Recht, fast alles zu tun, was er wollte, solange der Kongress das Geld dafür in Jahresrationen bewilligte.” Nach einer fatalen Logik wurde aus der Tatsache, dass etwas als geheim galt, geschlossen, es sei damit auch rechtmäßig. Weiner demonstriert dies an einer Vielzahl von Operationen mit quellenmäßig gesicherten Details.
Von 1953 bis 1961 war Allen Dulles CIA-Direktor, während sein Bruder John Foster das State Departement, also die Außenpolitik, leitete. Sie dirigierten allein in den ersten fünf Jahren ihrer Amtszeit etwa 200 Geheimaktionen. Die CIA organisierte den Putsch in Iran, die Rebellionen von Offizieren im Kongo, in Indonesien, Honduras, Nicragua und Guatemala. Die Bilanz war für diese Länder wie für die USA verheerend. Für Guatemala etwa begannen nach dem Putsch, wie Weiner schreibt, „40 Jahre unter Militärherrschern, Todesschwadronen und bewaffneter Repression. Die für Geheimaktionen in Übersee erforderlichen Vertuschungsgeschichten wurden zum integralen Bestandteil des politischen Verhaltens, das sich die Agency in Washington angewöhnte.”
Der Geheimdienst entglitt der politischen Kontrolle. Vermutlich waren alle bisherigen 21 CIA-Direktoren in Putsch- und Mordpläne involviert. Übereilte oder fingierte Alarmrufe, in diesem oder jenem Land drohe eine kommunistische Machtübernahme, genügten, diesen Glauben zur Grundlage für subversive Aktionen, Morde und militärische Interventionen zu machen. Seit dem Vietnamkrieg und vollends mit Bushs weltweit geführtem „Krieg gegen den Terrorismus” wurde der Geheimdienst schamlos politisch instrumentalisiert.
Die Darstellung zerfällt in zwei Teile. Für die Amtszeiten von Truman, Eisenhower, Kennedy, Johnson, Nixon und Ford – also bis 1977 – wird das Buch dem Anspruch Weiners gerecht: „In diesem Buch wird alles belegt – keine anonymen Quellen, keine Zitate ohne Nachweise, keine bloßen Gerüchte.” Für den Zeitraum bis 1977 sind reichlich Primärquellen und Archive zugänglich. Für die Zeit danach gilt dies aber nur eingeschränkt. Für die jüngere Vergangenheit ist Weiner auf die Aussagen von Augenzeugen, ehemaligen Mitarbeitern der CIA und Politikern angewiesen, die natürlich nicht dieselbe Aussage- und Beweiskraft haben. Trotzdem zeichnet das Buch ein realistisches Bild des mächtigen Geheimdienstes jenseits von Verteufelung und Verharmlosung. RUDOLF WALTHER
TIM WEINER: CIA. Die ganze Geschichte. Aus dem Amerikanischen von Elke und Ulrich Enderwitz, Monika Noll, Rolf Schubert. Verlag S. Fischer, Frankfurt am Main 2007. 864 Seiten, 22,90 Euro.
Das Image des US-Geheimdienstes CIA lässt sich nicht aufpolieren: Wohl alle ihre bisherigen 21 Direktoren waren in Putsch- und Mordpläne verwickelt. dpa
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Eine Dienstleistung der DIZ München GmbH
Die verheerende Bilanz des amerikanischen Geheimdienstes CIA
Bücher über Geheimdienste handeln häufig davon, wie es ungefähr gewesen sein könnte. Für das Buch des Reporters Tim Weiner von der New York Times über die „Central Intelligence Agency” trifft das über weite Strecken nicht zu. Es stützt sich vor allem auf Akten, die in den vergangenen Jahren zugänglich geworden sind.
Die CIA ist aus dem während des Zweiten Weltkriegs aufgebauten „Office of Strategic Services” (OSS) hervorgegangen, das nach 1945 „Central Intelligence Group” (CIG) hieß. Daraus wurde im Herbst 1947 die CIA. Weimer schreibt: Seine Hauptmission „bestand darin, den Präsidenten vor einem Überraschungsangriff, einem zweiten Pearl Harbor, rechtzeitig zu warnen”. Das gelang nur in Ausnahmefällen. Meist bemerkten die Agenten nicht, was sich zusammenbraute und wurden überrascht – von der ersten Atombombe der Sowjetunion 1949 ebenso wie vom 11. September 2001.
