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Produktdetails
  • Verlag: Prestel
  • Seitenzahl: 94
  • Englisch
  • Abmessung: 305mm
  • Gewicht: 1092g
  • ISBN-13: 9783791320021
  • Artikelnr.: 26673085
  • Herstellerkennzeichnung
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Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 10.07.1999

Gefangen in der Geometrie der Stadt
Straßenaufnahmen des amerikanischen Fotografen Ray K. Metzker · Von Freddy Langer

In den siebziger und achtziger Jahren hatte es der amerikanische Fotograf Ray K. Metzker mit großformatigen Collagen zu einiger Berühmtheit gebracht. Es waren dies Bilder, für die er jeweils ein einziges Motiv, oft kaum mehr als ein paar fotografierte Linien und Flächen, hundertfach neben- und übereinandersetzte, manche der Abzüge gekippt, manche auf den Kopf gestellt. So entstanden, selbst aus geringer Entfernung betrachtet, Ornamente von kühler Präzision, die an Gerüste erinnerten und an stabile Geflechte - Strukturen jeweils, die Halt versprachen, gerade so, als wollte Metzker dem Chaos der Welt die Ordnung des Künstlers entgegensetzen, regelrecht überstülpen. Diese Leidenschaft für klare Formen freilich kam nicht von ungefähr. Von 1959 an hatte er in der Tradition des Bauhauses Design am Illinois Institute of Technology in Chicago studiert.

Um so überraschender erscheint deshalb Metzkers jüngster Bildband "City Stills", der mit Arbeiten aus den Jahren 1958 bis 1990 einen ganz anderen Aspekt seines OEuvres präsentiert: Straßenbilder. Von wenigen Ausnahmen abgesehen, sind sie in amerikanischen Großstädten entstanden, die meisten wirken wie en passant fotografiert. Hier die Gäste eines Diners, durch das Schaufenster beobachtet; da ein paar Kinder vor einer düsteren Wand; dort einige Fußgänger in sonnendurchfluteten Hochhausschluchten. Man glaubt diese Bilder zu kennen, und schnell gräbt die Erinnerung das passende Zitat von Gary Winogrand hervor, dem bekanntesten amerikanischen Straßenfotografen und Vorbild einer ganzen Generation: "Nichts ist so geheimnisvoll wie eine klar beschriebene Tatsache."

Wie Winogrands Fotografien beziehen auch Metzkers Bilder ihren seltsamen, gleichermaßen anziehenden wie befremdenden Reiz aus den bizarren Beziehungen, die er zwischen Häusern, Autos und Menschen herstellt. Daß er sich dabei jedoch keineswegs, anders als Winogrand, für die lebensbejahende Ästhetik des Chaos interessiert, begreift man erst auf den zweiten Blick.

Was zunächst den Eindruck eines Konglomerats wirrer Formen und Flächen macht, zudem von extrem harten Lichtkontrasten geprägt, die kaum Raum für Grautöne lassen, ist in Wirklichkeit ein raffiniertes Spiel mit Bildebenen. Dem Betrachter kann es bisweilen bange werden. Nicht nur gehen Passanten im gleißenden Gegenlicht oder zwischen düsteren Schatten immer wieder ihrer Identität verlustig; meist sind sie zugleich Gefangene der Geometrie der Stadt.

Keine Fassade, keine Fahrbahnmarkierung, keine Jalousie, die bei Metzker nicht zum Rahmen würde, aus dem ein Ausbruch schwierig, bisweilen vergeblich scheint. Selbst der Draht eines Zeitungsständers wirkt wie ein Zaun. Einmal scheint die Reflexion einer alten Frau förmlich in das Viereck eines Autorückspiegels gepreßt. Ein anderes Mal zeigt Metzker die Füße von Passanten zwischen weißen Linien, daß man glauben könnte, die Menschen seien für ihn nur Figuren auf einem Spielbrett.

Metzkers Schnappschüsse folgen dem Credo vom rechten Augenblick am rechten Ort; doch selbst seine geschlossenen Kompositionen widersetzen sich jener bildnerischen Harmonie, die den Glauben an eine höhere Ordnung des Heils präsentiert. Sie vermitteln vielmehr die Nichtigkeit des Seins, etwa wenn sie das Leben in einer Bildsequenz als momentanen Schattenriß auf einer regennassen Straße darstellen oder Menschen zur winzigen Staffage vor gewaltigen, finsteren Häuserfronten reduzieren. Fern der Verherrlichung der Großstadt, wie sie uns von anderen Fotografen nur allzu vertraut ist, wird die Stadt bei Metzker zum Moloch; Fluchtwege führen allenfalls in die Unterwelt: die finsteren Gänge von Tiefgaragen und Unterführungen.

Die Welt ein Gehege, ein Gefängnis gar? Wenn dies Metzkers Verständnis entspricht, dann freilich müssen seine früheren Arbeiten neu betrachtet werden. Dann zeigten sie keine stützenden Gerüste oder Halt bietenden Rettungsnetze, sondern immer nur Gitter.

Ray K. Metzker: "City Stills". Mit einem Vorwort von Laurence G. Miller; Text in englischer Sprache. Prestel Verlag, München 1999. 95 S., Abb., geb., 68,- DM.

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