Annie Proulx's masterful language and fierce love of Wyoming are evident in this collection of stories about loneliness, quick violence, and wrong kinds of love. In "The Mud Below", a rodeo rider's obsession marks the deepening fissures between his family life and self-imposed isolation. In "The Half-Skinned Steer", an elderly fool drives west to the ranch he grew up on for his brother's funeral, and dies a mile from home. . . . These are stories of desperation, hard times, and unlikely elation, set in a landscape both brutal and magnificent. Enlivened by folk tales, flights of fancy, and details of ranch and rural work, they juxtapose Wyoming's traditional character and attitudes -- confrontation of tough problems, prejudice, persistence in the face of difficulty -- with the more benign values of the new west. In a unique collaboration that revives the tradition of the Scribner illustrated classics, Proulx has worked with the artist William Matthews, whose six watercolors create an eloquent visual dialogue. Stories in Close Range have appeared in The New Yorker, The Atlantic Monthly, Harper's, and GQ. They have been selected for the O. Henry Stories 1998 and The Best American Short Stories of the Century and have won the National Magazine Award for Fiction. This is work by an author writing at the peak of her craft.
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Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 02.11.1999Tief im Schlamm ist die Welt noch in Ordnung
Brandzeichen des Wahnsinns: Annie Proulx erzählt berittene Geschichten aus Wyoming, so breit wie das Land / Von Martin Halter
Männer, die in Stiefeln sterben, lassen sich, selbst wenn sie in Pantoffeln leben, von zugezogenen Pulitzerpreisträgerinnen ungern Dachschäden und Depressionen nachsagen. Kastrierte Zeugungsglieder und andere Brandzeichen des Wahnsinns kennen sie nur von ihren Rindern. Annie Proulx hat sich mit ihrem Erzählband "Weit draußen" keine Freunde in ihrer neuen Wahlheimat Wyoming gemacht. "Wir sind nicht alle degeneriert und verblödet", echauffierte sich ein Hillbilly im Internet.
Man sollte die Empörung eines Wyos nicht mit Literaturkritik verwechseln, und in dem dünn besiedelten Flächenstaat ist wahrlich genug Platz für zwei Meinungen. Aber man muss zugeben, das Proulx Land und Leute nicht eben im verklärenden Abendlicht der Marlboro-Romantik zeichnet. Unheil liegt hier draußen schon in der Luft. In den heißen Sommern fegen Sandstürme über die Great Plains, im Winter steigen von den Rocky Mountains Blizzards und eine Kälte herab, die selbst die hart gesottenen Cowboys vom Wildpinkeln Abstand nehmen lässt. "Gefährlicher, teilnahmsloser Boden: gegen seine feste Masse zählen die Tragödien der Menschen nicht, obwohl man die Spuren ihrer Missgeschicke überall sieht."
Es sind nicht die großen Tragödien aus den alten Zeiten, als die Pioniere noch mit Vieh und gezücktem Revolver in Grassodenhütten hausten. Nur die kleinen Alltagskatastrophen, von denen Narben und fehlende Gliedmaßen zeugen, Plastikblumenkränze am Rand der Highways und Blutspuren auf der Laderampe eines Wal-Mart. In der unwirtlichen Einöde werden die Menschen hart und wortkarg: Ihre Devise "Nichts sagen und die Sache schnell erledigen" gilt für den Beischlaf so gut wie für das Bullenreiten. Ihre besten Freunde sind immer noch die Dreißiger bis Sechziger und das Pferd, ihre schönsten Geburtstagsgeschenke abgeschnittene Kojotenohren.
