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SUNDAY TIMES MUSIC BOOK OF THE YEAR
ROUGH TRADE BOOK OF THE YEAR
MOJO BOOK OF THE YEAR
In 1975, Viv Albertine was obsessed with music but it never occurred to her she could be in a band as she couldn't play an instrument and she'd never seen a girl play electric guitar.
A year later, she was the guitarist in the hugely influential all-girl band the Slits, who fearlessly took on the male-dominated music scene and became part of a movement that changed music.
A raw, thrilling story of life on the frontiers and a candid account of Viv's life post-punk - taking in a career in film,
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Produktbeschreibung
SUNDAY TIMES MUSIC BOOK OF THE YEAR

ROUGH TRADE BOOK OF THE YEAR

MOJO BOOK OF THE YEAR

In 1975, Viv Albertine was obsessed with music but it never occurred to her she could be in a band as she couldn't play an instrument and she'd never seen a girl play electric guitar.

A year later, she was the guitarist in the hugely influential all-girl band the Slits, who fearlessly took on the male-dominated music scene and became part of a movement that changed music.

A raw, thrilling story of life on the frontiers and a candid account of Viv's life post-punk - taking in a career in film, the pain of IVF, illness and divorce and the triumph of making music again - Clothes Music Boys is a remarkable memoir.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 22.05.2016

Nie lügen und keine Angst

Viv Albertine war mal Gitarristin der wütenden Mädchen-Punkband The Slits - jetzt hat sie der Welt ein überraschend zartes Memoir geschenkt, das "A Typical Girl" heißt

Es ist vollkommen egal, ob Sie sich für Punkmusik interessieren, es spielt keine Rolle, ob Sie jemals etwas von der englischen Siebziger-Jahre-Mädchen-Band The Slits gehört haben oder von deren Gitarristin Viv Albertine. Albertines jetzt auf Deutsch erscheinende Autobiographie "A Typical Girl" funktioniert auch so. Es ist das außergewöhnliche Buch einer Frau, die sich selbst als ziemlich gewöhnlich beschreibt und von der sich wahnsinnig viel lernen lässt, wenn man will, vor allem über: Haltung.

"Wer seine Autobiografie schreibt, ist entweder bescheuert oder pleite. Bei mir ist es ein bisschen was von beidem." Mit diesem Buch-Auftakt ist der Ton gesetzt: Die Autorin erzählt es, wie es ist. Keinen Mist. Keine Beschönigungen. Der Rhythmus: schnell und schnörkellos. Das Buch ist in kurze Kapitel unterteilt, manche nur eineinhalb Seiten lang. Sie sind im Präsens geschrieben, eine Kindheit im England der späten Fünfziger und der Sechziger fliegt so an einem vorbei. Der Vater ist schwach und verteilt Schläge. Die Mutter, sehr liebevoll geschildert, kann ihre beiden Töchter nicht beschützen. Als Viv Albertine irgendwann zum ersten Mal "You Can't Do That" von den Beatles hört, ist es um sie geschehen: "Dieser Song bohrt sich mir ins Herz, und ich glaube kaum, dass es je wieder heilen wird." Sie wagt den Traum, Popsängerin zu werden. Als sie das ihrem Vater gesteht, winkt der ab: "Du bist nicht schick genug." Und seine Tochter gibt ihm innerlich recht und verachtet sich selbst für ihre hochtrabende Idee.

Vor ein paar Jahren brachte die Rockmusikerin Patti Smith ihr Memoir "Just Kids" heraus, das weltweit so erfolgreich war, dass sie damit insgesamt mehr Geld verdient hat als in ihrer Karriere als Musikerin. Es handelte von ihren Jahren als junge Frau in New York, als sie mit Robert Mapplethorpe befreundet war, und war so elegisch und melancholisch geschrieben, dass man wirklich Mühe hatte, es mit Fotos, die Patti Smith in jener Zeit zeigen, zusammenzubringen. Wer war denn jetzt die wahre Patti Smith? Die, die sich andauernd nackt fotografieren ließ, oder die, die ganz scheu und wund eigentlich immer nur danebenstand und voll Wehmut an Baudelaire dachte?

