Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 31.05.2002Verchristete Fackeln
Altrömisch: Gerhard Polt versammelt seine Werke in der Arena
"Das Lesen der Klassiker - das gibt jeder Gebildete zu - ist so, wie es überall getrieben wird, eine monströse Prozedur", schreibt Friedrich Nietzsche in "Menschliches, Allzumenschliches". Er begründet dies damit, daß es oft die Lehrer seien, die schon durch ihr bloßes Auftreten "Mehltau über einen guten Autor" legten. Andererseits sei den Schülern gerade dadurch, daß sie, auf diese Weise die Klassiker hörend, Zeugen einer "hohen Gymnastik des Kopfes" würden, eine unwillkürliche Präformierung ihrer wissenschaftlichen Betrachtungsweise sicher. In diese Tradition der Rezeption fügt sich nun als nahtlose Ergänzung ein Band, der bereits in Titel und Auftreten den Gestus des Klassikers zelebriert: "Circus Maximus" liefert laut Untertitel nicht weniger als "Das gesammelte Werk" des Gerhard Polt, und er tut dies mit edlem grauen Leineneinband, Lesebändchen und mattweißem Schutzumschlag. Diese ironische Inszenierung paßt zu diesem sehr speziellen Klassiker, den man meistens tatsächlich - im Sinne Nietzsches - hörend und sehend rezipiert, sei es auf Theater- und Kabarettbühnen oder im Fernsehen.
Und doch ist der bayerische Satiriker Gerhard Polt längst in die Reihe der bedeutenden Gegenwartsschriftsteller einzuordnen. Wer das immer noch nicht wahrhaben will, der greife zu diesem gewichtigen Prüfstein: Zum ersten Mal gibt es eine verbindliche Grundlage für eine Polt-Philologie, auch wenn der Band gerade im editorischen Sinn nicht den Anforderungen der Germanistik entsprechen dürfte. Zwar verfügt dieser "Circus Maximus" über ein Titelregister mit Varianten, aber das war's dann schon. Als erstes wäre demnach in der zweiten Auflage ein Verzeichnis der Erstveröffentlichungs-, Uraufführungs- und Sendedaten nachzureichen - handelt es sich doch um Texte aus fünfundzwanzig Jahren, die teilweise in Zusammenarbeit mit Polts langjährigem Regie-Partner Hanns Christian Müller entstanden sind.
Die Monologe, Dialoge, Stücke und Geschichten sind nach Themengruppen sortiert, etwa "Grundwerte und historische Dimensionen", "Bauen und Umwelt", "Savoir-Vivre" und "Von den letzten Dingen". Der ganze Poltsche Kosmos von den "verchristeten Sklaven", die "zu Fackeln verarbeitet" wurden, bis zu der aktuellen Finanzierungsfrage, was "denn in dem Südamerika noch drin" stecke ("Ein paar Fußballer"), wird hier ausgebreitet. Ein Standardwerk, in dem sich alle Liebhaber Absurdistans festlesen werden. Von einer "monströsen Prozedur" kann auf jeden Fall nicht die Rede sein. Und der geneigten Lehrerschaft sei dieser Klassiker hiermit zur Weitergabe empfohlen.
HANNES HINTERMEIER
Gerhard Polt: "Circus Maximus". Das gesammelte Werk. Kein & Aber Verlag, Zürich 2002. 828 S., geb., 29,80 [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Altrömisch: Gerhard Polt versammelt seine Werke in der Arena
"Das Lesen der Klassiker - das gibt jeder Gebildete zu - ist so, wie es überall getrieben wird, eine monströse Prozedur", schreibt Friedrich Nietzsche in "Menschliches, Allzumenschliches". Er begründet dies damit, daß es oft die Lehrer seien, die schon durch ihr bloßes Auftreten "Mehltau über einen guten Autor" legten. Andererseits sei den Schülern gerade dadurch, daß sie, auf diese Weise die Klassiker hörend, Zeugen einer "hohen Gymnastik des Kopfes" würden, eine unwillkürliche Präformierung ihrer wissenschaftlichen Betrachtungsweise sicher. In diese Tradition der Rezeption fügt sich nun als nahtlose Ergänzung ein Band, der bereits in Titel und Auftreten den Gestus des Klassikers zelebriert: "Circus Maximus" liefert laut Untertitel nicht weniger als "Das gesammelte Werk" des Gerhard Polt, und er tut dies mit edlem grauen Leineneinband, Lesebändchen und mattweißem Schutzumschlag. Diese ironische Inszenierung paßt zu diesem sehr speziellen Klassiker, den man meistens tatsächlich - im Sinne Nietzsches - hörend und sehend rezipiert, sei es auf Theater- und Kabarettbühnen oder im Fernsehen.
Und doch ist der bayerische Satiriker Gerhard Polt längst in die Reihe der bedeutenden Gegenwartsschriftsteller einzuordnen. Wer das immer noch nicht wahrhaben will, der greife zu diesem gewichtigen Prüfstein: Zum ersten Mal gibt es eine verbindliche Grundlage für eine Polt-Philologie, auch wenn der Band gerade im editorischen Sinn nicht den Anforderungen der Germanistik entsprechen dürfte. Zwar verfügt dieser "Circus Maximus" über ein Titelregister mit Varianten, aber das war's dann schon. Als erstes wäre demnach in der zweiten Auflage ein Verzeichnis der Erstveröffentlichungs-, Uraufführungs- und Sendedaten nachzureichen - handelt es sich doch um Texte aus fünfundzwanzig Jahren, die teilweise in Zusammenarbeit mit Polts langjährigem Regie-Partner Hanns Christian Müller entstanden sind.
Die Monologe, Dialoge, Stücke und Geschichten sind nach Themengruppen sortiert, etwa "Grundwerte und historische Dimensionen", "Bauen und Umwelt", "Savoir-Vivre" und "Von den letzten Dingen". Der ganze Poltsche Kosmos von den "verchristeten Sklaven", die "zu Fackeln verarbeitet" wurden, bis zu der aktuellen Finanzierungsfrage, was "denn in dem Südamerika noch drin" stecke ("Ein paar Fußballer"), wird hier ausgebreitet. Ein Standardwerk, in dem sich alle Liebhaber Absurdistans festlesen werden. Von einer "monströsen Prozedur" kann auf jeden Fall nicht die Rede sein. Und der geneigten Lehrerschaft sei dieser Klassiker hiermit zur Weitergabe empfohlen.
HANNES HINTERMEIER
Gerhard Polt: "Circus Maximus". Das gesammelte Werk. Kein & Aber Verlag, Zürich 2002. 828 S., geb., 29,80 [Euro].
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