Zu den biblischen Plagen - Heuschrecken und Berglöwen, Präriebrand und Schneesturm - gesellen sich freilich heute Rinderwahn und fallende Fleischpreise. Die Viehzüchter sind bis über beide Ohren überschuldet, ihre Familien heillos zerrüttet. Kaum flügge geworden, fliehen die Kinder vor Langeweile und ländlicher Borniertheit in die Städte. Ihre Väter ziehen als Wanderarbeiter oder Versicherungsvertreter unstet umher und kehren geschlagen heim. Den in jedem Sinne Zurückgebliebenen bleibt der kümmerliche Trost von Suff und Raufhändeln, billiger Sex und das Fernsehen. Wer kann, verkauft sein Land an "Aktentaschen-Rancher" oder Country-Stars, die am Busen der Natur Cowboy spielen wollen; gewitztere Farmer züchten statt Rindern neuerdings Emus und Elche oder veranstalten "historische Viehtriebe" für New Yorker Anwältinnen und japanische Touristen. Die letzten Cowboys sind jämmerliche Gesellen, authentisch zäh und wild, aber halt schwachsinnig, an Leib und Seele verkrüppelt. In "Brokeback Mountain" beschrieb Proulx zum Entsetzen der Traditionshüter sogar zwei schwule Naturburschen, die sich in kalten Winternächten stumm und genügsam wie ihre Schafe aneinander kuscheln. In einer anderen Erzählung wird ein geistig behinderter Exhibitionist von den Nachbarn kurzerhand kastriert: Mann bleibt Mann, und Lynchjustiz ist auch eine Art Rechtsprechung. Der arme Kerl lacht nur blöde: "Wenn man's nicht ändern kann, muss man's aushalten." Rodeoreiter sind der letzte Dreck. Sie fahren Hunderte von Meilen, um sich für eine Hand voll Dollar die Knochen brechen zu lassen. Wenn sie dann "Tief im Schlamm" liegen, ernten sie Hohn und Achselzucken, und die sich aufrappeln, enden als Wracks.
Diamond hielt Rodeo immer für die letzte Zuflucht von Landeiern, die nichts von Basketball wissen - bis ihm das Kälberfesseln und Bullenreiten selber "Feuer im Arsch" macht. Der heiße, schnelle Ritt kompensiert so viele Demütigungen und Abwürfe im wirklichen Leben, dass kein Quickie im Motel an dieses "unerträglich intime Erlebnis" heranreichen kann. So spielt der kleine Versager bis zum bitteren Ende den großen Max, der beim Sex nicht einmal das Sternenbanner-Halstuch abnimmt und so breitbeinig herumläuft, als pendelten Gewichte zwischen seinen Schenkeln. "Wer so weit draußen lebt, hat seine eigene Vorstellung von Spaß" heißt es in der Frauenmörder-Moritat "55 Meilen bis zur Tankstelle".
Nein, Annie Proulx hat Wyoming wirklich nicht idealisiert. Und doch ist es ihr gelobtes, geliebtes Land. Die Mythen der Indianer und Westmänner sind zwar längst zu Zirkuskunststückchen, Souvenirs und Dekorationsstücken verkommen, aber hinter jedem Pferdehalfter an der Wand, unter den Cowboyhüten und T-Shirts mit dem Aufdruck "Aggressive by Nature, Cowboy by Choice" glimmt noch ein altes Feuer, von dem Hank Williams, Familienalben und die Aufschneider in den Bars singen und reden.
In einigen schwächeren Erzählungen kolportiert Proulx Viehzüchter-Wanderlegenden von halbgehäuteten Ochsen und Menschen fressenden Pferden, die schon in den altnordischen Sagen auf keine Kuhhaut gingen. Dem Wunder- und Aberglauben und der Erfindung makabrer Todesarten frönte die Autorin schon in ihren "Schiffsmeldungen" aus Neufundland und in ihren "Ostkarten" aus North Dakota. "Mit der Realität konnten wir hier draußen noch nie viel anfangen": Das einem Rancher abgelauschte Motto ihres Erzählbandes könnte über ihrem ganzen Werk stehen. Die Einsamkeit gebiert Gespenster, die unbarmherzige Natur einen neuen Animismus: Ausrangierte Traktoren beginnen zu reden, tote Ochsen stehen von der Schlachtbank auf, und die Wundersporen eines Endzeit-Sektierers verwandeln jeden Mann in einen tollwütigen Satyr. Proulx erwähnt das Wunderbare und Übernatürliche nur beiläufig. Unglaublicher ist für sie die Tatsache, dass es noch Menschen gibt, die "in diesem widerspenstigen, unverständlichen Land" ausharren.
