Seit der Einführung des Computers als Forschungs-, Experimentier- und Prognoseinstrument erleben die Wissenschaften einen tief greifenden Wandel. Nicht nur die Praktiken und Infrastrukturen wissenschaftlichen Arbeitens verändern sich, sondern auch die Logik der Forschung unterliegt einer grundlegenden Transformation. Neben Theorie, Experiment und Messung eröffnen Computerexperimente ein neues Feld der Wissensproduktion und verändern radikal die Experimentalkultur der Naturwissenschaften. Am Beispiel der Klimaforschung rekonstruiert das Buch diesen Wandel der Wissenschaften "from science to computational sciences".
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 08.03.2010Rechnerwelten
Das Wissen der Naturwissenschaften wird, beginnend seit den fünfziger und verstärkt seit den siebziger Jahren, in Algorithmen transformiert. Wer heute einen Biologen arbeiten sieht, wird äußerlich kaum einen Unterschied zur Arbeitsweise eines Physikers oder Geographen ausmachen. Die Homogenisierung greift über Disziplinen hinweg: Man sitzt vor einem Bildschirm, die Beherrschung einer Programmiersprache gehört zu den Grundbedingungen wissenschaftlichen Arbeitens. Dieser simple Befund öffnet den Blick für einen tiefgreifenden Wandel der Forschungslogik, in dem Gabriele Gramelsbergers nichts weniger als die Vollendung der wissenschaftlichen Revolution der Neuzeit sieht. Ein Prozess, den die Autorin wissenschaftshistorisch erhellt und an der paradigmatischen Simulationswissenschaft, der Klimaforschung, exemplifiziert. Was ändert sich unter dem Diktat des Algorithmus? Es kommt einmal zur Nivellierung der Forschungsgegenstände. Der Gang der Forschung richtet sich nicht mehr an der Widerständigkeit des Materials aus, sondern muss sich neue Verfahren der Evaluation, der Wahrscheinlichkeit seiner Ergebnisse suchen. Der Forscher kommt mit seinem Objekt immer weniger direkt in Berührung. Er bestimmt die Vorgaben und interpretiert die Ergebnisse, zentrale Bereiche entziehen sich jedoch seinem Zugriff. Vor allem rückt Gramelsberger die Rolle des Computers als Generator eines neuen Möglichkeitsraums in den Blick, der das empirische Feld erweitert, einen hybriden Zwischenraum zwischen Theorie und Experiment öffnet und damit neue Arten von Theorien, Modellen und Experimenten anstößt. (Gabriele Gramelsberger: "Computerexperimente". Zum Wandel der Wissenschaft im Zeitalter des Computers. Transcript Verlag, Bielefeld 2010. 316 S.,br., 29,80 [Euro].) thom
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Das Wissen der Naturwissenschaften wird, beginnend seit den fünfziger und verstärkt seit den siebziger Jahren, in Algorithmen transformiert. Wer heute einen Biologen arbeiten sieht, wird äußerlich kaum einen Unterschied zur Arbeitsweise eines Physikers oder Geographen ausmachen. Die Homogenisierung greift über Disziplinen hinweg: Man sitzt vor einem Bildschirm, die Beherrschung einer Programmiersprache gehört zu den Grundbedingungen wissenschaftlichen Arbeitens. Dieser simple Befund öffnet den Blick für einen tiefgreifenden Wandel der Forschungslogik, in dem Gabriele Gramelsbergers nichts weniger als die Vollendung der wissenschaftlichen Revolution der Neuzeit sieht. Ein Prozess, den die Autorin wissenschaftshistorisch erhellt und an der paradigmatischen Simulationswissenschaft, der Klimaforschung, exemplifiziert. Was ändert sich unter dem Diktat des Algorithmus? Es kommt einmal zur Nivellierung der Forschungsgegenstände. Der Gang der Forschung richtet sich nicht mehr an der Widerständigkeit des Materials aus, sondern muss sich neue Verfahren der Evaluation, der Wahrscheinlichkeit seiner Ergebnisse suchen. Der Forscher kommt mit seinem Objekt immer weniger direkt in Berührung. Er bestimmt die Vorgaben und interpretiert die Ergebnisse, zentrale Bereiche entziehen sich jedoch seinem Zugriff. Vor allem rückt Gramelsberger die Rolle des Computers als Generator eines neuen Möglichkeitsraums in den Blick, der das empirische Feld erweitert, einen hybriden Zwischenraum zwischen Theorie und Experiment öffnet und damit neue Arten von Theorien, Modellen und Experimenten anstößt. (Gabriele Gramelsberger: "Computerexperimente". Zum Wandel der Wissenschaft im Zeitalter des Computers. Transcript Verlag, Bielefeld 2010. 316 S.,br., 29,80 [Euro].) thom
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»'Computerexperimente. Zum Wandel der Wissenschaft im Zeitalter des Computers' ist [...] als absolutes Standardwerk zu bezeichnen, dass in den Regalen natur- wie geisteswissenschaftlicher Bibliotheken Platz finden muss. Es ist diesem Werk zu wünschen, dass es ein breites wissenschaftliches Echo erfährt und den Diskurs um eine neue Perspektive [...] produktiv und nachhaltig beeinflusst!« Sven Stollfuß, MEDIENwissenschaft, 3 (2010) Besprochen in: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 08.03.2010 Informationssystem Medienpädagogik (www.ism-info.de), 10 (2010) Journal for General Philosophy of Science, 42 (2011), Claus Beisbart