Viv Albertines Erzählstimme klingt viel stimmiger (auch auf Deutsch, in der wunderbaren Übersetzung von Conny Lösch): Ihr nimmt man die Person ab, als die sie sich beschreibt. Da klafft nichts merkwürdig auseinander à la "Finden Sie die Fehler im Bild", sondern das Leben wird als Entwicklung beschrieben. Man kann lesend miterleben, wie aus einem unsicheren Mädchen, das für John Lennon schwärmt (vor allem, als der sich in Yoko Ono verliebt!), eine junge Frau wird, die zwar immer noch leicht zu verunsichern ist, aber die erstaunliche Eigenschaft an den Tag legt, immer genau dorthin zu gehen, wo die Angst ist. Negativ auffallen möchte sie eigentlich nicht. Es zieht sie ausgerechnet zur Punkszene, in der es um nichts anderes geht. Einmal drin, ist es nur noch ein kurzer Weg bis in eine Band. Im Prinzip braucht es dazu ja nur ein Instrument. Doch Albertine übt stundenlang, will wirklich Gitarre spielen können und findet heraus, dass sie sich musikalisch anders ausdrücken kann als sonst - freier, angstloser, aggressiver. Ihre erste Band löst sich schnell wieder auf. Was nun? Soll sie es, obwohl nicht schick genug, wirklich als Musikerin riskieren?

"A Typical Girl" ist ein radikal weibliches, entwaffnend ehrliches, unendlich sympathisches Buch. Albertine, heute 61 Jahre alt, erzählt von ihrem Leben, das, weil sie eine Frau ist, ein Frauenleben ist. Dieser Ausdruck klingt despektierlich - das aber beschreibt bereits ein Problem. Es ist ein Buch, das nichts ausklammert, das sonst gerne verschwiegen wird, weil es nur ("nur") Frauen passiert. Das Buch lebt im Gegenteil von den Dingen, die ein Mann niemals erzählen könnte, weil er sie niemals erlebt - und über die auch Frauen sonst gerne schweigen, weil sie mit Scham verbunden sind, Dinge wie Menstruation, Abtreibung, Eifersucht auf Freundinnen, Unsicherheit mit dem eigenen Körper, sich selbst dafür auszulachen, dass man die verwegene Idee hat, Künstlerin sein zu wollen, sich selbst herunterzumachen, solche Sachen.

Um Punk geht es auch. Albertine beschreibt es überraschend als langsame Lebenshaltung, wo eigentlich alle ständig auf irgendeinen Bus warteten, um dann, um etwa eine neue Bandprobe auszumachen, mehrere Stunden zu irgendjemandem am anderen Ende Londons unterwegs zu sein, der kein Telefon hatte und nicht zu Hause war. Es passierte offenbar nicht viel, jedenfalls nichts Schnelles. Noch nicht mal Sex spielte eine große Rolle, da es als uncool galt, jedenfalls beschreibt Albertine es so - Gefühle igitt, man machte es eher als Pflicht und mit Licht aus. Vorbild seien dafür die Modemacherin Vivienne Westwood und ihr Freund Malcolm McLaren gewesen, die sich nie angefasst hätten, nie zärtlich miteinander gewesen seien, jedenfalls niemals vor anderen. Die beiden besaßen einen stilprägenden Modeladen namens Sex, in dem es nach Latex roch und nur wenige, ausgesuchte Kleidungsstücke hingen, die alle sehr teuer waren, aber offenbar von guter Qualität: ein Paar knöchelhohe rote Stiefeletten, dort Mitte der siebziger Jahre gekauft, trägt Viv Albertine heute noch oft.

Wer sich für Punk interessiert, kann in "A Typical Girl" bestimmt viele Sachen erfahren, die er noch nicht wusste; oft geht es um Mick Jones von The Clash, mit dem Albertine eine On-and-off-Beziehung verband, oder um Sid Vicious, den Albertine kannte, bevor er mit den Sex Pistols berühmt wurde und dem Heroin verfiel. Sie schildert ihn als scheuen und etwas nervigen Zeitgenossen (wann immer er sie besucht, rennt er ganz schnell ins Bad und guckt, ob er irgendwo ein Schamhaar entdeckt, um sie zu ärgern). Albertine versucht nur ein einziges Mal Heroin, sie beschreibt es nicht ohne Poesie: "Eine Tür knallt. Jemand schreit. Ich trete von der Bordsteinkante und falle in Zeitlupe in den Rinnstein (. . .). Ein Blatt fällt. Gebäude neigen sich vornüber. Alles geschieht gleichzeitig . . ."

Es ist müßig, hier nachzuerzählen, wie Viv Albertine Mitglied bei der Mädchenband The Slits wurde, deren Motto - keine Klischees oder Lügen - auch gut als Untertitel für Albertines Buch passen würde. Irgendwann löst sich auch diese Band auf, aber hier endet die Geschichte nicht, sondern es kommt Teil zwei, das Leben nach dem Punk, in dem Viv Albertine alle möglichen bürgerlichen Sachen macht wie Aerobic-Kurse leiten oder als Regisseurin Musikvideos drehen. Man hat sie inzwischen schon so lieb gewonnen, dass man ihr nichts mehr wünscht, als dass sie nach jahrelangem Singledasein irgendwann einen Mann trifft, den sie gut findet. Sie sehnt sich danach, hat selbst die Hoffnung aber längst aufgegeben. "Ich kann mir nicht vorstellen, dass mir noch mal einer gefällt. Schwierig, jemanden zu mögen, wenn man sich selbst nicht leiden kann."