Die Männer hier sind um so dümmer und schwächer, je eifriger sie ihrem Macho-Image genügen wollen. Sie tätscheln die Kruppen ihrer Pferde und die Motorhauben ihrer Pick-ups liebevoller als die Köpfe wiehernder Bar- und weinender Ehefrauen. Proulx schildert ihre "zahmen Cowboys" und verzweifelt lustigen Witwen mit weiblicher Einfühlsamkeit und männlicher Sprödigkeit: Sie zuckt nicht einmal bei Vergewaltigungen und sexuellem Missbrauch mit der feministischen Wimper. Der Ostküstenliberalismus ist fern, und weit draußen wird man traditionsbewusst; Kritikerinnen sprechen sogar von reaktionärer Blut-und-Boden-Mystik und Frauenfeindlichkeit.
Tatsächlich aber wird Annie Proulx nur dort schwach, wo sie sich ihre von Motoröl und Kuhfladen dampfenden Hände abwischt, um - etwa in "Lebenslauf" - das psychologische und moralisierende Besteck der Sozialkritik auszupacken. Sosehr sie sich für Natur und Umwelt, Brauchtum und Familie ins Zeug legt: Den unbestechlichen Blick auf das schwache Fleisch lässt sie sich von Barmherzigkeit und Engagement so wenig abschwatzen, wie Shy Hamps sich in "Die Gouverneure von Wyoming" die Rinderzucht von einem vegetarischen Öko-Apostel ausreden lässt.
"Weit draußen" lebt man schließlich auch nicht mehr hinter dem Mond. Die Leute mögen keine Manieren und keine Ahnung von Betriebswirtschaft haben, aber selbst Cowboys haben Mobiltelefone und einen Computer zu Hause. Die Natur, von Highways, Müllhalden und Uranbergwerken gezeichnet, hat ihre Unschuld verloren. Aber sie hält ihre Schönheit in der Erniedrigung, so wie noch der kläglichste Windmühlenvertreter seine Würde und seinen alten Frontier-Traum. Am schönsten hat Proulx diese Dialektik des Ungleichzeitigen in der Story "Der halbgehäutete Ochse" beschrieben, die John Updike nicht umsonst in seine Anthologie der besten amerikanischen Kurzgeschichten dieses Jahrhunderts aufnahm: Der alte Mero, der zum Begräbnis seines Bruders noch einmal nach Wyoming fahren will, muss sein Vertrauen in seine Erinnerung, in Straßenkarten und Standheizung mit dem Tod im Schneesturm büßen. Die leere Weite lässt sich nicht zähmen, die Vergangenheit nicht wiederholen. Alles scheint wie immer, nur der greise Narr in seinem Auto ist nicht mehr der junge Springinsfeld auf seinem Pferd.
Proulx beherrscht die knappe biografische Skizze, den stummen Dialog und vor allem die Landschaftsmalerei des amerikanischen Heimatromans meisterhaft; allenfalls Cormac McCarthy ("All die schönen Pferde") kann ihr darin das Wasser reichen. Sie hat im Zuge ihrer Recherchen auch Cowboypoeten und Liedermacher konsultiert und so den richtigen Ton getroffen: einen schlichten, lakonischen Country-and-Western-Sound, in dem eigenwillige Naturmetaphern wie Speck in der Bohnensuppe schwimmen. Spannungsbögen und Pointen gehören freilich nicht zu den Stärken der Sammlerin von Postkarten, Logbucheinträgen und Akkordeonpartituren. So haben ihre im Nichts versickernden "Geschichten aus Wyoming" zwar einen langen epischen Atem, aber keine hemingwaysche Form. Das freilich ist die angemessene Darstellungsweise für eine grenzenlose Prärie, in der menschliche Schicksale keinen Gott kümmern. Annie Proulx hat die Schwachen nicht verhöhnt, sondern ihnen eine Stimme gegeben.