Fatale Logik
Von Anfang an widmete sich der Geheimdienst sowohl der Nachrichtenbeschaffung wie subversiven Aktionen – ein hochriskantes Gewerbe. Schon die erste verdeckte CIA-Operation misslang völlig. Im Sommer 1946 kursierte das Gerücht, Stalin wolle in die Türkei einmarschieren. Die CIA schickte Mitarbeiter nach Rumänien, mit dem Auftrag, die kleine Bauernpartei zu einer Sabotage- und Widerstandsgruppe umzufunktionieren. Die dilettantisch ausgeführte Operation entging dem sowjetischen Geheimdienst nicht. Innerhalb von zwei Wochen wurden alle rumänischen Aktivisten verhaftet und zum Teil hingerichtet.
Mit der von Präsident Truman am 12. März 1947 verkündeten Doktrin, wonach jeder Angriff, den Feinde Amerikas in einem beliebigen Staat unternähmen, auch als Angriff auf die USA betrachtet würde, wurde das Operationsgebiet global ausgedehnt. Der Geheimdienst war damit überfordert. Oft war die CIA damit beschäftigt, misslungene verdeckte Operationen zu vertuschen und Kollateralschäden kleinzureden.
Das CIA-Gesetz vom 27. Mai 1949 verbot dem Geheimdienst zwar Aktivitäten im Inland, war aber sonst eine Art Freibrief. Weimer: „Das Gesetz gab dem Nachrichtendienst das Recht, fast alles zu tun, was er wollte, solange der Kongress das Geld dafür in Jahresrationen bewilligte.” Nach einer fatalen Logik wurde aus der Tatsache, dass etwas als geheim galt, geschlossen, es sei damit auch rechtmäßig. Weiner demonstriert dies an einer Vielzahl von Operationen mit quellenmäßig gesicherten Details.
Von 1953 bis 1961 war Allen Dulles CIA-Direktor, während sein Bruder John Foster das State Departement, also die Außenpolitik, leitete. Sie dirigierten allein in den ersten fünf Jahren ihrer Amtszeit etwa 200 Geheimaktionen. Die CIA organisierte den Putsch in Iran, die Rebellionen von Offizieren im Kongo, in Indonesien, Honduras, Nicragua und Guatemala. Die Bilanz war für diese Länder wie für die USA verheerend. Für Guatemala etwa begannen nach dem Putsch, wie Weiner schreibt, „40 Jahre unter Militärherrschern, Todesschwadronen und bewaffneter Repression. Die für Geheimaktionen in Übersee erforderlichen Vertuschungsgeschichten wurden zum integralen Bestandteil des politischen Verhaltens, das sich die Agency in Washington angewöhnte.”
Der Geheimdienst entglitt der politischen Kontrolle. Vermutlich waren alle bisherigen 21 CIA-Direktoren in Putsch- und Mordpläne involviert. Übereilte oder fingierte Alarmrufe, in diesem oder jenem Land drohe eine kommunistische Machtübernahme, genügten, diesen Glauben zur Grundlage für subversive Aktionen, Morde und militärische Interventionen zu machen. Seit dem Vietnamkrieg und vollends mit Bushs weltweit geführtem „Krieg gegen den Terrorismus” wurde der Geheimdienst schamlos politisch instrumentalisiert.
Die Darstellung zerfällt in zwei Teile. Für die Amtszeiten von Truman, Eisenhower, Kennedy, Johnson, Nixon und Ford – also bis 1977 – wird das Buch dem Anspruch Weiners gerecht: „In diesem Buch wird alles belegt – keine anonymen Quellen, keine Zitate ohne Nachweise, keine bloßen Gerüchte.” Für den Zeitraum bis 1977 sind reichlich Primärquellen und Archive zugänglich. Für die Zeit danach gilt dies aber nur eingeschränkt. Für die jüngere Vergangenheit ist Weiner auf die Aussagen von Augenzeugen, ehemaligen Mitarbeitern der CIA und Politikern angewiesen, die natürlich nicht dieselbe Aussage- und Beweiskraft haben. Trotzdem zeichnet das Buch ein realistisches Bild des mächtigen Geheimdienstes jenseits von Verteufelung und Verharmlosung. RUDOLF WALTHER
TIM WEINER: CIA. Die ganze Geschichte. Aus dem Amerikanischen von Elke und Ulrich Enderwitz, Monika Noll, Rolf Schubert. Verlag S. Fischer, Frankfurt am Main 2007. 864 Seiten, 22,90 Euro.
