Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 14.12.2013Verheerte Welt
Ein Roman wie aus einem Albtraum. Junkies, die jede Würde verlieren. Drogenbosse, die manisch aggressiv Gewalt ausstrahlen. Und schwarze Jugendliche, für die berufliche Perspektiven darin bestehen, auf den Bänken vor ihrer Sozialsiedlung Dope zu verkaufen. Wer in Richard Prices Drogenkrimi von 1992 Motive aus einer der populären neuartigen US-Fernsehserien zu entdecken glaubt, liegt richtig. Price hat als Drehbuchautor an der Serie „The Wire“ mitgeschrieben, die in Baltimore spielt. Sein Krimi „Clockers“ spielt in New York, in den neunziger Jahren hat ihn schon Spike Lee verfilmt. Baltimore, New York, L.A., Chicago: Das scheint ziemlich egal bei der Beschreibung eines Milieus, das die Lebenswirklichkeit vieler Einwohner der größten und stolzesten Wirtschaftsnation des Planeten trifft.
Die Polizei? Ist natürlich präsent, ständig. Die Dealer und Dope-Verkäufer wissen ungefähr, wann die Polizisten kommen – und dass sie nach Feierabend nicht mehr kommen. Die immer gleichen Rituale der Kontrolle und Durchsuchung, von vorneherein stets auf die letzten Akteure der Wertschöpfungskette zielend: Berechenbar sinnlos. Die Bosse: Ganz in der Nähe und doch unangreifbar. Eine strikte Hierarchie von Macht, Drohungen und Gewalt sorgt dafür, dass alles so bleibt, wie es ist: Berechenbar traurig. So werden 13-Jährige zu Killern. Und Dealer aus dem Mittelbau, denen das Geschwür ihres Alltags den Magen zerfrisst, wollen beständig aussteigen und steigen nicht aus.
Mitten drin agiert Polizeiveteran Rocco Klein, der zu viel isst, zu viel trinkt und sich zu wenig um sein Kind kümmert. Er bekommt als Verdächtigen für einen Drogenmord einen Typen serviert, der herausragt aus dem Meer des Abfalls. Der sich um seine Familie kümmert statt rumzuhängen wie sein Bruder. Der einen Imbiss managt statt zu dealen wie sein Bruder. Klein setzt alles dran, seine Unschuld zu beweisen. Dieser solitäre Held in einer verheerten Welt darf nicht schuldig sein, er darf einfach nicht.
ALEXANDER HAGELÜKEN
Richard Price: Clockers.
Fischer Taschenbuch 1992. 800 Seiten, 10,99 Euro.
DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de
Ein Roman wie aus einem Albtraum. Junkies, die jede Würde verlieren. Drogenbosse, die manisch aggressiv Gewalt ausstrahlen. Und schwarze Jugendliche, für die berufliche Perspektiven darin bestehen, auf den Bänken vor ihrer Sozialsiedlung Dope zu verkaufen. Wer in Richard Prices Drogenkrimi von 1992 Motive aus einer der populären neuartigen US-Fernsehserien zu entdecken glaubt, liegt richtig. Price hat als Drehbuchautor an der Serie „The Wire“ mitgeschrieben, die in Baltimore spielt. Sein Krimi „Clockers“ spielt in New York, in den neunziger Jahren hat ihn schon Spike Lee verfilmt. Baltimore, New York, L.A., Chicago: Das scheint ziemlich egal bei der Beschreibung eines Milieus, das die Lebenswirklichkeit vieler Einwohner der größten und stolzesten Wirtschaftsnation des Planeten trifft.
Die Polizei? Ist natürlich präsent, ständig. Die Dealer und Dope-Verkäufer wissen ungefähr, wann die Polizisten kommen – und dass sie nach Feierabend nicht mehr kommen. Die immer gleichen Rituale der Kontrolle und Durchsuchung, von vorneherein stets auf die letzten Akteure der Wertschöpfungskette zielend: Berechenbar sinnlos. Die Bosse: Ganz in der Nähe und doch unangreifbar. Eine strikte Hierarchie von Macht, Drohungen und Gewalt sorgt dafür, dass alles so bleibt, wie es ist: Berechenbar traurig. So werden 13-Jährige zu Killern. Und Dealer aus dem Mittelbau, denen das Geschwür ihres Alltags den Magen zerfrisst, wollen beständig aussteigen und steigen nicht aus.
Mitten drin agiert Polizeiveteran Rocco Klein, der zu viel isst, zu viel trinkt und sich zu wenig um sein Kind kümmert. Er bekommt als Verdächtigen für einen Drogenmord einen Typen serviert, der herausragt aus dem Meer des Abfalls. Der sich um seine Familie kümmert statt rumzuhängen wie sein Bruder. Der einen Imbiss managt statt zu dealen wie sein Bruder. Klein setzt alles dran, seine Unschuld zu beweisen. Dieser solitäre Held in einer verheerten Welt darf nicht schuldig sein, er darf einfach nicht.
ALEXANDER HAGELÜKEN
Richard Price: Clockers.
Fischer Taschenbuch 1992. 800 Seiten, 10,99 Euro.
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'The most heralded work of fiction to come out of New York since Tom Wolfe's Bonfire of the Vanities ...While Wolfe's high-rollers only dipped a toe into the dark side, Price gives us all the raw detail of the street...timely, majestic' Time Out