Annie Proulx: "Weit draußen". Geschichten aus Wyoming. Aus dem Amerikanischen übersetzt von Oskar Halbsattel. Luchterhand Verlag, München 1999. 299 S., geb., 39,80 DM.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Brandzeichen des Wahnsinns: Annie Proulx erzählt berittene Geschichten aus Wyoming, so breit wie das Land / Von Martin Halter
Männer, die in Stiefeln sterben, lassen sich, selbst wenn sie in Pantoffeln leben, von zugezogenen Pulitzerpreisträgerinnen ungern Dachschäden und Depressionen nachsagen. Kastrierte Zeugungsglieder und andere Brandzeichen des Wahnsinns kennen sie nur von ihren Rindern. Annie Proulx hat sich mit ihrem Erzählband "Weit draußen" keine Freunde in ihrer neuen Wahlheimat Wyoming gemacht. "Wir sind nicht alle degeneriert und verblödet", echauffierte sich ein Hillbilly im Internet.
Man sollte die Empörung eines Wyos nicht mit Literaturkritik verwechseln, und in dem dünn besiedelten Flächenstaat ist wahrlich genug Platz für zwei Meinungen. Aber man muss zugeben, das Proulx Land und Leute nicht eben im verklärenden Abendlicht der Marlboro-Romantik zeichnet. Unheil liegt hier draußen schon in der Luft. In den heißen Sommern fegen Sandstürme über die Great Plains, im Winter steigen von den Rocky Mountains Blizzards und eine Kälte herab, die selbst die hart gesottenen Cowboys vom Wildpinkeln Abstand nehmen lässt. "Gefährlicher, teilnahmsloser Boden: gegen seine feste Masse zählen die Tragödien der Menschen nicht, obwohl man die Spuren ihrer Missgeschicke überall sieht."
Es sind nicht die großen Tragödien aus den alten Zeiten, als die Pioniere noch mit Vieh und gezücktem Revolver in Grassodenhütten hausten. Nur die kleinen Alltagskatastrophen, von denen Narben und fehlende Gliedmaßen zeugen, Plastikblumenkränze am Rand der Highways und Blutspuren auf der Laderampe eines Wal-Mart. In der unwirtlichen Einöde werden die Menschen hart und wortkarg: Ihre Devise "Nichts sagen und die Sache schnell erledigen" gilt für den Beischlaf so gut wie für das Bullenreiten. Ihre besten Freunde sind immer noch die Dreißiger bis Sechziger und das Pferd, ihre schönsten Geburtstagsgeschenke abgeschnittene Kojotenohren.