Das Image des US-Geheimdienstes CIA lässt sich nicht aufpolieren: Wohl alle ihre bisherigen 21 Direktoren waren in Putsch- und Mordpläne verwickelt. dpa
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
Höchst instruktiv findet Rezensent Harald Biermann diese Geschichte der CIA von Tim Weiner. Er unterstreicht, dass der Autor kein prinzipieller Gegner dieses Geheimdienstes ist, seine Existenzberechtigung nicht in Frage stellt. Gleichwohl scheint ihm das Bild, das Weiner von der gegenwärtigen Situation des CIA zeichnet, ziemlich deprimierend. Er attestiert ihm, auf der Grundlage umfassenden Materials und mit viel Empathie die Geschichte dieser Behörde, ihrer Arbeit, ihrer Entwicklung sowie ihrer zahlreichen Fehlschläge und Schwächen anschaulich darzustellen. Dabei schätzt er die Ausführungen als äußert sachkundig und begrüßt zudem, dass Weiner auch Fragen wie die nach der demokratischen Kontrolle sowie nach der Moralität aufwirft.
© Perlentaucher Medien GmbH
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""Tim Weiner ist Journalist bei der :New York Times9. Seit Jahren beschäftigt er sich mit dem Geheimdienst. Niemand zuvor hat so tief hinter die Fassade geblickt, ein so großes Netzwerk an Informanten aufgebaut." Manfred Behrens, 3sat Kulturzeit online, 8.2.2008 "Vom Ende des Zweiten Weltkrieges bis 9/11 dokumentiert Tim Weiner die Strategie der Strippenzieher spannend wie ein Krimi." Schweizer Illustrierte, 11.2.2008 "Aber ihre Geschichte ist so voll von Pleiten und Pannen, dass man sich nach der Lektüre von Tim Weiners glänzend recherchiertem Buch fragt, wie die Vereinigten Staaten mit einem solchen Geheimdienst jemals den Kalten Krieg gewinnen konnten und heute Islamisten und Schurkenstaaten wirkungsvoll bekämpfen will. (...) 50 000 Dokumente, viele davon erst seit wenigen Jahren zugänglich, hat Weiner durchforstet, Dutzende Spitzenleute der CIA interviewt. (...) Natürlich bietet die Geschichte der CIA nur einen kleinen Ausschnitt der US-Außenpolitik seit dem Zweiten Weltkrieg (...). Aber ohne Zweifel hat Weiner die bislang beste Studie über die CIA geschrieben." Stephan Bierling, Die Welt, 16.2.2008 "Die Perfidie des Nachrichtendienstes scheint perfekt gewesen zu sein, seine Allmacht krankhaft und sein Einfluss schier unermesslich. Bis jetzt. Denn die Lektüre des Buches des US-Journalisten Tim Weiner (...) erweist sich als entlarvend." Alexander Kluy, Rheinischer Merkur, 21.2.2008 "Herausgekommen ist ein wahrlich famoses Werk, das seinen Anspruch, die :ganze Geschichte9 der CIA auf gut 800 Seiten zu erzählen, tatsächlich erfüllt. (...) Weiners Buch ist nicht nur eine gnadenlose und ungemein spannend zu lesende Abrechnung mit dem Mythos von der allmächtigen Agency. Indem er Zitate von stets klar identifizierbaren Personen (...) mit knapp gehaltenen Beschreibungen beispielhafter CIA-Operationen verknüpft, gelingt dem Autor darüber hinaus das überzeugende Psychogramm eines Geheimdienstes, der sein komplettes Versagen auf dem originären Gebiet der Informationsgewinnung bis heute durch eine :organisierte politische Kriegsführung9 (...) zu kompensieren versucht." Andreas Förster, Berliner Zeitung, 28.2.2008 "Jetzt liegt es in einer mustergültigen Übersetzung vor, die das kraftvolle Urteil des Autors und seine fast literarische Geschichtserzählung beibehält. (...) Der Autor verbindet investigativen Journalismus mit den wissenschaftlichen Methoden des Historikers und lässt damit eine Darstellung eigenen Charakters entstehen (...)