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Cioran, der "Dandy der Leere, neben dem selbst Stoiker wie unheilbare Lebemänner wirken" (Bernard-Henri Lévy), war einer der einflussreichsten kulturkritischen Denker des 20. Jahrhunderts. Sein widersprüchliches Leben ist noch nie so detailreich rekonstruiert worden wie in der vorliegenden Biografie von Bernd Mattheus. In bisweilen schmerzlicher Nähe zu den Äußerungen des Selbstmord- Theoretikers beleuchtet er auch die bislang wenig bekannte Zeit vor seiner Emigration nach Frankreich.
Emil M. Cioran, geboren 1911 im rumänischen Sibiu (Hermannstadt), studierte an der Universität Bukarest, wo
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Produktbeschreibung
Cioran, der "Dandy der Leere, neben dem selbst Stoiker wie unheilbare Lebemänner wirken" (Bernard-Henri Lévy), war einer der einflussreichsten kulturkritischen Denker des 20. Jahrhunderts. Sein widersprüchliches Leben ist noch nie so detailreich rekonstruiert worden wie in der vorliegenden Biografie von Bernd Mattheus. In bisweilen schmerzlicher Nähe zu den Äußerungen des Selbstmord- Theoretikers beleuchtet er auch die bislang wenig bekannte Zeit vor seiner Emigration nach Frankreich.

Emil M. Cioran, geboren 1911 im rumänischen Sibiu (Hermannstadt), studierte an der Universität Bukarest, wo er mit Mircea Eliade und Eugène Ionesco eine lebenslange Freundschaft schloß. Nach einem längeren Aufenthalt in Berlin emigrierte er 1937 nach Paris; seit dieser Zeit schreibt er auf französisch. Der Verfasser von stilistisch brillanten Aphorismen und Essays pessimistischster Prägung erregt schließlich mit der 1949 erschienenen Schrift "Lehre vom Zerfall" großes Aufsehen. Das Buch, das ihn international bekannt machte, wurde von Paul Celan ins Deutsche übersetzt und begründete seinen Ruf als unerbittlicher Skeptiker. Es folgen viele weitere kompromisslose Werke wie "Syllogismen der Bitterkeit" oder "Die verfehlte Schöpfung". Bis in die späten 1980er Jahre bleibt Ciorans finanzielle Lage prekär, 1995 stirbt der Aristokrat des Zweifels und der Luzidität als gefeierter Denker in Paris.

Die vorliegende Biografie Ciorans ist die bislang gründlichste Gesamtdarstellung von Leben und Werk dieses Ausnahmedenkers. Bernd Mattheus gelingt nicht nur eine präzise Rekonstruktion Ciorans Lebens, sondern auch eine verblüffende Verlebendigung des "nach Kierkegaard einzigen Denkers von Rang, der die Einsicht unwiderruflich gemacht hat, daß keiner nach sicheren Methoden verzweifeln kann." Peter Sloterdijk
Autorenporträt
Mattheus, Bernd
Bernd Mattheus ist Verfasser der umfangreichsten Biografie Georges Batailles (Bataille-»Thanatographie« in drei Teilen), sowie einer Biografie Antonin Artauds und einer eigenen Antwort auf Ciorans Denken: Heftige Stille.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 07.04.2008