Zu den biblischen Plagen - Heuschrecken und Berglöwen, Präriebrand und Schneesturm - gesellen sich freilich heute Rinderwahn und fallende Fleischpreise. Die Viehzüchter sind bis über beide Ohren überschuldet, ihre Familien heillos zerrüttet. Kaum flügge geworden, fliehen die Kinder vor Langeweile und ländlicher Borniertheit in die Städte. Ihre Väter ziehen als Wanderarbeiter oder Versicherungsvertreter unstet umher und kehren geschlagen heim. Den in jedem Sinne Zurückgebliebenen bleibt der kümmerliche Trost von Suff und Raufhändeln, billiger Sex und das Fernsehen. Wer kann, verkauft sein Land an "Aktentaschen-Rancher" oder Country-Stars, die am Busen der Natur Cowboy spielen wollen; gewitztere Farmer züchten statt Rindern neuerdings Emus und Elche oder veranstalten "historische Viehtriebe" für New Yorker Anwältinnen und japanische Touristen. Die letzten Cowboys sind jämmerliche Gesellen, authentisch zäh und wild, aber halt schwachsinnig, an Leib und Seele verkrüppelt. In "Brokeback Mountain" beschrieb Proulx zum Entsetzen der Traditionshüter sogar zwei schwule Naturburschen, die sich in kalten Winternächten stumm und genügsam wie ihre Schafe aneinander kuscheln. In einer anderen Erzählung wird ein geistig behinderter Exhibitionist von den Nachbarn kurzerhand kastriert: Mann bleibt Mann, und Lynchjustiz ist auch eine Art Rechtsprechung. Der arme Kerl lacht nur blöde: "Wenn man's nicht ändern kann, muss man's aushalten." Rodeoreiter sind der letzte Dreck. Sie fahren Hunderte von Meilen, um sich für eine Hand voll Dollar die Knochen brechen zu lassen. Wenn sie dann "Tief im Schlamm" liegen, ernten sie Hohn und Achselzucken, und die sich aufrappeln, enden als Wracks.
Diamond hielt Rodeo immer für die letzte Zuflucht von Landeiern, die nichts von Basketball wissen - bis ihm das Kälberfesseln und Bullenreiten selber "Feuer im Arsch" macht. Der heiße, schnelle Ritt kompensiert so viele Demütigungen und Abwürfe im wirklichen Leben, dass kein Quickie im Motel an dieses "unerträglich intime Erlebnis" heranreichen kann. So spielt der kleine Versager bis zum bitteren Ende den großen Max, der beim Sex nicht einmal das Sternenbanner-Halstuch abnimmt und so breitbeinig herumläuft, als pendelten Gewichte zwischen seinen Schenkeln. "Wer so weit draußen lebt, hat seine eigene Vorstellung von Spaß" heißt es in der Frauenmörder-Moritat "55 Meilen bis zur Tankstelle".
Nein, Annie Proulx hat Wyoming wirklich nicht idealisiert. Und doch ist es ihr gelobtes, geliebtes Land. Die Mythen der Indianer und Westmänner sind zwar längst zu Zirkuskunststückchen, Souvenirs und Dekorationsstücken verkommen, aber hinter jedem Pferdehalfter an der Wand, unter den Cowboyhüten und T-Shirts mit dem Aufdruck "Aggressive by Nature, Cowboy by Choice" glimmt noch ein altes Feuer, von dem Hank Williams, Familienalben und die Aufschneider in den Bars singen und reden.
In einigen schwächeren Erzählungen kolportiert Proulx Viehzüchter-Wanderlegenden von halbgehäuteten Ochsen und Menschen fressenden Pferden, die schon in den altnordischen Sagen auf keine Kuhhaut gingen. Dem Wunder- und Aberglauben und der Erfindung makabrer Todesarten frönte die Autorin schon in ihren "Schiffsmeldungen" aus Neufundland und in ihren "Ostkarten" aus North Dakota. "Mit der Realität konnten wir hier draußen noch nie viel anfangen": Das einem Rancher abgelauschte Motto ihres Erzählbandes könnte über ihrem ganzen Werk stehen. Die Einsamkeit gebiert Gespenster, die unbarmherzige Natur einen neuen Animismus: Ausrangierte Traktoren beginnen zu reden, tote Ochsen stehen von der Schlachtbank auf, und die Wundersporen eines Endzeit-Sektierers verwandeln jeden Mann in einen tollwütigen Satyr. Proulx erwähnt das Wunderbare und Übernatürliche nur beiläufig. Unglaublicher ist für sie die Tatsache, dass es noch Menschen gibt, die "in diesem widerspenstigen, unverständlichen Land" ausharren.