Irgendwann passiert es doch, und es ist wirklich erstaunlich, wie sehr man sich, ohne Viv Albertine persönlich zu kennen, mit ihr freut. Er ist nett, sieht gut aus, liebt sie zurück, alles scheint gut, sie wird schwanger. Sie verliert das Baby. Sie heiraten. Sie wünscht sich ein Baby. Ihr Kinderwunsch erfüllt und erfüllt sich nicht, wird immer größer, bis er alles andere auffrisst und die Traurigkeit so überwältigend ist, dass Albertine im Grunde nicht mehr leben will. Insgesamt 11 Mal versuchen sie, mit Hilfe künstlicher Befruchtung schwanger zu werden, 13 Mal wird sie unter Vollnarkose operiert, hat zwei Fehlgeburten, wegen Überstimulation durch die Medikamente muss die Gallenblase entfernt werden. "Scheitern ist inzwischen mein zweiter Vorname geworden. Klingt das selbstmitleidig? Verdammt, ja. Wieso gebe ich es nicht auf? Weil ich mir mehr als alles andere auf der Welt ein Baby wünsche. 36 Jahre lang wollte ich keines haben, aber jetzt habe ich einen Mann, den ich liebe, und ich will ein Baby. So einfach ist das."

Dann passiert ein Wunder: Beim allerletzten Versuch wird sie schwanger. Sie bringt eine Tochter zur Welt.

Nächstes Kapitel: Gebärmutterhalskrebs.

Depression.

Umzug aufs Land.

Die Ehe geht den Bach runter - sie ist nur noch Hausfrau und Mutter, die einzige Plattform, sich kreativ auszudrücken, ist ein Töpferkurs. Beim Lesen dieser Kapitel hat man das Gefühl, einer einst wild lebenden Pflanze beim Vertrocknen auf einem Fensterbrett zuzusehen. So, und jetzt kommt es zu einem erstaunlichen Auftritt: Vincent Gallo, dieser sehr kompliziert aussehende amerikanische Schauspieler (was macht er eigentlich?), rettet sie vor der totalen Auflösung: Er kontaktiert sie als Fan der Musikerin Viv Albertine, früher mal Gitarristin bei den Slits; sie telefonieren dann öfter, abgekürzt: Er sieht sie. Sie fühlt sich wieder lebendig, als Frau, als Künstlerin.

Sie kauft sich eine Gitarre (die alte war längst ausgemistet) und schreibt neue Songs, die von ihrem Leben als Hausfrau und Mutter in der englischen Provinz handeln. Trotz Riesenängsten zwingt sie sich, auf kleinen Bühnen aufzutreten, solo, bei Open-Mike-Abenden, vor Fernfahrer-Publikum. Eine Frau mittleren Alters, die vor schweren Jungs punkig Gitarre spielt, das muss man sich mal vorstellen. Wie viel Mut es wohl kostet, das zu tun.

"Eines Abends stehe ich vor einer Gruppe brüllender Rocker und schreie: ,Hat sich hier schon mal jemand einen Schuss gesetzt? Oder eine Platte aufgenommen?' Erstauntes Schweigen. ,Ich aber, also haltet verdammt noch mal die Klappe oder geht nach Hause (. . .).' Allmählich genieße ich die Spannung zwischen dem, was ein Publikum von einer adrett aussehenden Frau erwartet, und dem, was es bekommt - wütende Worte und eine ausgefallene, schräge Gitarre."

Sie ist wieder da.

"A Typical Girl" beschreibt den Siegeszug einer Frau, der Selbsthass nicht fremd ist, wie so vielen Frauen, die streng und hart zu sich selbst ist, wie so viele Frauen, deren schärfste Kritikerin sie selbst ist, weshalb sie ihr nie entkommen kann: die sich aber davon nicht unterkriegen lässt, sondern, sooft es halt sein muss, all ihren Mut zusammennimmt - und springt.

Es gibt doch dieses bekannte Beckett-Zitat: "Ever tried. Ever failed. No matter. Try again. Fail again. Fail better." - "Jemals versucht? Jemals gescheitert? Macht nichts. Versuch's noch mal. Scheitere wieder. Scheitere besser."

Genau davon erzählt auf wunderschöne Weise Viv Albertines berührendes Buch.

JOHANNA ADORJÁN

Viv Albertine: "A Typical Girl". Aus dem Englischen von Conny Lösch. Suhrkamp Nova, 478 Seiten, 18 Euro

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'Oh Viv Albertine! I salute you. Such honesty!.' Nigella Lawson