Bloß nicht vor Zeugen lachen
Echtes Erschrecken über den eigenen Chauvinismus: Bernd Mattheus’ Biographie des Weltverächters E. M. Cioran
Oskar in der Tonne ist weltweit viel berühmter als E. M. Cioran. Zwar ist das Monster aus der Sesamstraße kein Schriftsteller, trotzdem hat es mit Cioran viel gemein. Oskar ist nicht nur ein philosophisch denkendes Monster, zudem fühlt er sich wie Cioran verunsichert, wenn es ihm gutgeht. Über sein Wohlbefinden beschwert er sich lautstark, bevor er, mit dem Deckel knallend, in seiner Mülltonne verschwindet. Und Cioran pflegte seine Destruktivität mit derselben Dickschädeligkeit wie Oskar. „Ich war mit mir zufrieden”, sagte er einmal einer Bekannten, „was schlecht ist.” Er ärgerte sich darüber, als Schriftsteller nicht angemessen gewürdigt zu werden. Aber wenn er einmal Erfolg hatte, taten ihm seine Aphorismen leid: Perlen, die vor die Säue geworfen wurden. Seine Negativität ging so weit, dass er, wie sein Biograph erzählt, alles dransetzte, keine Photos von sich erscheinen zu lassen, auf denen er gutgelaunt aussah.
Bernd Mattheus zufolge hat Cioran aber oft und gern gelacht. Als Mattheus ein junger Mann war, in den siebziger Jahren, war er mit Cioran in Paris bekannt. Die Biographie spart nicht mit Kritik, lässt aber immer die Sympathie des Autors für den exzentrischen Rumänen durchscheinen, was das Buch lesenswert macht. Anderenfalls wüsste man nämlich nicht, warum man sich mit der Vita eines egozentrischen, antiaufklärerischen, rassistischen Nihilisten befassen soll, der zahlreiche prätentiöse und reaktionäre Sentenzen zu Papier brachte und von dessen gelungenen Aphorismen viele heute ein wenig abgestanden wirken.
Die Biographie zeigt, dass Cioran, der 1911 geborene Sohn eines Popen – der Vater war Gemeindevorstand einer Ortschaft in den Karpaten – schon als Kind ein outrierter ältlicher Zeitgenosse war. Man kann auch sagen: Er war bis zum Ende seines Lebens ein junger, von Ängsten heimgesuchter Sohn, der sich nicht genügend geliebt fand. Als er 20 Jahre alt war, erging Cioran sich vor den Ohren seiner Mutter in Selbstmitleid und erklärte: „Ich kann nicht mehr weiterleben, ich halte es einfach nicht mehr aus.” Er selbst hat das aufgeschrieben und erzählte dann weiter, dass seine Mutter erwidert habe: Hätte sie das schon kurz nach ihrer Empfängnis gewusst, sie hätte ihn wohl abgetrieben.
Aphorismus und Exorzismus
Cioran fand das schockierend, und Bernd Mattheus pflichtet ihm bei. Keiner der beiden Männer kam und kommt auf die Idee, dass der Satz des Sohnes für die Mutter eine Zumutung gewesen sein könnte. Da musste sich die vielbeschäftigte Frau mit einem selbstmitleidigen und oft lethargischen Sohn herumplagen, der ohne fassbaren Grund im Alter von immerhin schon 20 Jahren lebensmüde auf sie eindrang. Da war es doch verständlich, dass sie reagierte wie der Hauptmann von Köpenick und sagte: Entschuldige, dass ich dich geboren habe, es soll nicht wieder vorkommen – oder eben: Es tut mir leid, dass ich dich geboren habe, hätte ich deine Meinung über deine Existenz von Anfang an gekannt, hätte ich dich abgetrieben.
Mattheus nimmt den Satz der Mutter ernst. Was den kleinen Emil so beeinflusst hat, dass er sich zu einem professionellen, ichbezüglichen Weltverächter entwickelte, ist wohl nicht rekonstruierbar. Mattheus notiert einen Kommentar Ciorans über sich und die Mutter: „Ich habe von ihren Krankheiten, ihrer Melancholie, ihrer Widersprüchlichkeit, von allem etwas geerbt. (. . .) Alles, was sie war, hat sich bei mir verschärft und verschlimmert.”
Manche Aphoristiker sind in der Lage, ihre Meinung binnen zwei Stunden zu ändern. Die Biographie eines Autors zu schreiben, der keine belastbaren Überzeugungen hat, ist schwierig. Bernd Mattheus spricht von Ciorans „affektivem Verhältnis zum Schreiben”. Cioran habe geschrieben, um sich an der Welt zu rächen und sie sich so erträglicher zu machen. War der „Exorzismus” vollendet, habe sein Text ihn nicht mehr besonders interessiert.
Leider hat Cioran sich der Politik gegenüber nicht so skeptisch verhalten. Da hatte er dezidierte Meinungen, was ihm nach dem Zweiten Weltkrieg denn doch peinlich war. Er soll über die Naivität gestaunt haben, mit der er in den dreißiger Jahren die rumänischen Faschisten und die Nationalsozialisten gepriesen hatte. Hinzu kamen widerwärtige antisemitische Äußerungen. Mattheus konstatiert – nicht anders als Ciorans französischer Biograph Patrice Bollon – eine „reale Wandlung” und „echtes Erschrecken über den ehemaligen Chauvinismus”. Das hielt Cioran indes nicht davon ab, in den siebziger Jahren die große Zahl afrikanischer Einwanderer in Paris zu beklagen: „In 50 Jahren”, meinte er, werde Westeuropa von den Einwanderern „annektiert”. Immerhin schlug er nicht vor, dass Frankreich sich der afrikanischen Immigranten entledigen solle.
Ciorans Gefährtin, Simone Boué, ist mitunter gefragt worden, wie sie ihren Mann ertrage. Ja, das wüsste man gern. Und Frau Boué wird gewusst haben, warum sie keine Interviews gab. Leider hat auch Bernd Mattheus kein Gespräch mit ihr geführt. Seiner einfühlsamen, klugen Biographie wäre es zugutegekommen. FRANZISKA AUGSTEIN
BERND MATTHEUS: Cioran. Portrait eines radikalen Skeptikers. Matthes & Seitz, Berlin 2007. 367 S., 28,90 Euro.
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Einfühlsam und klug soll diese Biografie sein, aber allzu viel Mühe hat sich die Rezensentin Franziska Augstein mit ihr nicht gemacht. Wir erfahren mehr über ihre Meinung zu Cioran - seine Aphorismen seien inzwischen abgestanden - als darüber, was uns Bernd Mattheus etwa über den Stellenwert Ciorans in der Geistesgeschichte oder über Ciorans Faszination für seine Leser zu berichten hat. Von Augstein erfahren wir auch, dass Cioran sie immer an "Oskar aus der Tonne", eine Figur aus der "Sesamstraße", erinnert hat, auch so ein Virtuose der Negativität. Brauchen wir eine Biografie über Oskar in der Tonne?

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