Mit der Notiz »Roman im ersten Entwurf begonnen, die Welt von 1902 bis zum Ausbruch des Krieges vom Erlebnis einer Frau gesehen« bezeichnet Stefan Zweig selbst Ansatz und Inhalt seines letzten, seines allerletzten erzählerischen Werkes. Suggestiv im Psychologischen und eindringlich im Atmosphärischen beschreibt er das Leben Clarissa Schuhmeisters, der Tochter eines österreichischen Offiziers, die durch Kriegs- und Nachkriegszeit um ihr Glück gebracht wird. Sie wächst in einer Klosterschule auf und entwickelt schon früh die Entschlossenheit zu eigenem Empfinden, Denken und Handeln. Nach kurzer Ausbildung wird sie Mitarbeiterin eines bekannten Wiener Nervenarztes. Auf einem Kongreß in Luzern begegnet sie dem französischen Lehrer und Pazifisten Leonard. Sie verlieben sich, aber ihre Liebe wird bei Ausbruch des Krieges schlagartig außer Kraft gesetzt, sie müssen sich trennen. Das Kind, das sie von ihm erwartet, hat plötzlich einen Feind zum Vater. In einem Lazarett lernt Clarissa einen österreichischen Kriegsdienstverweigerer kennen; ihn heiratet sie um ihres Kindes willen. Er entwickelt sich nach dem politischen Zusammenbruch als charakterloser Spekulant. Leonard bleibt für Clarissa verschollen, denn ihr Vater hat die Briefe unterschlagen, die Leonard ihr, sobald es wieder möglich war, geschrieben hat.Stefan Zweig hat nur den ersten Teil dieses Romans skizziert. Der Herausgeber legt mit seiner Bearbeitung des Entwurfs eine vertretbare geschlossene, wenn auch naturgemäß nur nachempfundene, also nicht in jedem einzelnen Satz authentische Fassung vor.
Hinweis: Dieser Artikel kann nur an eine deutsche Lieferadresse ausgeliefert werden.
Hinweis: Dieser Artikel kann nur an eine deutsche Lieferadresse ausgeliefert werden.
Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension
Unheimlich wird es Rezensentin Aurelie von Blazekovic, wenn sie sich in diese Neuedition des Romanfragments "Clarissa" von Stefan Zweig vertieft. Wie Zweig hier das plötzliche Einbrechen des Ersten Weltkrieges in eine Welt beschreibt, die sich in ihrer "scheinbaren" Zivilisiertheit sicher fühlt, weckt dunkle Ahnungen an die heutige Situation. Clarissas Vater ist Oberstleutnant im k. u. k. Generalstab und warnt frühzeitig vor der Gefahr des herannahenden Krieges - leider hört ihm niemand zu. Clarissas "geschützte Jugend" in Wien ist jedenfalls vorbei, so die Kritikerin, sie wird Assistentin von Professor Silberstein, eines Pädagogen. Später beginnt sie eine Affäre mit dem französischen Kongress-Sekretär Léonard, die durch den Krieg bedroht ist. "Maximal umsichtig" geht die neue Edition mit dem fragmentarischen Charakter des Werkes um, alle Änderungen oder Hinzufügungen werden sorgfältig gekennzeichnet, so die Kritikerin. Die bisher einzige bei S. Fischer erschienene Edition wird dagegen von den Herausgebern kritisiert, erklärt Blazekovic, da sie Änderungen kaum kennzeichnete. Man erhält durch diese Ausgabe also auch interessante Einblicke in Zweigs Arbeitsweise, beziehungsweise in die letzte "produktive Phase" vor seinem Freitod, schließt die Rezensentin.
© Perlentaucher Medien GmbH
© Perlentaucher Medien GmbH
"Ein Werk von höchster intellektueller und psychologischer Tiefe." Katja Gasser, ORF "Diese Ausgabe ist eine editorische Tat. Sie rundet das Bild des Erzählers Stefan Zweig endlich ab. Der Leser mag diesen ganz neuen Zweig entdecken - und mit ihm eine faszinierende Romanfigur auf seine imaginäre Landkarte setzen. 'Clarissa' ist ein literarischer Geheimtipp." Stefan Lüddemann, Neue Osnabrücker Zeitung, 30.10.24