." Harald Loch, Kölnische Rundschau, 29.2.2008 "Weiner gelingt ein äußerst informatives und unterhaltsames Buch. Allerdings setzt er solides geschichtliches und politisches Wissen voraus. (...) Doch der Autor, der über 20 Jahre recherchiert hat, hält, was der Titel seines Buches verspricht: Noch nie zuvor wurde :die ganze Geschichte9 erzählt und derart akribisch so viele Details über die CIA zusammengefasst. (...) Andere Einzelheiten sind nicht neu, doch Weiner stellt sie in einen historischen Zusammenhang und belegt sie ausschließlich mit Primärquellen. Das ist außergewöhnlich. Zu Recht wurde das Buch in den USA als bestes Sachbuch 2007 ausgezeichnet." Tobias Fleischmann, Der Tagesspiegel, 3.3.2008 "dieses Buch sollte jeder lesen, der die Außenpolitik der USA begreifen will: Amerikafreunde und Amerikafeinde. (...) Es gibt viele Bücher über die CIA. Die wenigsten sind seriös. Dieses Buch überzeugt durch die akribische Recherche. Seit über zwanzig Jahren berichtet Weiner für die :New York Times9 über den Geheimdienst." Alan Posener, Welt am Sonntag, 9.3.2008 "Es ist ein schockierendes Buch, denn es bestätigt alle Vorwürfe, die man seit 60 Jahren gegen die CIA erhebt. Es ist ein spannendes Buch, denn es wartet mit zahlreichen bislang unbekannten Details auf. Es ist ein :wahres9 Buch, soweit dies überhaupt möglich ist, denn alle Fakten sind belegt, nichts ist Spekulation. (...) die bislang mit Abstand beste, gründlichste und informativste Geschichte der CIA" Johannes Kaiser, Radio Bremen, Literaturzeit, 9.3.2008 "Weiner, von Hause aus Journalist und als solcher jahrelang als Auslandkorrespondent der New York Times tätig gewesen, recherchiert seit zwanzig Jahren im Umfeld von CIA-Aktionen. Mit einem auf diesem Hintergrundwissen gründenden sachlichen Blick hebelt er antiamerikanische Vorurteile und wilde Verschwörungstheorien aus, ohne darüber in eine unkritisch-affirmative Darstellung der amerikanischen Außenpolitik zu verfallen. (...) Weiners Werk könnte ebenso als Politkrimi statt als Sachbuch durchgehen" Fritz Trümpi, Falter, 12.3.2008 "Kenntnisreich beschreibt der Autor die grundsätzlichen Probleme, mit denen ein Geheimdienst in einer offenen Gesellschaft konfrontiert ist." Harald Biermann, Frankfurter Allgemeine Zeitung, 12.3.2008 "Weiners fundierte Recherchen hebeln antiamerikanische Vorurteile und wilde Verschwörungstheorien aus, ohne einer affirmativen Perspektive auf die oft verworrenen amerikanischen Interessen zu verfallen. In flüssigem Stil - Weiners Werk könnte als Politkrimi statt als Sachbuch durchgehen - erzählt er die Geschichte der CIA als eine Geschichte über das Verhältnis zwischen der amerikanischen Sicherheits- und der Aussenpolitik, deren Zankapfel der Nachrichtendienst stets war." Fritz Trümpi, Neue Zürcher Zeitung am Sonntag, 30.3.2008 "Nach 20 Jahren Puzzlearbeit und gestützt auf eine Fülle erst in jüngster Zeit freigegebener Dokumente, hat der Journalist Tim Weiner jetzt eine Maßstäbe setzende Studie vorlegt - ein Buch, das alle Mittel zur Rekonstruktion einer unhintergehbar lückenhaften Geschichte nutzt und obendrein durch erhellende Thesen und weiterführende Fragestellungen besticht. (...) Dass die :Firma9 eine katastrophale Bilanz vorzuweisen hat, passt weder zur Vorstellung ihrer Freunde noch in das Weltbild ihrer Kritiker oder Feinde. Und doch ist dieses von Tim Weiner gezogene Resümee in jeder Hinsicht überzeugend." Bernd Greiner, Die Zeit, 3.4.2008 "Ein packendes, detailreiches Buch." profil, 7.4.2008 "Seine umfassende Geschichte der CIA (...) beruht nicht auf Gerüchten, Beschuldigungen und Vermutungen, sondern auf harter empirischer Arbeit, untermauert durch genaue Quellenhinweise (...).Wenn man die mehr als 800 Seiten des Buches liest, packt einen das Grauen." Manfred Prisching, Die Presse (Wien), 12.4.2008 "Was Weiner hier abliefert, ist eine fundierte, äußerst informative, teils tragikomische und streckenweise bemerkenswert unterhaltsame Studie über die CIA. (...) Der Untertitel :die ganze Geschichte9 ist zwar gewagt, aber berechtigt. Wobei der Autor sich keineswegs in unbedeutende Verästelungen verliert, sondern die großen Entwicklungslinien nachzeichnet. Wer die Politik Washingtons der letzten sechs Jahrzehnte verstehen will, kommt um dieses Buch nicht herum." Hans-Dieter Füser, Mannheimer Morgen, 23.4.2008"