Die Männer hier sind um so dümmer und schwächer, je eifriger sie ihrem Macho-Image genügen wollen. Sie tätscheln die Kruppen ihrer Pferde und die Motorhauben ihrer Pick-ups liebevoller als die Köpfe wiehernder Bar- und weinender Ehefrauen. Proulx schildert ihre "zahmen Cowboys" und verzweifelt lustigen Witwen mit weiblicher Einfühlsamkeit und männlicher Sprödigkeit: Sie zuckt nicht einmal bei Vergewaltigungen und sexuellem Missbrauch mit der feministischen Wimper. Der Ostküstenliberalismus ist fern, und weit draußen wird man traditionsbewusst; Kritikerinnen sprechen sogar von reaktionärer Blut-und-Boden-Mystik und Frauenfeindlichkeit.
Tatsächlich aber wird Annie Proulx nur dort schwach, wo sie sich ihre von Motoröl und Kuhfladen dampfenden Hände abwischt, um - etwa in "Lebenslauf" - das psychologische und moralisierende Besteck der Sozialkritik auszupacken. Sosehr sie sich für Natur und Umwelt, Brauchtum und Familie ins Zeug legt: Den unbestechlichen Blick auf das schwache Fleisch lässt sie sich von Barmherzigkeit und Engagement so wenig abschwatzen, wie Shy Hamps sich in "Die Gouverneure von Wyoming" die Rinderzucht von einem vegetarischen Öko-Apostel ausreden lässt.
"Weit draußen" lebt man schließlich auch nicht mehr hinter dem Mond. Die Leute mögen keine Manieren und keine Ahnung von Betriebswirtschaft haben, aber selbst Cowboys haben Mobiltelefone und einen Computer zu Hause. Die Natur, von Highways, Müllhalden und Uranbergwerken gezeichnet, hat ihre Unschuld verloren. Aber sie hält ihre Schönheit in der Erniedrigung, so wie noch der kläglichste Windmühlenvertreter seine Würde und seinen alten Frontier-Traum. Am schönsten hat Proulx diese Dialektik des Ungleichzeitigen in der Story "Der halbgehäutete Ochse" beschrieben, die John Updike nicht umsonst in seine Anthologie der besten amerikanischen Kurzgeschichten dieses Jahrhunderts aufnahm: Der alte Mero, der zum Begräbnis seines Bruders noch einmal nach Wyoming fahren will, muss sein Vertrauen in seine Erinnerung, in Straßenkarten und Standheizung mit dem Tod im Schneesturm büßen. Die leere Weite lässt sich nicht zähmen, die Vergangenheit nicht wiederholen. Alles scheint wie immer, nur der greise Narr in seinem Auto ist nicht mehr der junge Springinsfeld auf seinem Pferd.
Proulx beherrscht die knappe biografische Skizze, den stummen Dialog und vor allem die Landschaftsmalerei des amerikanischen Heimatromans meisterhaft; allenfalls Cormac McCarthy ("All die schönen Pferde") kann ihr darin das Wasser reichen. Sie hat im Zuge ihrer Recherchen auch Cowboypoeten und Liedermacher konsultiert und so den richtigen Ton getroffen: einen schlichten, lakonischen Country-and-Western-Sound, in dem eigenwillige Naturmetaphern wie Speck in der Bohnensuppe schwimmen. Spannungsbögen und Pointen gehören freilich nicht zu den Stärken der Sammlerin von Postkarten, Logbucheinträgen und Akkordeonpartituren. So haben ihre im Nichts versickernden "Geschichten aus Wyoming" zwar einen langen epischen Atem, aber keine hemingwaysche Form. Das freilich ist die angemessene Darstellungsweise für eine grenzenlose Prärie, in der menschliche Schicksale keinen Gott kümmern. Annie Proulx hat die Schwachen nicht verhöhnt, sondern ihnen eine Stimme gegeben.
Annie Proulx: "Weit draußen". Geschichten aus Wyoming. Aus dem Amerikanischen übersetzt von Oskar Halbsattel. Luchterhand Verlag, München 1999. 299 S., geb., 39,80 DM.
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